Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869.Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. I. Hegel bemerkt irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Thatsachen Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht 1
Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. I. Hegel bemerkt irgendwo, daß alle großen weltgeſchichtlichen Thatſachen Die Menſchen machen ihre eigene Geſchichte, aber ſie machen ſie nicht 1
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Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte.
I.
Hegel bemerkt irgendwo, daß alle großen weltgeſchichtlichen Thatſachen
und Perſonen ſich ſo zu ſagen zweimal ereignen. Er hat vergeſſen hinzuzu¬
fügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce. Cauſſidiere
für Danton, Louis Blanc für Robespierre, die Montagne von 1848–51
für die Montagne von 1793–95, der Neffe für den Onkel. Und dieſelbe
Karrikatur in den Umſtänden, unter denen die zweite Auflage des achtzehnten
Brumaire herausgegeben wird!
Die Menſchen machen ihre eigene Geſchichte, aber ſie machen ſie nicht
aus freien Stücken, nicht unter ſelbſtgewählten, ſondern unter unmittelbar
vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umſtänden. Die Tradition aller
todten Geſchlechter laſtet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden. Und
wenn ſie eben damit beſchäftigt ſcheinen, ſich und die Dinge umzuwälzen, noch
nicht Dageweſenes zu ſchaffen, gerade in ſolchen Epochen revolutionärer Kriſe
beſchwören ſie ängſtlich die Geiſter der Vergangenheit zu ihrem Dienſte
herauf, entlehnen ihnen Namen, Schlachtparole, Koſtüm, um in dieſer altehr¬
würdigen Verkleidung und mit dieſer erborgten Sprache die neue Weltge¬
ſchichtsſcene aufzuführen. So maskirte ſich Luther als Apoſtel Paulus, die
Revolution von 1789–1814 drapirte ſich abwechſelnd als römiſche Re¬
publik und als römiſches Kaiſerthum, und die Revolution von 1848 wußte
nichts Beſſeres zu thun, als hier 1789, dort die revolutionäre Ueberlieferung
von 1793–95 zu parodiren. So überſetzt der Anfänger, der eine neue
Sprache erlernt hat, ſie immer zurück in ſeine Mutterſprache, aber den Geiſt
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