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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Rechte d. Völker in Ans. d. einzelnen Hoheitsrechte.
nachdem sie in einem andren Staat etwas verbrochen, in
den unsrigen geflohen sind, können von uns ergriffen und
gestraft werden a); in keinem von beiden Fällen ist der
Staat vollkommen schuldig, auch auf erfolgres Nachsuchen,
den Verbrecher an die Obrigkeit seines Wohnorts, oder
des Orts des begangenen Verbrechens zurückzuschicken b),
selbst wenn in dem letzteren Falle auch schon die Untersu-
chung wider ihn dort angefangen, oder das Urtheil gespro-
chen worden wäre.

Die Praxis ist auch in Ansehung solcher Auslieferun-
gen der Verbrecher nichts weniger als gleichförmig. Es
giebt einige Staaten, wie insonderheit Frankreich, Groß-
britannten, Rußland
, welche der Regel nach in keinem
Falle in die Auslieferung willigen. Andere, wohin außer
vielen kleinen Staaten, die Schweiz c) gehöret, die in
beiden Fällen mit der Auslieferung sehr willfährig sind.

Im allgemeinen aber wird die Auslieferung von dem
Staat wo der Verbrecher blos ergriffen worden, an den
Staat in, oder wider den, das Verbrechen begangen wor-
den d), auf erfolgte Requisition und erbotene Erwiderung
viel leichter gestattet, als die von der Obrigkeit des Orts
wo das Verbrechen begangen worden, an den Ort der Ge-
burt oder Wohnung des Verbrechers, welches letztere nur
Kraft der Verträge, oder einer außerordentlichen Deferenz
kleiner Staaten gegen mächtigere zu geschehn pflegt e).
Auch die teutschen Reichsstände unter einander sind nicht
allgemein f) zu solchen Auslieserungen verbunden, und ver-
willigen sie daher nur Kraft besonderer Verträge, oder aus
gegenseitigen guten Willen g).

a) G. L. Böhmer de delictis extra territorium admissis Elect. T. III.
ex.
20. was in diesem Falle für Strafen statt haben s. Meister
vollständige Einleitung zur peinlichen Rechtsgelehrsamkeit

Th. III. S. I. c. 10. §. 14.
b) C. T. Gutjahr de exhibitione delinquentium secundum principia iu-
ris publici vniuersalis, gentium, Romani atque Saxonici
. Lips.
1795 4.
c) Vattel droit des Gens L. II. c. 6. §. 76.

d) S.

Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
nachdem ſie in einem andren Staat etwas verbrochen, in
den unſrigen geflohen ſind, koͤnnen von uns ergriffen und
geſtraft werden a); in keinem von beiden Faͤllen iſt der
Staat vollkommen ſchuldig, auch auf erfolgres Nachſuchen,
den Verbrecher an die Obrigkeit ſeines Wohnorts, oder
des Orts des begangenen Verbrechens zuruͤckzuſchicken b),
ſelbſt wenn in dem letzteren Falle auch ſchon die Unterſu-
chung wider ihn dort angefangen, oder das Urtheil geſpro-
chen worden waͤre.

Die Praxis iſt auch in Anſehung ſolcher Auslieferun-
gen der Verbrecher nichts weniger als gleichfoͤrmig. Es
giebt einige Staaten, wie inſonderheit Frankreich, Groß-
britannten, Rußland
, welche der Regel nach in keinem
Falle in die Auslieferung willigen. Andere, wohin außer
vielen kleinen Staaten, die Schweiz c) gehoͤret, die in
beiden Faͤllen mit der Auslieferung ſehr willfaͤhrig ſind.

Im allgemeinen aber wird die Auslieferung von dem
Staat wo der Verbrecher blos ergriffen worden, an den
Staat in, oder wider den, das Verbrechen begangen wor-
den d), auf erfolgte Requiſition und erbotene Erwiderung
viel leichter geſtattet, als die von der Obrigkeit des Orts
wo das Verbrechen begangen worden, an den Ort der Ge-
burt oder Wohnung des Verbrechers, welches letztere nur
Kraft der Vertraͤge, oder einer außerordentlichen Deferenz
kleiner Staaten gegen maͤchtigere zu geſchehn pflegt e).
Auch die teutſchen Reichsſtaͤnde unter einander ſind nicht
allgemein f) zu ſolchen Auslieſerungen verbunden, und ver-
willigen ſie daher nur Kraft beſonderer Vertraͤge, oder aus
gegenſeitigen guten Willen g).

a) G. L. Böhmer de delictis extra territorium admiſſis Elect. T. III.
ex.
20. was in dieſem Falle fuͤr Strafen ſtatt haben ſ. Meiſter
vollſtaͤndige Einleitung zur peinlichen Rechtsgelehrſamkeit

Th. III. S. I. c. 10. §. 14.
b) C. T. Gutjahr de exhibitione delinquentium ſecundum principia iu-
ris publici vniuerſalis, gentium, Romani atque Saxonici
. Lipſ.
1795 4.
c) Vattel droit des Gens L. II. c. 6. §. 76.

d) S.
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[123/0151] Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte. nachdem ſie in einem andren Staat etwas verbrochen, in den unſrigen geflohen ſind, koͤnnen von uns ergriffen und geſtraft werden a); in keinem von beiden Faͤllen iſt der Staat vollkommen ſchuldig, auch auf erfolgres Nachſuchen, den Verbrecher an die Obrigkeit ſeines Wohnorts, oder des Orts des begangenen Verbrechens zuruͤckzuſchicken b), ſelbſt wenn in dem letzteren Falle auch ſchon die Unterſu- chung wider ihn dort angefangen, oder das Urtheil geſpro- chen worden waͤre. Die Praxis iſt auch in Anſehung ſolcher Auslieferun- gen der Verbrecher nichts weniger als gleichfoͤrmig. Es giebt einige Staaten, wie inſonderheit Frankreich, Groß- britannten, Rußland, welche der Regel nach in keinem Falle in die Auslieferung willigen. Andere, wohin außer vielen kleinen Staaten, die Schweiz c) gehoͤret, die in beiden Faͤllen mit der Auslieferung ſehr willfaͤhrig ſind. Im allgemeinen aber wird die Auslieferung von dem Staat wo der Verbrecher blos ergriffen worden, an den Staat in, oder wider den, das Verbrechen begangen wor- den d), auf erfolgte Requiſition und erbotene Erwiderung viel leichter geſtattet, als die von der Obrigkeit des Orts wo das Verbrechen begangen worden, an den Ort der Ge- burt oder Wohnung des Verbrechers, welches letztere nur Kraft der Vertraͤge, oder einer außerordentlichen Deferenz kleiner Staaten gegen maͤchtigere zu geſchehn pflegt e). Auch die teutſchen Reichsſtaͤnde unter einander ſind nicht allgemein f) zu ſolchen Auslieſerungen verbunden, und ver- willigen ſie daher nur Kraft beſonderer Vertraͤge, oder aus gegenſeitigen guten Willen g). a⁾ G. L. Böhmer de delictis extra territorium admiſſis Elect. T. III. ex. 20. was in dieſem Falle fuͤr Strafen ſtatt haben ſ. Meiſter vollſtaͤndige Einleitung zur peinlichen Rechtsgelehrſamkeit Th. III. S. I. c. 10. §. 14. b⁾ C. T. Gutjahr de exhibitione delinquentium ſecundum principia iu- ris publici vniuerſalis, gentium, Romani atque Saxonici. Lipſ. 1795 4. c⁾ Vattel droit des Gens L. II. c. 6. §. 76. d) S.

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/151>, abgerufen am 03.12.2024.