Julius II. 1504 entworfene Rangordnung verdient vor an- dern gemerkt zu werden b).
Wie jedoch die Mächte deren Rang auf Concilien ihrer Behauptung nach zu niedrig bestimmt worden, davon nie einen Schluß auf Fälle außerhalb der Concillen haben gelten lassen, und keine Macht dem Pabst mehr ein Ent- scheidungsrecht beylegt, so wird jetzt nicht nur überhaupt selten auf eine päbstliche Entscheidung provocirt sondern unter Mächten gleicher Würde von allen ehemahls hervor- gesuchen Gründen jetzt fast blos der Besitz, und nur in einigen Fällen gegen die Staaten welche später zu ihrer jetzigen Würde gelangt c) sind, das Alter der Würde zum Grund des behaupteten Ranges gelegt. Da jedoch dieser letztere Grund selten gebraucht werden kann, und von dem Gegentheil nicht anerkannt wird, der Besitzstand aber sel- ten völlig unbestritten ist, so giebt es eine zahllose Menge unentschiedener Präeedenzstreitigkeiten. Doch sind einige Fälle durch Verträge entschieden, andere durch ein unbe- strittenes Herkommen gegen alle, oder gegen viele Staaten festgesetzt.
a) Ueber die Unzulänglichkeit aller dieser Gründe s. Günther a. a. O. S. 203--214. auch Mosers Beyträge Th. I. S. 45.
b) Sie steht in Günthers V. Recht a. a. O. S. 218. u. f.
c) Z. B. Preußen, Sardinien siehe Merc. hist. et pol. 1763. T. I. p. 145.
§. 129. Rang des Pabsts und des Kaisers.
Alle catholische Mächte und selbst der römische Kaiser a) räumen I) dem Pabsts als Statthalter Christi und Nach- folger Petri den Rang über sich ohne Widerrede ein. Da aber Rußland und die protestantischen Mächte in ihm nur den Bischof von Rom und den weltlichen Oberherrn eines mittelmäßigen Staats in Italien sehn, so fordern alle die- jenigen unter ihnen welche Königliche Ehrenbezeugungen ge- nießen den Rang über ihn. II) Der römische Kaiser ist
in
Viertes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
Julius II. 1504 entworfene Rangordnung verdient vor an- dern gemerkt zu werden b).
Wie jedoch die Maͤchte deren Rang auf Concilien ihrer Behauptung nach zu niedrig beſtimmt worden, davon nie einen Schluß auf Faͤlle außerhalb der Concillen haben gelten laſſen, und keine Macht dem Pabſt mehr ein Ent- ſcheidungsrecht beylegt, ſo wird jetzt nicht nur uͤberhaupt ſelten auf eine paͤbſtliche Entſcheidung provocirt ſondern unter Maͤchten gleicher Wuͤrde von allen ehemahls hervor- geſuchen Gruͤnden jetzt faſt blos der Beſitz, und nur in einigen Faͤllen gegen die Staaten welche ſpaͤter zu ihrer jetzigen Wuͤrde gelangt c) ſind, das Alter der Wuͤrde zum Grund des behaupteten Ranges gelegt. Da jedoch dieſer letztere Grund ſelten gebraucht werden kann, und von dem Gegentheil nicht anerkannt wird, der Beſitzſtand aber ſel- ten voͤllig unbeſtritten iſt, ſo giebt es eine zahlloſe Menge unentſchiedener Praͤeedenzſtreitigkeiten. Doch ſind einige Faͤlle durch Vertraͤge entſchieden, andere durch ein unbe- ſtrittenes Herkommen gegen alle, oder gegen viele Staaten feſtgeſetzt.
a) Ueber die Unzulaͤnglichkeit aller dieſer Gruͤnde ſ. Guͤnther a. a. O. S. 203—214. auch Moſers Beytraͤge Th. I. S. 45.
b) Sie ſteht in Guͤnthers V. Recht a. a. O. S. 218. u. f.
c) Z. B. Preußen, Sardinien ſiehe Merc. hiſt. et pol. 1763. T. I. p. 145.
§. 129. Rang des Pabſts und des Kaiſers.
Alle catholiſche Maͤchte und ſelbſt der roͤmiſche Kaiſer a) raͤumen I) dem Pabſts als Statthalter Chriſti und Nach- folger Petri den Rang uͤber ſich ohne Widerrede ein. Da aber Rußland und die proteſtantiſchen Maͤchte in ihm nur den Biſchof von Rom und den weltlichen Oberherrn eines mittelmaͤßigen Staats in Italien ſehn, ſo fordern alle die- jenigen unter ihnen welche Koͤnigliche Ehrenbezeugungen ge- nießen den Rang uͤber ihn. II) Der roͤmiſche Kaiſer iſt
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Viertes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
Julius II. 1504 entworfene Rangordnung verdient vor an-
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Wie jedoch die Maͤchte deren Rang auf Concilien
ihrer Behauptung nach zu niedrig beſtimmt worden, davon
nie einen Schluß auf Faͤlle außerhalb der Concillen haben
gelten laſſen, und keine Macht dem Pabſt mehr ein Ent-
ſcheidungsrecht beylegt, ſo wird jetzt nicht nur uͤberhaupt
ſelten auf eine paͤbſtliche Entſcheidung provocirt ſondern
unter Maͤchten gleicher Wuͤrde von allen ehemahls hervor-
geſuchen Gruͤnden jetzt faſt blos der Beſitz, und nur in
einigen Faͤllen gegen die Staaten welche ſpaͤter zu ihrer
jetzigen Wuͤrde gelangt c) ſind, das Alter der Wuͤrde zum
Grund des behaupteten Ranges gelegt. Da jedoch dieſer
letztere Grund ſelten gebraucht werden kann, und von dem
Gegentheil nicht anerkannt wird, der Beſitzſtand aber ſel-
ten voͤllig unbeſtritten iſt, ſo giebt es eine zahlloſe Menge
unentſchiedener Praͤeedenzſtreitigkeiten. Doch ſind einige
Faͤlle durch Vertraͤge entſchieden, andere durch ein unbe-
ſtrittenes Herkommen gegen alle, oder gegen viele Staaten
feſtgeſetzt.
a⁾ Ueber die Unzulaͤnglichkeit aller dieſer Gruͤnde ſ. Guͤnther
a. a. O. S. 203—214. auch Moſers Beytraͤge Th. I. S. 45.
b⁾ Sie ſteht in Guͤnthers V. Recht a. a. O. S. 218. u. f.
c⁾ Z. B. Preußen, Sardinien ſiehe Merc. hiſt. et pol. 1763. T.
I. p. 145.
§. 129.
Rang des Pabſts und des Kaiſers.
Alle catholiſche Maͤchte und ſelbſt der roͤmiſche Kaiſer a)
raͤumen I) dem Pabſts als Statthalter Chriſti und Nach-
folger Petri den Rang uͤber ſich ohne Widerrede ein. Da
aber Rußland und die proteſtantiſchen Maͤchte in ihm nur
den Biſchof von Rom und den weltlichen Oberherrn eines
mittelmaͤßigen Staats in Italien ſehn, ſo fordern alle die-
jenigen unter ihnen welche Koͤnigliche Ehrenbezeugungen ge-
nießen den Rang uͤber ihn. II) Der roͤmiſche Kaiſer iſt
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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/184>, abgerufen am 22.07.2024.
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