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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Gegenseitige Rechte während des Krieges.
Fall der Represalien ausgenommen für verwerflich, andere
der Regel nach für verboten und nur dann für zulässig an-
gesehn werden, wenn entweder der Gegentheil sie zuerst
übertreten, oder die besondren dringenden Umstände eines ein-
zelnen Falles nach der Kriegsraison [raison de guerre b)]
eine Ausnahme rechtfertigen.

a) C. G. Heyne progr. de bellis internecinis eorumque caussis et euen-
tis
. Gott. 1794. fol.
b) Gründliche Nachricht vom Kriegsceremoniel und der Kriegsma-
nier 1745. 8. Strube de la raison de guerre im Anhange zu sei-
ner Ebauche des loix naturelles.
§. 266.
Wer an den Krieg Theil nehmen dürfe.

So war es längst anerkannter Grundsatz unsres Völ-
kerrechts, daß selbst nach erfolgter Kriegserklärung (nicht
allen Unterthanen ohne Unterschied freystehe auf den Feind
loszugehn a), daß in Landkriegen dies nur den von dem
Staat geworbenen Regimentern und den mit dessen Be-
willigung von Privatpersonen errichteten Freycorps, in See-
kriegen den Kriegsschiffen des Staats und den mit Mark-
briefen desselben versehenen Capern zustehe, hingegen alle
übrige Unterthanen wenn sie offensive verfahren als unrecht-
mäßige Feinde behandelt und bestraft werden sollen b).

Und obwohl nicht nur 1) die zu Vertheidigung des
Landes errichtete Nationalmiliz innerhalb der Grenzen dieser
Vertheidigung gleicher Rechte mit den stehenden Regimen-
tern geniessen muß c), auch 2) in den in neueren Zeiten
seltenen Fällen eines allgemeinen Aufgebots d) alle zur
Vertheidigung bewaffneter Bürger eines Staats, und 3)
selbst diejenigen die aus einem muthmaßlichen Auftrage die
Vertheidigung eines Orts gegen den Feind übernehmen für
rechtmäßige Feinde zu achten sind, so glaubte man doch
nicht nur allen diesen jedes offensive Verfahren untersagen,
sondern auch die in Vertheidigung des Landes ergriffenen
Bürger und Bauren härter als die übrigen Krieger behan-

deln
U

Gegenſeitige Rechte waͤhrend des Krieges.
Fall der Repreſalien ausgenommen fuͤr verwerflich, andere
der Regel nach fuͤr verboten und nur dann fuͤr zulaͤſſig an-
geſehn werden, wenn entweder der Gegentheil ſie zuerſt
uͤbertreten, oder die beſondren dringenden Umſtaͤnde eines ein-
zelnen Falles nach der Kriegsraiſon [raiſon de guerre b)]
eine Ausnahme rechtfertigen.

a) C. G. Heyne progr. de bellis internecinis eorumque cauſſis et euen-
tis
. Gott. 1794. fol.
b) Gruͤndliche Nachricht vom Kriegsceremoniel und der Kriegsma-
nier 1745. 8. Strube de la raiſon de guerre im Anhange zu ſei-
ner Ebauche des loix naturelles.
§. 266.
Wer an den Krieg Theil nehmen duͤrfe.

So war es laͤngſt anerkannter Grundſatz unſres Voͤl-
kerrechts, daß ſelbſt nach erfolgter Kriegserklaͤrung (nicht
allen Unterthanen ohne Unterſchied freyſtehe auf den Feind
loszugehn a), daß in Landkriegen dies nur den von dem
Staat geworbenen Regimentern und den mit deſſen Be-
willigung von Privatperſonen errichteten Freycorps, in See-
kriegen den Kriegsſchiffen des Staats und den mit Mark-
briefen deſſelben verſehenen Capern zuſtehe, hingegen alle
uͤbrige Unterthanen wenn ſie offenſive verfahren als unrecht-
maͤßige Feinde behandelt und beſtraft werden ſollen b).

Und obwohl nicht nur 1) die zu Vertheidigung des
Landes errichtete Nationalmiliz innerhalb der Grenzen dieſer
Vertheidigung gleicher Rechte mit den ſtehenden Regimen-
tern genieſſen muß c), auch 2) in den in neueren Zeiten
ſeltenen Faͤllen eines allgemeinen Aufgebots d) alle zur
Vertheidigung bewaffneter Buͤrger eines Staats, und 3)
ſelbſt diejenigen die aus einem muthmaßlichen Auftrage die
Vertheidigung eines Orts gegen den Feind uͤbernehmen fuͤr
rechtmaͤßige Feinde zu achten ſind, ſo glaubte man doch
nicht nur allen dieſen jedes offenſive Verfahren unterſagen,
ſondern auch die in Vertheidigung des Landes ergriffenen
Buͤrger und Bauren haͤrter als die uͤbrigen Krieger behan-

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[305/0333] Gegenſeitige Rechte waͤhrend des Krieges. Fall der Repreſalien ausgenommen fuͤr verwerflich, andere der Regel nach fuͤr verboten und nur dann fuͤr zulaͤſſig an- geſehn werden, wenn entweder der Gegentheil ſie zuerſt uͤbertreten, oder die beſondren dringenden Umſtaͤnde eines ein- zelnen Falles nach der Kriegsraiſon [raiſon de guerre b)] eine Ausnahme rechtfertigen. a⁾ C. G. Heyne progr. de bellis internecinis eorumque cauſſis et euen- tis. Gott. 1794. fol. b⁾ Gruͤndliche Nachricht vom Kriegsceremoniel und der Kriegsma- nier 1745. 8. Strube de la raiſon de guerre im Anhange zu ſei- ner Ebauche des loix naturelles. §. 266. Wer an den Krieg Theil nehmen duͤrfe. So war es laͤngſt anerkannter Grundſatz unſres Voͤl- kerrechts, daß ſelbſt nach erfolgter Kriegserklaͤrung (nicht allen Unterthanen ohne Unterſchied freyſtehe auf den Feind loszugehn a), daß in Landkriegen dies nur den von dem Staat geworbenen Regimentern und den mit deſſen Be- willigung von Privatperſonen errichteten Freycorps, in See- kriegen den Kriegsſchiffen des Staats und den mit Mark- briefen deſſelben verſehenen Capern zuſtehe, hingegen alle uͤbrige Unterthanen wenn ſie offenſive verfahren als unrecht- maͤßige Feinde behandelt und beſtraft werden ſollen b). Und obwohl nicht nur 1) die zu Vertheidigung des Landes errichtete Nationalmiliz innerhalb der Grenzen dieſer Vertheidigung gleicher Rechte mit den ſtehenden Regimen- tern genieſſen muß c), auch 2) in den in neueren Zeiten ſeltenen Faͤllen eines allgemeinen Aufgebots d) alle zur Vertheidigung bewaffneter Buͤrger eines Staats, und 3) ſelbſt diejenigen die aus einem muthmaßlichen Auftrage die Vertheidigung eines Orts gegen den Feind uͤbernehmen fuͤr rechtmaͤßige Feinde zu achten ſind, ſo glaubte man doch nicht nur allen dieſen jedes offenſive Verfahren unterſagen, ſondern auch die in Vertheidigung des Landes ergriffenen Buͤrger und Bauren haͤrter als die uͤbrigen Krieger behan- deln U

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/333>, abgerufen am 02.06.2024.