Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
Achtes Buch. Zweytes Hauptstück.
dieser für das was er für alle leidet entschädigen kann. Daher
kann seine Person arretirt, sein Gut confiscirt werden. Gesetzt
aber z. B. in Friedenszeiten wäre unser Gesandte, unser Cou-
rier u. s. f. in einem andren Staat, und sogar auf dessen Befehl
ermordet, so würde uns dieß nicht berechtigen den unschuldigen
Gesandten oder Courier dieses Staats umzubringen; wenn dieß
in Kriegszeiten wegen Verletzung der Kriegsgesetze geschehn könnte,
so ist das aus dem Nothrecht zu erklären, welches aber in Frie-
denszeiten in jenem Falle nicht vorhanden war, da es andere
Mittel unserer Genugthuung und Sicherheit gab.
§. 254.
Hauptgattung derselben, Arrest.

Eine der gewöhnlichsten Gattungen von Represalien
ist der Arrest und die Wegnahme der Person und Güter
einiger Unterthanen des verletzenden Staats, es sey derer
die sich in unserem Gebiet aufhalten, sofern hier nicht Ver-
träge im Wege stehn a), oder solcher, die außerhalb unserer
Grenzen auf offenem Meer, oder in dem Gebiet des ver-
letzenden Staats angetroffen werden.

a) S. m. Essai concernant les armateurs §. 4. p. 30. Teutsch S. 29.
§. 255.
Wer das Recht habe Represalien zu üben.

Dem strengen äußeren Völkerrecht würde es nicht
entgegen seyn, daß verletzte Unterthanen sich selbst dieses
Wegs der Selbsthülfe wider Unterthanen bedienten mit
denen sie im Naturstande fortleben. Auch war in mittle-
ren Zeiten nichts häufiger als dergleichen Privatrepresalien
einzelner Unterthanen. Da aber die Natur der Sache und
Erfahrung gelehret, wie gefährlich es für die innere und äußere
Ruhe sey den Gebrauch dieses Rechts der Willkühr der
Unterthanen zu überlassen, so ist dasselbe schon seit dem 14ten
Jahrhundert durch Gesetze und Verträge an eine besondere
Erlaubniß des Staats gebunden a); diese wird in soge-
nannten Represalien oder Markbriefen (lettres de mar-

que)
Achtes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
dieſer fuͤr das was er fuͤr alle leidet entſchaͤdigen kann. Daher
kann ſeine Perſon arretirt, ſein Gut confiscirt werden. Geſetzt
aber z. B. in Friedenszeiten waͤre unſer Geſandte, unſer Cou-
rier u. ſ. f. in einem andren Staat, und ſogar auf deſſen Befehl
ermordet, ſo wuͤrde uns dieß nicht berechtigen den unſchuldigen
Geſandten oder Courier dieſes Staats umzubringen; wenn dieß
in Kriegszeiten wegen Verletzung der Kriegsgeſetze geſchehn koͤnnte,
ſo iſt das aus dem Nothrecht zu erklaͤren, welches aber in Frie-
denszeiten in jenem Falle nicht vorhanden war, da es andere
Mittel unſerer Genugthuung und Sicherheit gab.
§. 254.
Hauptgattung derſelben, Arreſt.

Eine der gewoͤhnlichſten Gattungen von Repreſalien
iſt der Arreſt und die Wegnahme der Perſon und Guͤter
einiger Unterthanen des verletzenden Staats, es ſey derer
die ſich in unſerem Gebiet aufhalten, ſofern hier nicht Ver-
traͤge im Wege ſtehn a), oder ſolcher, die außerhalb unſerer
Grenzen auf offenem Meer, oder in dem Gebiet des ver-
letzenden Staats angetroffen werden.

a) S. m. Eſſai concernant les armateurs §. 4. p. 30. Teutſch S. 29.
§. 255.
Wer das Recht habe Repreſalien zu uͤben.

