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[N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692.

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deren eines das andere übern hauffen
wirfft/ also daß sich eines Lasters bedienen/
das andere zu vertreiben/ nicht so wohl eine
Victorie/ als eine schändliche Niederla-
ge ist.

XVII.

Wann zwey Laster in unserm Gemüht
grausamlich wieder einander stossen/ und
das eine den Sieg erhält/ so treibt es dassel-
be deß wegen doch nicht hinauß/ sondern es
setzt dasselbe auffs meiste nur ins Gefäng-
nüß/ also daß mit der ersten Gelegenheit es
entgehet/ und ärger wird/ als zuvor.

XVIII.

Die Aeste eines Baums beschneiden/ und
den Stamm gantz grün lassen/ das heist/
sich vergeblich bemühen. Die Tugend ist
sehr übel in einem solchen Hertzen befesttget/
da die Wurtzel des Lasters noch gantz ge-
blieben ist. Eine Passion wird durch eine
andere nicht zerstöret/ ein Laster lescht das
andere nicht aus.

XIX.

Es gibt etliche verderbete Leute/ welche
gewisse Laster fliehen/ nicht aus Liebe oder
Ergötzlichkeit/ die sie in der Tugend befin-
den/ sondern von wegen der Zuneigung/ so

sie
E 5

deren eines das andere uͤbern hauffen
wirfft/ alſo daß ſich eines Laſters bedienen/
das andere zu vertreiben/ nicht ſo wohl eine
Victorie/ als eine ſchaͤndliche Niederla-
ge iſt.

XVII.

Wann zwey Laſter in unſerm Gemuͤht
grauſamlich wieder einander ſtoſſen/ und
das eine den Sieg erhaͤlt/ ſo treibt es daſſel-
be deß wegen doch nicht hinauß/ ſondern es
ſetzt daſſelbe auffs meiſte nur ins Gefaͤng-
nuͤß/ alſo daß mit der erſten Gelegenheit es
entgehet/ und aͤrger wird/ als zuvor.

XVIII.

Die Aeſte eines Baums beſchneiden/ und
den Stamm gantz gruͤn laſſen/ das heiſt/
ſich vergeblich bemuͤhen. Die Tugend iſt
ſehr uͤbel in einem ſolchen Hertzen befeſttget/
da die Wurtzel des Laſters noch gantz ge-
blieben iſt. Eine Paſſion wird durch eine
andere nicht zerſtoͤret/ ein Laſter leſcht das
andere nicht aus.

XIX.

Es gibt etliche verderbete Leute/ welche
gewiſſe Laſter fliehen/ nicht aus Liebe oder
Ergoͤtzlichkeit/ die ſie in der Tugend befin-
den/ ſondern von wegen der Zuneigung/ ſo

ſie
E 5
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[115[105]/0116] deren eines das andere uͤbern hauffen wirfft/ alſo daß ſich eines Laſters bedienen/ das andere zu vertreiben/ nicht ſo wohl eine Victorie/ als eine ſchaͤndliche Niederla- ge iſt. XVII. Wann zwey Laſter in unſerm Gemuͤht grauſamlich wieder einander ſtoſſen/ und das eine den Sieg erhaͤlt/ ſo treibt es daſſel- be deß wegen doch nicht hinauß/ ſondern es ſetzt daſſelbe auffs meiſte nur ins Gefaͤng- nuͤß/ alſo daß mit der erſten Gelegenheit es entgehet/ und aͤrger wird/ als zuvor. XVIII. Die Aeſte eines Baums beſchneiden/ und den Stamm gantz gruͤn laſſen/ das heiſt/ ſich vergeblich bemuͤhen. Die Tugend iſt ſehr uͤbel in einem ſolchen Hertzen befeſttget/ da die Wurtzel des Laſters noch gantz ge- blieben iſt. Eine Paſſion wird durch eine andere nicht zerſtoͤret/ ein Laſter leſcht das andere nicht aus. XIX. Es gibt etliche verderbete Leute/ welche gewiſſe Laſter fliehen/ nicht aus Liebe oder Ergoͤtzlichkeit/ die ſie in der Tugend befin- den/ ſondern von wegen der Zuneigung/ ſo ſie E 5

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Zitationshilfe: [N. N.]: Hofzimmer der Klugen. Übers. v. Georg Martzi. Frankfurt (Main), 1692, S. 115[105]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martzi_klugen_1692/116>, abgerufen am 21.11.2024.