Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Von Verträgen.
densschlüßen nicht nur diejenigen Verträge welche offenbar
durch den Krieg zerfallen, oder ausdrücklich aufgerufen sind
zu erneuern, sondern auch solche, in Ansehung deren ein Zwei-
fel eintreten könnte, zu bestädtigen und zu erneuern. Dar-
aus allein aber, daß dies in Ansehung der letzteren unter-
lassen worden, läßt sich noch nicht schließen, daß der Ver-
trag für unverbindlich anzusehen sey c), so wie auf der an-
dern Seite die Erneuerung eines, oder einiger Artikel, noch
nicht auf die Erneuerung des ganzen Vertrags schließen
läßt d), überhaupt aber die Kraft einer solchen Erneuerung
oder Bestädtigung eines Vertrags sich nicht weiter anneh-
men läßt, als dieser die Contrahenten des neuen Vertrags
betrift e).

a) S. z. B. Allgem. Gesch. der vereinigten Niederlande Th. VII.
S. 247.
b) S. z. B. die Verträge vom 1. Oct. 1777. und 1. März 1778.
zwischen Spanien und Portugal, in m. Recueil T. I. p. 634. 709.
c) So wollten z. B. die vereinigten Niederländer 1784 die Anfor-
derungen, welche der Kaiser auf Mastricht aus dem mit seinem
Vorgänger dem Könige von Spanien von den vereinigten Nie-
derlanden 167[ - 1 Zeichen fehlt] errichteten Bündnisse machte, dadurch widerle-
gen, daß dieser Vertrag beym Aachener Frieden 1748 nicht er-
neuert worden.
d) Ob durch den Aboer Frieden von 1743 der Nystädter Friede
von 1721 erneuert worden, darüber ward seit 1749 zwischen
Rußland und Schweden gestritten, und auch der Friede von
1790 hat diesen Streit nicht entschieden. Moser Versuch
Th. VI. S. 391 u. f.
e) Wenn daher in dem Art 12. des Teschner Friedens zwischen Oester-
reich und Preußen von 1779, dem das Reich beygetreten, die west-
phälischen Friedensschlüsse bestädtiget und erneuert worden, als
ob sie demselben von Wort zu Wort einverleibt wären, so kann
Rußland, des den Teschner Frieden garantirte sich darum nicht
als Garant der ganzen westphälischen Friedensschlüsse ansehn.
Nur wenn zwischen Preußen und Oesterreich über Verletzung des
westphälischen Friedens Streit entstünde, könnte die russische
Garantie aufgefordert und geleistet werden. Ueber diese wich-
tige Frage, welche Moser in s. Teschner Friedenschluß mit
E 5

Von Vertraͤgen.
densſchluͤßen nicht nur diejenigen Vertraͤge welche offenbar
durch den Krieg zerfallen, oder ausdruͤcklich aufgerufen ſind
zu erneuern, ſondern auch ſolche, in Anſehung deren ein Zwei-
fel eintreten koͤnnte, zu beſtaͤdtigen und zu erneuern. Dar-
aus allein aber, daß dies in Anſehung der letzteren unter-
laſſen worden, laͤßt ſich noch nicht ſchließen, daß der Ver-
trag fuͤr unverbindlich anzuſehen ſey c), ſo wie auf der an-
dern Seite die Erneuerung eines, oder einiger Artikel, noch
nicht auf die Erneuerung des ganzen Vertrags ſchließen
laͤßt d), uͤberhaupt aber die Kraft einer ſolchen Erneuerung
oder Beſtaͤdtigung eines Vertrags ſich nicht weiter anneh-
men laͤßt, als dieſer die Contrahenten des neuen Vertrags
betrift e).

a) S. z. B. Allgem. Geſch. der vereinigten Niederlande Th. VII.
S. 247.
b) S. z. B. die Vertraͤge vom 1. Oct. 1777. und 1. Maͤrz 1778.
zwiſchen Spanien und Portugal, in m. Recueil T. I. p. 634. 709.
c) So wollten z. B. die vereinigten Niederlaͤnder 1784 die Anfor-
derungen, welche der Kaiſer auf Maſtricht aus dem mit ſeinem
Vorgaͤnger dem Koͤnige von Spanien von den vereinigten Nie-
derlanden 167[ – 1 Zeichen fehlt] errichteten Buͤndniſſe machte, dadurch widerle-
gen, daß dieſer Vertrag beym Aachener Frieden 1748 nicht er-
neuert worden.
