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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Verschiedenheit der Regierungsformen.
Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit des Regenten sind un-
zertrennliche Folgen dieser Verfassung.

Ist dieses Recht einer moralischen Person übertra-
gen, so ist der Staat Republicanisch, wenn auch die Aus-
übung eines oder andern Hoheitsrechts einer physischen Person
anvertrauet wäre, die als Beamter Unterthan des Staats
ist. Democratisch nennt man diese Verfassung, wenn alle
oder der größeste Theil der natürlich regierungsfähigen Mit-
glieder an dieser Verwaltung Theil zu nehmen berechtiget
sind und wirklich (mittelbar oder unmittelbar) Theil neh-
men, Aristocratisch wenn dies ein vorzügliches Recht einer
kleineren Zahl Familien ist.

Daher ist unter den Staaten die ein gekröntes Ober-
haupt haben auch Teutschland noch eine Monarchie, daher
sind Venedia und Genua, ungeachtet ihres Dogen, Repu-
bliken a), daher waren die einzelnen 7 Provinzen der ver-
einigten Niederlande
auch unter einem erblichen Statthal-
ter Republiken b).

a) Von Venedig s. le Bret Vorlesungen über die Statistik
Th. I. S 230 u. f. über Genua Loisirs du Chevalier d'Eon
T. VI. p.
80.
b) Pestel commentarii de republica Batava. Lugd. B. 1782. 8.
§. 21.
Erbreiche oder Wahlreiche.

In Ansehung der Thronfolge sind monarchische Staa-
ten entweder Erbreiche, oder Wahlreiche, oder aus beiden
gemischt. In den Erbreichen ist Erbfolge-Recht und Ord-
nung a) entweder durch Herkommen, oder durch Grund-
gesetze, oder durch Familienverträge oder selbst, wie in Eu-
ropa mehrmahls geschehn, durch Verträge mit auswärtigen
Mächten bestimmt oder bestädtiget b). In Wahlreichen ist
das Recht der Wahl entweder in den Händen der Stände,
wie in Polen der Fall war, oder einiger unter ihnen, wie
in Teutschland, oder, wie in geistlichen Staaten und in
Rom, in den Händen der Capitel- oder des Cardinals-

Colle-
C

Verſchiedenheit der Regierungsformen.
Unabhaͤngigkeit und Unverletzlichkeit des Regenten ſind un-
zertrennliche Folgen dieſer Verfaſſung.

Iſt dieſes Recht einer moraliſchen Perſon uͤbertra-
gen, ſo iſt der Staat Republicaniſch, wenn auch die Aus-
uͤbung eines oder andern Hoheitsrechts einer phyſiſchen Perſon
anvertrauet waͤre, die als Beamter Unterthan des Staats
iſt. Democratiſch nennt man dieſe Verfaſſung, wenn alle
oder der groͤßeſte Theil der natuͤrlich regierungsfaͤhigen Mit-
glieder an dieſer Verwaltung Theil zu nehmen berechtiget
ſind und wirklich (mittelbar oder unmittelbar) Theil neh-
men, Ariſtocratiſch wenn dies ein vorzuͤgliches Recht einer
kleineren Zahl Familien iſt.

Daher iſt unter den Staaten die ein gekroͤntes Ober-
haupt haben auch Teutſchland noch eine Monarchie, daher
ſind Venedia und Genua, ungeachtet ihres Dogen, Repu-
bliken a), daher waren die einzelnen 7 Provinzen der ver-
einigten Niederlande
auch unter einem erblichen Statthal-
ter Republiken b).

a) Von Venedig ſ. le Bret Vorleſungen uͤber die Statiſtik
Th. I. S 230 u. f. uͤber Genua Loiſirs du Chevalier d’Eon
T. VI. p.
80.
b) Pestel commentarii de republica Batava. Lugd. B. 1782. 8.
§. 21.
Erbreiche oder Wahlreiche.

In Anſehung der Thronfolge ſind monarchiſche Staa-
ten entweder Erbreiche, oder Wahlreiche, oder aus beiden
gemiſcht. In den Erbreichen iſt Erbfolge-Recht und Ord-
nung a) entweder durch Herkommen, oder durch Grund-
geſetze, oder durch Familienvertraͤge oder ſelbſt, wie in Eu-
ropa mehrmahls geſchehn, durch Vertraͤge mit auswaͤrtigen
Maͤchten beſtimmt oder beſtaͤdtiget b). In Wahlreichen iſt
das Recht der Wahl entweder in den Haͤnden der Staͤnde,
wie in Polen der Fall war, oder einiger unter ihnen, wie
in Teutſchland, oder, wie in geiſtlichen Staaten und in
Rom, in den Haͤnden der Capitel- oder des Cardinals-

Colle-
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[33/0061] Verſchiedenheit der Regierungsformen. Unabhaͤngigkeit und Unverletzlichkeit des Regenten ſind un- zertrennliche Folgen dieſer Verfaſſung. Iſt dieſes Recht einer moraliſchen Perſon uͤbertra- gen, ſo iſt der Staat Republicaniſch, wenn auch die Aus- uͤbung eines oder andern Hoheitsrechts einer phyſiſchen Perſon anvertrauet waͤre, die als Beamter Unterthan des Staats iſt. Democratiſch nennt man dieſe Verfaſſung, wenn alle oder der groͤßeſte Theil der natuͤrlich regierungsfaͤhigen Mit- glieder an dieſer Verwaltung Theil zu nehmen berechtiget ſind und wirklich (mittelbar oder unmittelbar) Theil neh- men, Ariſtocratiſch wenn dies ein vorzuͤgliches Recht einer kleineren Zahl Familien iſt. Daher iſt unter den Staaten die ein gekroͤntes Ober- haupt haben auch Teutſchland noch eine Monarchie, daher ſind Venedia und Genua, ungeachtet ihres Dogen, Repu- bliken a), daher waren die einzelnen 7 Provinzen der ver- einigten Niederlande auch unter einem erblichen Statthal- ter Republiken b). a⁾ Von Venedig ſ. le Bret Vorleſungen uͤber die Statiſtik Th. I. S 230 u. f. uͤber Genua Loiſirs du Chevalier d’Eon T. VI. p. 80. b⁾ Pestel commentarii de republica Batava. Lugd. B. 1782. 8. §. 21. Erbreiche oder Wahlreiche. In Anſehung der Thronfolge ſind monarchiſche Staa- ten entweder Erbreiche, oder Wahlreiche, oder aus beiden gemiſcht. In den Erbreichen iſt Erbfolge-Recht und Ord- nung a) entweder durch Herkommen, oder durch Grund- geſetze, oder durch Familienvertraͤge oder ſelbſt, wie in Eu- ropa mehrmahls geſchehn, durch Vertraͤge mit auswaͤrtigen Maͤchten beſtimmt oder beſtaͤdtiget b). In Wahlreichen iſt das Recht der Wahl entweder in den Haͤnden der Staͤnde, wie in Polen der Fall war, oder einiger unter ihnen, wie in Teutſchland, oder, wie in geiſtlichen Staaten und in Rom, in den Haͤnden der Capitel- oder des Cardinals- Colle- C

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/61>, abgerufen am 21.11.2024.