zu finden. Aber wann entstanden wohl bedeutende Händel der Art, wo nicht ganz andere Staats- Ursachen zum Grunde lagen; und wo diese künftig vorhanden seyn werden, würde da auch trotz jener Beschränkung nicht Veranlassung genug übrig seyn, um die wahren Triebfedern der Handlungen durch Schein-Vorwand zu bedecken. Wenn vielleicht kleineren Staaten, die den Neckereyen großer Ge- sandten mehr als die größeren ausgesetzt sind, durch Beschränkung der Gesandschaftlichen Vorrechte einiger Vortheil zuwüchse, so würde dieß für die Wohlfart der Völker überhaupt warlich nicht viel seyn.
Sobald man aber in Puncte hinein geht, deren Festsetzung für das Wohl der Völker wichtiger ist, so zeigt sich, daß in Ansehung mancher derselben das Interesse der Völker sich so durchkreuze, daß schon aus diesem Grunde schwerlich an eine allge- meine Vereinbarung zu gedenken sey, und der Satz den Gregoire art. 5 vorträgt que l'interet particulier d'un peuple est subordonne a l'interet general de la famille humaine möchte wohl, wie schön er auch klingt, weder ohne Einschränkung als natürlich wahr angesehn werden können, noch auch von irgend einem Volk so überzeugend gefühlt werden, daß es sich entschlösse seinen eigenen Nachtheil zu unterzeichnen.
So möchte zum Beyspiel es eine sehr wichtige und wünschenswürdige Sache seyn, daß alle Mächte sich vereinigten in Seekriegen den verderblichen Ca- pereyen ein Ende zu machen; läßt sich aber erwarten, daß alle Seemächte hierüber je gleichförmig denken werden, und könnte, da diese Capereyen dem stren-
gen
Vorbericht.
zu finden. Aber wann entſtanden wohl bedeutende Haͤndel der Art, wo nicht ganz andere Staats- Urſachen zum Grunde lagen; und wo dieſe kuͤnftig vorhanden ſeyn werden, wuͤrde da auch trotz jener Beſchraͤnkung nicht Veranlaſſung genug uͤbrig ſeyn, um die wahren Triebfedern der Handlungen durch Schein-Vorwand zu bedecken. Wenn vielleicht kleineren Staaten, die den Neckereyen großer Ge- ſandten mehr als die groͤßeren ausgeſetzt ſind, durch Beſchraͤnkung der Geſandſchaftlichen Vorrechte einiger Vortheil zuwuͤchſe, ſo wuͤrde dieß fuͤr die Wohlfart der Voͤlker uͤberhaupt warlich nicht viel ſeyn.
Sobald man aber in Puncte hinein geht, deren Feſtſetzung fuͤr das Wohl der Voͤlker wichtiger iſt, ſo zeigt ſich, daß in Anſehung mancher derſelben das Intereſſe der Voͤlker ſich ſo durchkreuze, daß ſchon aus dieſem Grunde ſchwerlich an eine allge- meine Vereinbarung zu gedenken ſey, und der Satz den Gregoire art. 5 vortraͤgt que l’intérêt particulier d’un peuple eſt ſubordonné à l’intérêt général de la famille humaine moͤchte wohl, wie ſchoͤn er auch klingt, weder ohne Einſchraͤnkung als natuͤrlich wahr angeſehn werden koͤnnen, noch auch von irgend einem Volk ſo uͤberzeugend gefuͤhlt werden, daß es ſich entſchloͤſſe ſeinen eigenen Nachtheil zu unterzeichnen.
So moͤchte zum Beyſpiel es eine ſehr wichtige und wuͤnſchenswuͤrdige Sache ſeyn, daß alle Maͤchte ſich vereinigten in Seekriegen den verderblichen Ca- pereyen ein Ende zu machen; laͤßt ſich aber erwarten, daß alle Seemaͤchte hieruͤber je gleichfoͤrmig denken werden, und koͤnnte, da dieſe Capereyen dem ſtren-
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[XII/0016]
Vorbericht.
zu finden. Aber wann entſtanden wohl bedeutende
Haͤndel der Art, wo nicht ganz andere Staats-
Urſachen zum Grunde lagen; und wo dieſe kuͤnftig
vorhanden ſeyn werden, wuͤrde da auch trotz jener
Beſchraͤnkung nicht Veranlaſſung genug uͤbrig ſeyn,
um die wahren Triebfedern der Handlungen durch
Schein-Vorwand zu bedecken. Wenn vielleicht
kleineren Staaten, die den Neckereyen großer Ge-
ſandten mehr als die groͤßeren ausgeſetzt ſind, durch
Beſchraͤnkung der Geſandſchaftlichen Vorrechte einiger
Vortheil zuwuͤchſe, ſo wuͤrde dieß fuͤr die Wohlfart
der Voͤlker uͤberhaupt warlich nicht viel ſeyn.
Sobald man aber in Puncte hinein geht, deren
Feſtſetzung fuͤr das Wohl der Voͤlker wichtiger iſt,
ſo zeigt ſich, daß in Anſehung mancher derſelben
das Intereſſe der Voͤlker ſich ſo durchkreuze, daß
ſchon aus dieſem Grunde ſchwerlich an eine allge-
meine Vereinbarung zu gedenken ſey, und der Satz
den Gregoire art. 5 vortraͤgt que l’intérêt particulier
d’un peuple eſt ſubordonné à l’intérêt général de
la famille humaine moͤchte wohl, wie ſchoͤn er auch
klingt, weder ohne Einſchraͤnkung als natuͤrlich wahr
angeſehn werden koͤnnen, noch auch von irgend einem
Volk ſo uͤberzeugend gefuͤhlt werden, daß es ſich
entſchloͤſſe ſeinen eigenen Nachtheil zu unterzeichnen.
So moͤchte zum Beyſpiel es eine ſehr wichtige
und wuͤnſchenswuͤrdige Sache ſeyn, daß alle Maͤchte
ſich vereinigten in Seekriegen den verderblichen Ca-
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daß alle Seemaͤchte hieruͤber je gleichfoͤrmig denken
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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/16>, abgerufen am 16.07.2024.
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