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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.

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Man ersieht aus diesen Angabe, daß die vorliegende Schrift
unter dem unmittelbaren Druck der Ereignisse entstand und ihr
historisches Material nicht über den Monat Februar (1852) hinaus¬
reicht. Ihre jetzige Wiederveröffentlichung ist theils buchhändle¬
rifcher Nachfrage, theils dem Andringen meiner Freunde in
Deutschland geschuldet.

Von den Schriften, welche ungefähr gleichzeitig mit
der meinigen denselben Gegenstand behandelten, sind nur zwei
bemerkenswerth: Victor Hugo's: "Napoleon le Petit"
und Proudhon's: "Coup d'Etat".

Victor Hugo beschränkt sich auf bittere und geistreiche Invek¬
tive gegen den verantwortlichen Herausgeber des Staatsstreichs.
Das Ereigniß selbst erscheint bei ihm wie ein Blitz aus heitrer
Luft. Er sieht darin nur die Gewaltthat eines einzelnen Indivi¬
duums. Er merkt nicht, daß er dies Individuum groß statt klein
macht, indem er ihm eine persönliche Gewalt der Initiative zu¬
schreibt, wie sie beispiellos in der Weltgeschichte dastehen würde.
Proudhon seinerseits sucht den Staatsstreich als Resultat einer
vorhergegangenen geschichtlichen Entwicklung darzustellen. Unter
der Hand verwandelt sich ihm jedoch die geschichtliche Konstruktion
des Staatsstreichs in eine geschichtliche Apologie des Staatsstreichs¬
helden. Er verfällt so in den Fehler unserer sogenannten objek¬
tiven Geschichtsschreiber. Ich weise dagegen nach, wie der
Klassenkampf in Frankreich Umstände und Verhältnisse schuf,
welche einer mittelmäßigen und grotesken Personage das Spiel der
Heldenrolle ermöglichten.

Man erſieht aus dieſen Angabe, daß die vorliegende Schrift
unter dem unmittelbaren Druck der Ereigniſſe entſtand und ihr
hiſtoriſches Material nicht über den Monat Februar (1852) hinaus¬
reicht. Ihre jetzige Wiederveröffentlichung iſt theils buchhändle¬
rifcher Nachfrage, theils dem Andringen meiner Freunde in
Deutſchland geſchuldet.

Von den Schriften, welche ungefähr gleichzeitig mit
der meinigen denſelben Gegenſtand behandelten, ſind nur zwei
bemerkenswerth: Victor Hugo's: „Napoléon le Petit
und Proudhon's: „Coup d'État“.

Victor Hugo beſchränkt ſich auf bittere und geiſtreiche Invek¬
tive gegen den verantwortlichen Herausgeber des Staatsſtreichs.
Das Ereigniß ſelbſt erſcheint bei ihm wie ein Blitz aus heitrer
Luft. Er ſieht darin nur die Gewaltthat eines einzelnen Indivi¬
duums. Er merkt nicht, daß er dies Individuum groß ſtatt klein
macht, indem er ihm eine perſönliche Gewalt der Initiative zu¬
schreibt, wie ſie beiſpiellos in der Weltgeſchichte daſtehen würde.
Proudhon ſeinerſeits ſucht den Staatsſtreich als Reſultat einer
vorhergegangenen geſchichtlichen Entwicklung darzustellen. Unter
der Hand verwandelt ſich ihm jedoch die geſchichtliche Konſtruktion
des Staatsſtreichs in eine geſchichtliche Apologie des Staatsſtreichs¬
helden. Er verfällt ſo in den Fehler unſerer ſogenannten objek¬
tiven Geſchichtsſchreiber. Ich weiſe dagegen nach, wie der
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[IV/0010] Man erſieht aus dieſen Angabe, daß die vorliegende Schrift unter dem unmittelbaren Druck der Ereigniſſe entſtand und ihr hiſtoriſches Material nicht über den Monat Februar (1852) hinaus¬ reicht. Ihre jetzige Wiederveröffentlichung iſt theils buchhändle¬ rifcher Nachfrage, theils dem Andringen meiner Freunde in Deutſchland geſchuldet. Von den Schriften, welche ungefähr gleichzeitig mit der meinigen denſelben Gegenſtand behandelten, ſind nur zwei bemerkenswerth: Victor Hugo's: „Napoléon le Petit“ und Proudhon's: „Coup d'État“. Victor Hugo beſchränkt ſich auf bittere und geiſtreiche Invek¬ tive gegen den verantwortlichen Herausgeber des Staatsſtreichs. Das Ereigniß ſelbſt erſcheint bei ihm wie ein Blitz aus heitrer Luft. Er ſieht darin nur die Gewaltthat eines einzelnen Indivi¬ duums. Er merkt nicht, daß er dies Individuum groß ſtatt klein macht, indem er ihm eine perſönliche Gewalt der Initiative zu¬ schreibt, wie ſie beiſpiellos in der Weltgeſchichte daſtehen würde. Proudhon ſeinerſeits ſucht den Staatsſtreich als Reſultat einer vorhergegangenen geſchichtlichen Entwicklung darzustellen. Unter der Hand verwandelt ſich ihm jedoch die geſchichtliche Konſtruktion des Staatsſtreichs in eine geſchichtliche Apologie des Staatsſtreichs¬ helden. Er verfällt ſo in den Fehler unſerer ſogenannten objek¬ tiven Geſchichtsſchreiber. Ich weiſe dagegen nach, wie der Klaſſenkampf in Frankreich Umſtände und Verhältniſſe ſchuf, welche einer mittelmäßigen und grotesken Perſonage das Spiel der Heldenrolle ermöglichten.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/10>, abgerufen am 28.03.2024.