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Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

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über die Kirnberg. Grundsätze der Harmonie etc.
geschicht. Die Betrachtung darüber aus diesem oder jenen
Gesichtspunkt verändert nicht die Natur der Quarte.

§. 323.

Seite 14. §. 11. "Bey dem dissonirenden Quartsex-
"tenaccord kann allemal die Quinte statt der Sexte, und die
"Terz statt der Quarte*) angeschlagen werden; bey dem con-
"sonirenden findet dieses nicht statt. Hier ist, z. E. wie bey
"Fig. 111. bey dem Quartsextenaccord des ersten Tacts statt
"der Sexte keine Quinte anzuschlagen möglich; daher ist er
"consonirend, und hat die Unterquinte vom Baßton mit dem
"Dreyklang zum Grundaccord. Diese consonirende Quarte
"kann, weil sie die Octave des Grundtons ist, wie alle übrige
"Jntervalle frey eintreten, auch verdoppelt werden; sie kann
"als die Auflösung einer vorhergehenden Dissonanz vorkom-
"men, wie bey Fig. 112. Sie kann, da sie eine Consonanz
"ist, sowohl auf einem guten als schlechten Tacttheile ange-
"bracht werden, und ohne Zwang auf- oder abwärts in an-
"dere Töne fortschreiten. Hingegen ist in dem Exempel bey
"Fig. 111. der Quartsextenaccord des zweyten Tacts dissoni-
"rend, weil statt der Sexte die Quinte angeschlagen werden
"kann, deren Vorhalt jene ist, und worinn sie resolviren muß;
"die Quarte steht hier statt der Terz, und muß in dieselbe re-
"solviren. Der Baßton dieses dissonirenden Quartsextenac-
"cords ist der wahre Grundton mit dem Dreyklang. Da bey
"diesem Aecorde sowohl die Quarte als Sexte zufällige Disso-
"nanzen sind, so können sie weder frey eintreten, noch verdop-
"pelt werden, noch anders als auf einem guten Taettheil vor-
"kommen, sondern sind mit allen andern zufälligen Dissonan-
"zen denselben Regeln unterworfen."

Anmerkungen. 1) So wie der Quartsextenaccord,
wenn es die Melodie erlaubet, für den Quartquintenaccord
gebrauchet werden kann, so kann dieser wiederum für jenen
gebrauchet werden; doch ist dieser gegenseitige Gebrauch nur
auf gewisse Fälle eingeschränkt. Z. E. da der Quartquin-
tenaccord nur in Thesi,
nicht aber in Arsi gebrauchet wer-
den kann: so folget, daß der Quartsextenaccord auch nirgends

als
*) Die Terz statt der Quarte? Da wird ja der Quartsextenaccord in
einen Dreyklang verwandelt. Wie ist das zu verstehen?
T 5

uͤber die Kirnberg. