Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Von Verträgen.
schen Reichsständen vor, doch häufiger für Darlehne, als
für irgend eine andere Gattung eigentlicher Staatsverträge.

Geißel können entweder für die Beobachtung eines
ganzen Staatsvertrags, oder eines einzelnen Artikels dessel-
ben, oder einer in Kriegszeiten geschloßenen Capitulation
u. s. f. als Bürgen gegeben werden. Nur in den beiden letz-
teren Fällen f), insonderheit in dem letzten, wird noch jetzt
von Geißeln Gebrauch gemacht.

Endlich war ehemahls sehr gewöhnlich, daß aus mächtigen
Unterthanen und Vasallen beider Theile einige mit der Ver-
pflichtung gewählet wurden, als warrandi oder conserva-
tores pacis
dem verletzten Mitcontrahenten wider ihren
eigenen Landes- und Lehnherrn aufgefordert beyzustehn, um
diesen von der Verletzung des Vertrags abzuhalten und zu
Erfüllung desselben zu zwingen. Da diese Sitte mit der
Erhaltung der inneren Ruhe und Verfassung sich nicht ver-
einbaren ließ, so wurden seit dem Anfange des 16ten Jahr-
hunderts g) statt der eigenen Unterthanen dritte Mächte
aufgefordert conservatores und warrandi eines Staats-
vertrags zu werden. Dies ist der Ursprung unserer heuti-
gen Garantien h) deren häufiger Gebrauch mehr Nutzen
verspricht als gewähret i).

a) Grotius Lib. II. cap. XIII.
b) Z. B. Friede zn Cambray zwischen Franz I. und Carl V. 1529.
de Real T. V. p. 660.
c) Leibnitz codex diplomaticus iuris Gentium in der Vorrede. Vat-
tei
. T. II. L. II. c. XV.
§. 223.
d) Man findet noch Beyspiele davon bey Gelegenheit des pyrenäi-
schen Friedens von 1659 s. Reboulet histoire du regne de Louis
XIV. T. III. p.
225, des ryswikischen Frieden 1697 art. 38, und,
vielleicht als das neueste Beyspiel, in dem von beiden Theilen
feyerlich beschwornem Bündnisse zwischen Frankreich und der Eyd-
genossenschaft vom Jahr 1778. s. Moser Versuch B. VIII.
S. 287.
e) Günther Völkerrecht Th. II. S. 153 u. f.
f) So schickte z. B. bey Gelegenheit des Aachener Friedens Großbri-
tannien Geißel nach Paris zur Sicherheit für die Zurückgabe von
E 2

Von Vertraͤgen.
ſchen Reichsſtaͤnden vor, doch haͤufiger fuͤr Darlehne, als
fuͤr irgend eine andere Gattung eigentlicher Staatsvertraͤge.

Geißel koͤnnen entweder fuͤr die Beobachtung eines
ganzen Staatsvertrags, oder eines einzelnen Artikels deſſel-
ben, oder einer in Kriegszeiten geſchloßenen Capitulation
u. ſ. f. als Buͤrgen gegeben werden. Nur in den beiden letz-
teren Faͤllen f), inſonderheit in dem letzten, wird noch jetzt
von Geißeln Gebrauch gemacht.

Endlich war ehemahls ſehr gewoͤhnlich, daß aus maͤchtigen
Unterthanen und Vaſallen beider Theile einige mit der Ver-
pflichtung gewaͤhlet wurden, als warrandi oder conſerva-
tores pacis
dem verletzten Mitcontrahenten wider ihren
eigenen Landes- und Lehnherrn aufgefordert beyzuſtehn, um
dieſen von der Verletzung des Vertrags abzuhalten und zu
Erfuͤllung deſſelben zu zwingen. Da dieſe Sitte mit der
Erhaltung der inneren Ruhe und Verfaſſung ſich nicht ver-
einbaren ließ, ſo wurden ſeit dem Anfange des 16ten Jahr-
hunderts g) ſtatt der eigenen Unterthanen dritte Maͤchte
aufgefordert conſervatores und warrandi eines Staats-
vertrags zu werden. Dies iſt der Urſprung unſerer heuti-
gen Garantien h) deren haͤufiger Gebrauch mehr Nutzen
verſpricht als gewaͤhret i).

a) Grotius Lib. II. cap. XIII.
b) Z. B. Friede zn Cambray zwiſchen Franz I. und Carl V. 1529.
de Real T. V. p. 660.
c) Leibnitz codex diplomaticus iuris Gentium in der Vorrede. Vat-
tei
. T. II. L. II. c. XV.
§. 223.
d) Man findet noch Beyſpiele davon bey Gelegenheit des pyrenaͤi-
ſchen Friedens von 1659 ſ. Reboulet hiſtoire du regne de Louis
XIV. T. III. p.
225, des ryswikiſchen Frieden 1697 art. 38, und,
vielleicht als das neueſte Beyſpiel, in dem von beiden Theilen
feyerlich beſchwornem Buͤndniſſe zwiſchen Frankreich und der Eyd-
genoſſenſchaft vom Jahr 1778. ſ. Moſer Verſuch B. VIII.
S. 287.
e) Guͤnther Voͤlkerrecht Th. II. S. 153 u. f.
f) So ſchickte z. B. bey Gelegenheit des Aachener Friedens Großbri-
tannien Geißel nach Paris zur Sicherheit fuͤr die Zuruͤckgabe von
E 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0095" n="67"/><fw place="top" type="header">Von Vertra&#x0364;gen.</fw><lb/>
&#x017F;chen Reichs&#x017F;ta&#x0364;nden vor, doch ha&#x0364;ufiger fu&#x0364;r Darlehne, als<lb/>
fu&#x0364;r irgend eine andere Gattung eigentlicher Staatsvertra&#x0364;ge.</p><lb/>
            <p>Geißel ko&#x0364;nnen entweder fu&#x0364;r die Beobachtung eines<lb/>
ganzen Staatsvertrags, oder eines einzelnen Artikels de&#x017F;&#x017F;el-<lb/>
ben, oder einer in Kriegszeiten ge&#x017F;chloßenen Capitulation<lb/>
u. &#x017F;. f. als Bu&#x0364;rgen gegeben werden. Nur in den beiden letz-<lb/>
teren Fa&#x0364;llen <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">f</hi></hi>), in&#x017F;onderheit in dem letzten, wird noch jetzt<lb/>
von Geißeln Gebrauch gemacht.</p><lb/>
            <p>Endlich war ehemahls &#x017F;ehr gewo&#x0364;hnlich, daß aus ma&#x0364;chtigen<lb/>
Unterthanen und Va&#x017F;allen beider Theile einige mit der Ver-<lb/>
pflichtung gewa&#x0364;hlet wurden, als <hi rendition="#aq">warrandi</hi> oder <hi rendition="#aq">con&#x017F;erva-<lb/>
tores pacis</hi> dem verletzten Mitcontrahenten wider ihren<lb/>
eigenen Landes- und Lehnherrn aufgefordert beyzu&#x017F;tehn, um<lb/>
die&#x017F;en von der Verletzung des Vertrags abzuhalten und zu<lb/>
Erfu&#x0364;llung de&#x017F;&#x017F;elben zu zwingen. Da die&#x017F;e Sitte mit der<lb/>
Erhaltung der inneren Ruhe und Verfa&#x017F;&#x017F;ung &#x017F;ich nicht ver-<lb/>
einbaren ließ, &#x017F;o wurden &#x017F;eit dem Anfange des 16ten Jahr-<lb/>
hunderts <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">g</hi></hi>) &#x017F;tatt der eigenen Unterthanen dritte Ma&#x0364;chte<lb/>
aufgefordert <hi rendition="#aq">con&#x017F;ervatores</hi> und <hi rendition="#aq">warrandi</hi> eines Staats-<lb/>
vertrags zu werden. Dies i&#x017F;t der Ur&#x017F;prung un&#x017F;erer heuti-<lb/>
gen <hi rendition="#fr">Garantien</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">h</hi></hi>) deren ha&#x0364;ufiger Gebrauch mehr Nutzen<lb/>
ver&#x017F;pricht als gewa&#x0364;hret <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">i</hi></hi>).</p><lb/>
            <note place="end" n="a)"> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Grotius</hi> Lib. II. cap. XIII.</hi> </note><lb/>
            <note place="end" n="b)">Z. B. Friede zn Cambray zwi&#x017F;chen Franz <hi rendition="#aq">I.</hi> und Carl <hi rendition="#aq">V.</hi> 1529.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">de Real</hi> T. V. p.</hi> 660.</note><lb/>
            <note place="end" n="c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Leibnitz</hi><hi rendition="#i">codex diplomaticus iuris Gentium</hi></hi> in der Vorrede. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Vat-<lb/>
tei</hi>. T. II. L. II. c. XV.</hi> §. 223.</note><lb/>
            <note place="end" n="d)">Man findet noch Bey&#x017F;piele davon bey Gelegenheit des pyrena&#x0364;i-<lb/>
&#x017F;chen Friedens von 1659 &#x017F;. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Reboulet</hi><hi rendition="#i">hi&#x017F;toire du regne de Louis</hi><lb/>
XIV. T. III. p.</hi> 225, des ryswiki&#x017F;chen Frieden 1697 <hi rendition="#aq">art.</hi> 38, und,<lb/>
vielleicht als das neue&#x017F;te Bey&#x017F;piel, in dem von beiden Theilen<lb/>
feyerlich be&#x017F;chwornem Bu&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;e zwi&#x017F;chen Frankreich und der Eyd-<lb/>
geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft vom Jahr 1778. &#x017F;. <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Mo&#x017F;er</hi> Ver&#x017F;uch</hi> B. <hi rendition="#aq">VIII.</hi><lb/>
S. 287.</note><lb/>
            <note place="end" n="e)"><hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Gu&#x0364;nther</hi> Vo&#x0364;lkerrecht</hi> Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 153 u. f.</note><lb/>
            <note place="end" n="f)">So &#x017F;chickte z. B. bey Gelegenheit des Aachener Friedens Großbri-<lb/>
tannien Geißel nach Paris zur Sicherheit fu&#x0364;r die Zuru&#x0364;ckgabe von<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 2</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Cap.</hi></fw><lb/></note>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0095] Von Vertraͤgen. ſchen Reichsſtaͤnden vor, doch haͤufiger fuͤr Darlehne, als fuͤr irgend eine andere Gattung eigentlicher Staatsvertraͤge. Geißel koͤnnen entweder fuͤr die Beobachtung eines ganzen Staatsvertrags, oder eines einzelnen Artikels deſſel- ben, oder einer in Kriegszeiten geſchloßenen Capitulation u. ſ. f. als Buͤrgen gegeben werden. Nur in den beiden letz- teren Faͤllen f), inſonderheit in dem letzten, wird noch jetzt von Geißeln Gebrauch gemacht. Endlich war ehemahls ſehr gewoͤhnlich, daß aus maͤchtigen Unterthanen und Vaſallen beider Theile einige mit der Ver- pflichtung gewaͤhlet wurden, als warrandi oder conſerva- tores pacis dem verletzten Mitcontrahenten wider ihren eigenen Landes- und Lehnherrn aufgefordert beyzuſtehn, um dieſen von der Verletzung des Vertrags abzuhalten und zu Erfuͤllung deſſelben zu zwingen. Da dieſe Sitte mit der Erhaltung der inneren Ruhe und Verfaſſung ſich nicht ver- einbaren ließ, ſo wurden ſeit dem Anfange des 16ten Jahr- hunderts g) ſtatt der eigenen Unterthanen dritte Maͤchte aufgefordert conſervatores und warrandi eines Staats- vertrags zu werden. Dies iſt der Urſprung unſerer heuti- gen Garantien h) deren haͤufiger Gebrauch mehr Nutzen verſpricht als gewaͤhret i). a⁾ Grotius Lib. II. cap. XIII. b⁾ Z. B. Friede zn Cambray zwiſchen Franz I. und Carl V. 1529. de Real T. V. p. 660. c⁾ Leibnitz codex diplomaticus iuris Gentium in der Vorrede. Vat- tei. T. II. L. II. c. XV. §. 223. d⁾ Man findet noch Beyſpiele davon bey Gelegenheit des pyrenaͤi- ſchen Friedens von 1659 ſ. Reboulet hiſtoire du regne de Louis XIV. T. III. p. 225, des ryswikiſchen Frieden 1697 art. 38, und, vielleicht als das neueſte Beyſpiel, in dem von beiden Theilen feyerlich beſchwornem Buͤndniſſe zwiſchen Frankreich und der Eyd- genoſſenſchaft vom Jahr 1778. ſ. Moſer Verſuch B. VIII. S. 287. e⁾ Guͤnther Voͤlkerrecht Th. II. S. 153 u. f. f⁾ So ſchickte z. B. bey Gelegenheit des Aachener Friedens Großbri- tannien Geißel nach Paris zur Sicherheit fuͤr die Zuruͤckgabe von Cap. E 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/95
Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/95>, abgerufen am 19.05.2024.