Dem ſtrengen aͤußeren Voͤlkerrecht wuͤrde es nicht
entgegen ſeyn, daß verletzte Unterthanen ſich ſelbſt dieſes
Wegs der Selbſthuͤlfe wider Unterthanen bedienten mit
denen ſie im Naturſtande fortleben. Auch war in mittle-
ren Zeiten nichts haͤufiger als dergleichen Privatrepreſalien
einzelner Unterthanen. Da aber die Natur der Sache und
Erfahrung gelehret, wie gefaͤhrlich es fuͤr die innere und aͤußere
Ruhe ſey den Gebrauch dieſes Rechts der Willkuͤhr der
Unterthanen zu uͤberlaſſen, ſo iſt daſſelbe ſchon ſeit dem 14ten
Jahrhundert durch Geſetze und Vertraͤge an eine beſondere
Erlaubniß des Staats gebunden a); dieſe wird in ſoge-
nannten Repreſalien oder Markbriefen (lettres de mar-

que)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <note place="end" n="a)"><pb facs="#f0322" n="294"/><fw place="top" type="header">Achtes Buch. Zweytes Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</fw><lb/>
die&#x017F;er fu&#x0364;r das was er fu&#x0364;r alle leidet ent&#x017F;cha&#x0364;digen kann. Daher<lb/>
kann &#x017F;eine Per&#x017F;on arretirt, &#x017F;ein Gut confiscirt werden. Ge&#x017F;etzt<lb/>
aber z. B. in Friedenszeiten wa&#x0364;re un&#x017F;er Ge&#x017F;andte, un&#x017F;er Cou-<lb/>
rier u. &#x017F;. f. in einem andren Staat, und &#x017F;ogar auf de&#x017F;&#x017F;en Befehl<lb/>
ermordet, &#x017F;o wu&#x0364;rde uns dieß nicht berechtigen den un&#x017F;chuldigen<lb/>
Ge&#x017F;andten oder Courier die&#x017F;es Staats umzubringen; wenn dieß<lb/>
in Kriegszeiten wegen Verletzung der Kriegsge&#x017F;etze ge&#x017F;chehn ko&#x0364;nnte,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t das aus dem Nothrecht zu erkla&#x0364;ren, welches aber in Frie-<lb/>
denszeiten in jenem Falle nicht vorhanden war, da es andere<lb/>
Mittel un&#x017F;erer Genugthuung und Sicherheit gab.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 254.<lb/><hi rendition="#fr">Hauptgattung der&#x017F;elben, Arre&#x017F;t</hi>.</head><lb/>
            <p>Eine der gewo&#x0364;hnlich&#x017F;ten Gattungen von Repre&#x017F;alien<lb/>
i&#x017F;t der Arre&#x017F;t und die Wegnahme der Per&#x017F;on und Gu&#x0364;ter<lb/>
einiger Unterthanen des verletzenden Staats, es &#x017F;ey derer<lb/>
die &#x017F;ich in un&#x017F;erem Gebiet aufhalten, &#x017F;ofern hier nicht Ver-<lb/>
tra&#x0364;ge im Wege &#x017F;tehn <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>), oder &#x017F;olcher, die außerhalb un&#x017F;erer<lb/>
Grenzen auf offenem Meer, oder in dem Gebiet des ver-<lb/>
letzenden Staats angetroffen werden.</p><lb/>
            <note place="end" n="a)">S. m. <hi rendition="#aq">E&#x017F;&#x017F;ai concernant les armateurs §. 4. p.</hi> 30. Teut&#x017F;ch S. 29.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 255.<lb/><hi rendition="#fr">Wer das Recht habe Repre&#x017F;alien zu u&#x0364;ben</hi>.</head><lb/>
            <p>Dem &#x017F;trengen a&#x0364;ußeren Vo&#x0364;lkerrecht wu&#x0364;rde es nicht<lb/>
entgegen &#x017F;eyn, daß verletzte Unterthanen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t die&#x017F;es<lb/>
Wegs der Selb&#x017F;thu&#x0364;lfe wider Unterthanen bedienten mit<lb/>
denen &#x017F;ie im Natur&#x017F;tande fortleben. Auch war in mittle-<lb/>
ren Zeiten nichts ha&#x0364;ufiger als dergleichen Privatrepre&#x017F;alien<lb/>
einzelner Unterthanen. Da aber die Natur der Sache und<lb/>
Erfahrung gelehret, wie gefa&#x0364;hrlich es fu&#x0364;r die innere und a&#x0364;ußere<lb/>
Ruhe &#x017F;ey den Gebrauch die&#x017F;es Rechts der Willku&#x0364;hr der<lb/>
Unterthanen zu u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o i&#x017F;t da&#x017F;&#x017F;elbe &#x017F;chon &#x017F;eit dem 14ten<lb/>
Jahrhundert durch Ge&#x017F;etze und Vertra&#x0364;ge an eine be&#x017F;ondere<lb/>
Erlaubniß des Staats gebunden <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>); die&#x017F;e wird in &#x017F;oge-<lb/>
nannten <hi rendition="#fr">Repre&#x017F;alien</hi> oder <hi rendition="#fr">Markbriefen</hi> (<hi rendition="#aq">lettres de mar-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">que</hi>)</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0322] Achtes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck. a⁾ dieſer fuͤr das was er fuͤr alle leidet entſchaͤdigen kann. Daher kann ſeine Perſon arretirt, ſein Gut confiscirt werden. Geſetzt aber z. B. in Friedenszeiten waͤre unſer Geſandte, unſer Cou- rier u. ſ. f. in einem andren Staat, und ſogar auf deſſen Befehl ermordet, ſo wuͤrde uns dieß nicht berechtigen den unſchuldigen Geſandten oder Courier dieſes Staats umzubringen; wenn dieß in Kriegszeiten wegen Verletzung der Kriegsgeſetze geſchehn koͤnnte, ſo iſt das aus dem Nothrecht zu erklaͤren, welches aber in Frie- denszeiten in jenem Falle nicht vorhanden war, da es andere Mittel unſerer Genugthuung und Sicherheit gab. §. 254. Hauptgattung derſelben, Arreſt. Eine der gewoͤhnlichſten Gattungen von Repreſalien iſt der Arreſt und die Wegnahme der Perſon und Guͤter einiger Unterthanen des verletzenden Staats, es ſey derer die ſich in unſerem Gebiet aufhalten, ſofern hier nicht Ver- traͤge im Wege ſtehn a), oder ſolcher, die außerhalb unſerer Grenzen auf offenem Meer, oder in dem Gebiet des ver- letzenden Staats angetroffen werden. a⁾ S. m. Eſſai concernant les armateurs §. 4. p. 30. Teutſch S. 29. §. 255. Wer das Recht habe Repreſalien zu uͤben. Dem ſtrengen aͤußeren Voͤlkerrecht wuͤrde es nicht entgegen ſeyn, daß verletzte Unterthanen ſich ſelbſt dieſes Wegs der Selbſthuͤlfe wider Unterthanen bedienten mit denen ſie im Naturſtande fortleben. Auch war in mittle- ren Zeiten nichts haͤufiger als dergleichen Privatrepreſalien einzelner Unterthanen. Da aber die Natur der Sache und Erfahrung gelehret, wie gefaͤhrlich es fuͤr die innere und aͤußere Ruhe ſey den Gebrauch dieſes Rechts der Willkuͤhr der Unterthanen zu uͤberlaſſen, ſo iſt daſſelbe ſchon ſeit dem 14ten Jahrhundert durch Geſetze und Vertraͤge an eine beſondere Erlaubniß des Staats gebunden a); dieſe wird in ſoge- nannten Repreſalien oder Markbriefen (lettres de mar- que)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/322
Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/322>, abgerufen am 03.12.2024.