d) Ob durch den Aboer Frieden von 1743 der Nyſtaͤdter Friede
von 1721 erneuert worden, daruͤber ward ſeit 1749 zwiſchen
Rußland und Schweden geſtritten, und auch der Friede von
1790 hat dieſen Streit nicht entſchieden. Moſer Verſuch
Th. VI. S. 391 u. f.
e) Wenn daher in dem Art 12. des Teſchner Friedens zwiſchen Oeſter-
reich und Preußen von 1779, dem das Reich beygetreten, die weſt-
phaͤliſchen Friedensſchluͤſſe beſtaͤdtiget und erneuert worden, als
ob ſie demſelben von Wort zu Wort einverleibt waͤren, ſo kann
Rußland, des den Teſchner Frieden garantirte ſich darum nicht
als Garant der ganzen weſtphaͤliſchen Friedensſchluͤſſe anſehn.
Nur wenn zwiſchen Preußen und Oeſterreich uͤber Verletzung des
weſtphaͤliſchen Friedens Streit entſtuͤnde, koͤnnte die ruſſiſche
Garantie aufgefordert und geleiſtet werden. Ueber dieſe wich-
tige Frage, welche Moſer in ſ. Teſchner Friedenſchluß mit
E 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0097" n="69"/><fw place="top" type="header">Von Vertra&#x0364;gen.</fw><lb/>
dens&#x017F;chlu&#x0364;ßen nicht nur diejenigen Vertra&#x0364;ge welche offenbar<lb/>
durch den Krieg zerfallen, oder ausdru&#x0364;cklich aufgerufen &#x017F;ind<lb/>
zu erneuern, &#x017F;ondern auch &#x017F;olche, in An&#x017F;ehung deren ein Zwei-<lb/>
fel eintreten ko&#x0364;nnte, zu be&#x017F;ta&#x0364;dtigen und zu erneuern. Dar-<lb/>
aus allein aber, daß dies in An&#x017F;ehung der letzteren unter-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en worden, la&#x0364;ßt &#x017F;ich noch nicht &#x017F;chließen, daß der Ver-<lb/>
trag fu&#x0364;r unverbindlich anzu&#x017F;ehen &#x017F;ey <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">c</hi></hi>), &#x017F;o wie auf der an-<lb/>
dern Seite die Erneuerung eines, oder einiger Artikel, noch<lb/>
nicht auf die Erneuerung des ganzen Vertrags &#x017F;chließen<lb/>
la&#x0364;ßt <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">d</hi></hi>), u&#x0364;berhaupt aber die Kraft einer &#x017F;olchen Erneuerung<lb/>
oder Be&#x017F;ta&#x0364;dtigung eines Vertrags &#x017F;ich nicht weiter anneh-<lb/>
men la&#x0364;ßt, als die&#x017F;er die Contrahenten des neuen Vertrags<lb/>
betrift <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">e</hi></hi>).</p><lb/>
            <note place="end" n="a)">S. z. B. Allgem. <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;ch. der vereinigten Niederlande</hi> Th. <hi rendition="#aq">VII.</hi><lb/>
S. 247.</note><lb/>
            <note place="end" n="b)">S. z. B. die Vertra&#x0364;ge vom 1. Oct. 1777. und 1. Ma&#x0364;rz 1778.<lb/>
zwi&#x017F;chen Spanien und Portugal, in m. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Recueil</hi> T. I. p.</hi> 634. 709.</note><lb/>
            <note place="end" n="c)">So wollten z. B. die vereinigten Niederla&#x0364;nder 1784 die Anfor-<lb/>
derungen, welche der Kai&#x017F;er auf Ma&#x017F;tricht aus dem mit &#x017F;einem<lb/>
Vorga&#x0364;nger dem Ko&#x0364;nige von Spanien von den vereinigten Nie-<lb/>
derlanden 167<gap unit="chars" quantity="1"/> errichteten Bu&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;e machte, dadurch widerle-<lb/>
gen, daß die&#x017F;er Vertrag beym Aachener Frieden 1748 nicht er-<lb/>
neuert worden.</note><lb/>
            <note place="end" n="d)">Ob durch den Aboer Frieden von 1743 der Ny&#x017F;ta&#x0364;dter Friede<lb/>
von 1721 erneuert worden, daru&#x0364;ber ward &#x017F;eit 1749 zwi&#x017F;chen<lb/>
Rußland und Schweden ge&#x017F;tritten, und auch der Friede von<lb/>
1790 hat die&#x017F;en Streit nicht ent&#x017F;chieden. <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Mo&#x017F;er</hi> Ver&#x017F;uch</hi><lb/>
Th. <hi rendition="#aq">VI.</hi> S. 391 u. f.</note><lb/>
