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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Vorbericht.
du droit des gens art. 11. festgesetzt würde: la pos-
session immemoriale etablit le droit de prescription
entre les peuples,
denn wenn hier immemoriale
jeder Besitz heißen soll der über der lebenden Men-
schen-Gedenken sich erstreckt, so würden ihm eben
die Bedenklichkeiten entgegenstehn, die sich der Ein-
führung einer Verjährung von 50, 60, 70 u. f.
Jahren entgegenstellen, und dieser Satz der, so ver-
standen, kein Grundsatz des natürlichen Rechts ist,
würde nie zum Satz des positiven gemacht werden;
soll aber immemoriale völlig unvordenklich heißen,
so ist das nicht mehr Verjährung, sondern favor
possessionis,
und das hat noch kein vernünftiger
Mensch geläugnet, bedarf also keiner declaration des
droits,
daß wenn nicht erhellet, daß je vor mir ein
anderer besessen habe, keiner da seyn könne der mich
aus meinem Besitz verdrängen darf, weil keiner ein
besseres Recht als das meinige darzuthun vermag.

Endlich giebt es Sätze die kaum vorsichtig
genug gefaßt werden können, um nicht freyen Mäch-
ten, die ihre Verträge selbst ausdeuten, Veranlas-
sung zu geben, sie wider die Rechte anderer Völker
zu mißbrauchen; und so dadurch mehr Uebel als
Gutes zu stiften. Davon giebt die oftgenannte
declaration ein paar recht auffallende Beyspiele. Im
art. 6. heißt es: chaque peuple a droit d'organiser
et de changer les formes de son gouvernement,

im 7ten un peuple n'a pas le droit de s'immiscer
dans le gouvernement des autres;
aber im art. 8.
il n'y a de gouvernement conforme aux droits des
peuples que ceux qui sont fondes sur l'egalite et

la

Vorbericht.
du droit des gens art. 11. feſtgeſetzt wuͤrde: la poſ-
ſeſſion immémoriale établit le droit de préſcription
entre les peuples,
denn wenn hier immémoriale
jeder Beſitz heißen ſoll der uͤber der lebenden Men-
ſchen-Gedenken ſich erſtreckt, ſo wuͤrden ihm eben
die Bedenklichkeiten entgegenſtehn, die ſich der Ein-
fuͤhrung einer Verjaͤhrung von 50, 60, 70 u. f.
Jahren entgegenſtellen, und dieſer Satz der, ſo ver-
ſtanden, kein Grundſatz des natuͤrlichen Rechts iſt,
wuͤrde nie zum Satz des poſitiven gemacht werden;
ſoll aber immémoriale voͤllig unvordenklich heißen,
ſo iſt das nicht mehr Verjaͤhrung, ſondern favor
poſſeſſionis,
und das hat noch kein vernuͤnftiger
Menſch gelaͤugnet, bedarf alſo keiner déclaration des
droits,
daß wenn nicht erhellet, daß je vor mir ein
anderer beſeſſen habe, keiner da ſeyn koͤnne der mich
aus meinem Beſitz verdraͤngen darf, weil keiner ein
beſſeres Recht als das meinige darzuthun vermag.

Endlich giebt es Saͤtze die kaum vorſichtig
genug gefaßt werden koͤnnen, um nicht freyen Maͤch-
ten, die ihre Vertraͤge ſelbſt ausdeuten, Veranlaſ-
ſung zu geben, ſie wider die Rechte anderer Voͤlker
zu mißbrauchen; und ſo dadurch mehr Uebel als
Gutes zu ſtiften. Davon giebt die oftgenannte
déclaration ein paar recht auffallende Beyſpiele. Im
art. 6. heißt es: chaque peuple a droit d’organiſer
et de changer les formes de ſon gouvernement,

im 7ten un peuple n’a pas le droit de ſ’immiſcer
dans le gouvernement des autres;
aber im art. 8.
il n’y a de gouvernement conforme aux droits des
peuples que ceux qui ſont fondés ſur l’égalité et

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[XIV/0018] Vorbericht. du droit des gens art. 11. feſtgeſetzt wuͤrde: la poſ- ſeſſion immémoriale établit le droit de préſcription entre les peuples, denn wenn hier immémoriale jeder Beſitz heißen ſoll der uͤber der lebenden Men- ſchen-Gedenken ſich erſtreckt, ſo wuͤrden ihm eben die Bedenklichkeiten entgegenſtehn, die ſich der Ein- fuͤhrung einer Verjaͤhrung von 50, 60, 70 u. f. Jahren entgegenſtellen, und dieſer Satz der, ſo ver- ſtanden, kein Grundſatz des natuͤrlichen Rechts iſt, wuͤrde nie zum Satz des poſitiven gemacht werden; ſoll aber immémoriale voͤllig unvordenklich heißen, ſo iſt das nicht mehr Verjaͤhrung, ſondern favor poſſeſſionis, und das hat noch kein vernuͤnftiger Menſch gelaͤugnet, bedarf alſo keiner déclaration des droits, daß wenn nicht erhellet, daß je vor mir ein anderer beſeſſen habe, keiner da ſeyn koͤnne der mich aus meinem Beſitz verdraͤngen darf, weil keiner ein beſſeres Recht als das meinige darzuthun vermag. Endlich giebt es Saͤtze die kaum vorſichtig genug gefaßt werden koͤnnen, um nicht freyen Maͤch- ten, die ihre Vertraͤge ſelbſt ausdeuten, Veranlaſ- ſung zu geben, ſie wider die Rechte anderer Voͤlker zu mißbrauchen; und ſo dadurch mehr Uebel als Gutes zu ſtiften. Davon giebt die oftgenannte déclaration ein paar recht auffallende Beyſpiele. Im art. 6. heißt es: chaque peuple a droit d’organiſer et de changer les formes de ſon gouvernement, im 7ten un peuple n’a pas le droit de ſ’immiſcer dans le gouvernement des autres; aber im art. 8. il n’y a de gouvernement conforme aux droits des peuples que ceux qui ſont fondés ſur l’égalité et la

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. XIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/18>, abgerufen am 23.11.2024.