Es ist ferner leeres Wortgepränge, wenn in einer solchen declaration des droits Sätze der Völ- kermoral aufgestellet werden, die selten verkannt aber noch seltner befolget worden, und denen es in der Zukunft nicht besser ergehn würde, wenn auch alle Völker diese Artikel unterschrieben hätten, falls diese nicht zugleich einen Grad der Aufklärung und mora- lischen Vervollkommnung erreicheten, bey welchen die mehresten Verträge als überflüßig wegfallen würden; dahin gehört z. B. der Satz: art. 3. un peuple doit agir a l'egard des autres comme il desire qu'on agisse a son egard; art. 4. les peuples doivent en paix se faire le plus de bien, et en guerre le moins de mal possible.
Soll eine solche declaration du droit des gens ihres Zwecks nicht verfehlen, so muß sie theils auf die Abschaffung widerrechtlicher, oder doch unzweck- mäßiger Gebräuche, theils auf die Festsetzung strei- tiger Grundsätze des allgemeinen Völkerrechts, theils auf die Einführung neuer, der Wohlfart der Völker nützlicher, Bestimmungen gerichtet seyn. Zu dem allen fehlt es zwar nicht an Stoff, aber eine fast unübersteigliche Kluft trennt den Gedanken von der Ausführung, und nicht selten die Studirstube vom Cabinet.
Wenn man sich aller der lächerlichen, zum Theil selbst blutigen Auftritte erinnert, zu denen die Prä- cedenzstreitigkeiten der Gesandten Anlaß gegeben haben, so möchte man es für einen großen Gewinn achten, wenn festgesetzt würde, wie art. 20 vorge- schlagen wird: il n'y a pas de preseance entre les agens publics des Nations; und daß dieser Satz
dem
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Vorbericht.
Es iſt ferner leeres Wortgepraͤnge, wenn in einer ſolchen declaration des droits Saͤtze der Voͤl- kermoral aufgeſtellet werden, die ſelten verkannt aber noch ſeltner befolget worden, und denen es in der Zukunft nicht beſſer ergehn wuͤrde, wenn auch alle Voͤlker dieſe Artikel unterſchrieben haͤtten, falls dieſe nicht zugleich einen Grad der Aufklaͤrung und mora- liſchen Vervollkommnung erreicheten, bey welchen die mehreſten Vertraͤge als uͤberfluͤßig wegfallen wuͤrden; dahin gehoͤrt z. B. der Satz: art. 3. un peuple doit agir à l’égard des autres comme il deſire qu’on agiſſe à ſon égard; art. 4. les peuples doivent en paix ſe faire le plus de bien, et en guerre le moins de mal poſſible.
Soll eine ſolche declaration du droit des gens ihres Zwecks nicht verfehlen, ſo muß ſie theils auf die Abſchaffung widerrechtlicher, oder doch unzweck- maͤßiger Gebraͤuche, theils auf die Feſtſetzung ſtrei- tiger Grundſaͤtze des allgemeinen Voͤlkerrechts, theils auf die Einfuͤhrung neuer, der Wohlfart der Voͤlker nuͤtzlicher, Beſtimmungen gerichtet ſeyn. Zu dem allen fehlt es zwar nicht an Stoff, aber eine faſt unuͤberſteigliche Kluft trennt den Gedanken von der Ausfuͤhrung, und nicht ſelten die Studirſtube vom Cabinet.
Wenn man ſich aller der laͤcherlichen, zum Theil ſelbſt blutigen Auftritte erinnert, zu denen die Praͤ- cedenzſtreitigkeiten der Geſandten Anlaß gegeben haben, ſo moͤchte man es fuͤr einen großen Gewinn achten, wenn feſtgeſetzt wuͤrde, wie art. 20 vorge- ſchlagen wird: il n’y a pas de préſéance entre les agens publics des Nations; und daß dieſer Satz
dem
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[IX/0013]
Vorbericht.
Es iſt ferner leeres Wortgepraͤnge, wenn in
einer ſolchen declaration des droits Saͤtze der Voͤl-
kermoral aufgeſtellet werden, die ſelten verkannt aber
noch ſeltner befolget worden, und denen es in der
Zukunft nicht beſſer ergehn wuͤrde, wenn auch alle
Voͤlker dieſe Artikel unterſchrieben haͤtten, falls dieſe
nicht zugleich einen Grad der Aufklaͤrung und mora-
liſchen Vervollkommnung erreicheten, bey welchen die
mehreſten Vertraͤge als uͤberfluͤßig wegfallen wuͤrden;
dahin gehoͤrt z. B. der Satz: art. 3. un peuple doit
agir à l’égard des autres comme il deſire qu’on
agiſſe à ſon égard; art. 4. les peuples doivent en
paix ſe faire le plus de bien, et en guerre le moins
de mal poſſible.
Soll eine ſolche declaration du droit des gens
ihres Zwecks nicht verfehlen, ſo muß ſie theils auf
die Abſchaffung widerrechtlicher, oder doch unzweck-
maͤßiger Gebraͤuche, theils auf die Feſtſetzung ſtrei-
tiger Grundſaͤtze des allgemeinen Voͤlkerrechts, theils
auf die Einfuͤhrung neuer, der Wohlfart der Voͤlker
nuͤtzlicher, Beſtimmungen gerichtet ſeyn. Zu dem
allen fehlt es zwar nicht an Stoff, aber eine faſt
unuͤberſteigliche Kluft trennt den Gedanken von der
Ausfuͤhrung, und nicht ſelten die Studirſtube vom
Cabinet.
Wenn man ſich aller der laͤcherlichen, zum Theil
ſelbſt blutigen Auftritte erinnert, zu denen die Praͤ-
cedenzſtreitigkeiten der Geſandten Anlaß gegeben
haben, ſo moͤchte man es fuͤr einen großen Gewinn
achten, wenn feſtgeſetzt wuͤrde, wie art. 20 vorge-
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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/13>, abgerufen am 23.11.2024.
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