            <note place="end" n="e)">Wenn daher in dem Art 12. des Te&#x017F;chner Friedens zwi&#x017F;chen Oe&#x017F;ter-<lb/>
reich und Preußen von 1779, dem das Reich beygetreten, die we&#x017F;t-<lb/>
pha&#x0364;li&#x017F;chen Friedens&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e be&#x017F;ta&#x0364;dtiget und erneuert worden, als<lb/>
ob &#x017F;ie dem&#x017F;elben von Wort zu Wort einverleibt wa&#x0364;ren, &#x017F;o kann<lb/>
Rußland, des den Te&#x017F;chner Frieden garantirte &#x017F;ich darum nicht<lb/>
als Garant der ganzen we&#x017F;tpha&#x0364;li&#x017F;chen Friedens&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e an&#x017F;ehn.<lb/>
Nur wenn zwi&#x017F;chen Preußen und Oe&#x017F;terreich u&#x0364;ber Verletzung des<lb/>
we&#x017F;tpha&#x0364;li&#x017F;chen Friedens Streit ent&#x017F;tu&#x0364;nde, ko&#x0364;nnte die ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che<lb/>
Garantie aufgefordert und gelei&#x017F;tet werden. Ueber die&#x017F;e wich-<lb/>
tige Frage, welche <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Mo&#x017F;er</hi></hi> in &#x017F;. <hi rendition="#fr">Te&#x017F;chner Frieden&#x017F;chluß</hi> mit<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 5</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Anmer-</hi></fw><lb/></note>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0097] Von Vertraͤgen. densſchluͤßen nicht nur diejenigen Vertraͤge welche offenbar durch den Krieg zerfallen, oder ausdruͤcklich aufgerufen ſind zu erneuern, ſondern auch ſolche, in Anſehung deren ein Zwei- fel eintreten koͤnnte, zu beſtaͤdtigen und zu erneuern. Dar- aus allein aber, daß dies in Anſehung der letzteren unter- laſſen worden, laͤßt ſich noch nicht ſchließen, daß der Ver- trag fuͤr unverbindlich anzuſehen ſey c), ſo wie auf der an- dern Seite die Erneuerung eines, oder einiger Artikel, noch nicht auf die Erneuerung des ganzen Vertrags ſchließen laͤßt d), uͤberhaupt aber die Kraft einer ſolchen Erneuerung oder Beſtaͤdtigung eines Vertrags ſich nicht weiter anneh- men laͤßt, als dieſer die Contrahenten des neuen Vertrags betrift e). a⁾ S. z. B. Allgem. Geſch. der vereinigten Niederlande Th. VII. S. 247. b⁾ S. z. B. die Vertraͤge vom 1. Oct. 1777. und 1. Maͤrz 1778. zwiſchen Spanien und Portugal, in m. Recueil T. I. p. 634. 709. c⁾ So wollten z. B. die vereinigten Niederlaͤnder 1784 die Anfor- derungen, welche der Kaiſer auf Maſtricht aus dem mit ſeinem Vorgaͤnger dem Koͤnige von Spanien von den vereinigten Nie- derlanden 167_ errichteten Buͤndniſſe machte, dadurch widerle- gen, daß dieſer Vertrag beym Aachener Frieden 1748 nicht er- neuert worden. d⁾ Ob durch den Aboer Frieden von 1743 der Nyſtaͤdter Friede von 1721 erneuert worden, daruͤber ward ſeit 1749 zwiſchen Rußland und Schweden geſtritten, und auch der Friede von 1790 hat dieſen Streit nicht entſchieden. Moſer Verſuch Th. VI. S. 391 u. f. e⁾ Wenn daher in dem Art 12. des Teſchner Friedens zwiſchen Oeſter- reich und Preußen von 1779, dem das Reich beygetreten, die weſt- phaͤliſchen Friedensſchluͤſſe beſtaͤdtiget und erneuert worden, als ob ſie demſelben von Wort zu Wort einverleibt waͤren, ſo kann Rußland, des den Teſchner Frieden garantirte ſich darum nicht als Garant der ganzen weſtphaͤliſchen Friedensſchluͤſſe anſehn. Nur wenn zwiſchen Preußen und Oeſterreich uͤber Verletzung des weſtphaͤliſchen Friedens Streit entſtuͤnde, koͤnnte die ruſſiſche Garantie aufgefordert und geleiſtet werden. Ueber dieſe wich- tige Frage, welche Moſer in ſ. Teſchner Friedenſchluß mit Anmer- E 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/97
Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/97>, abgerufen am 03.12.2024.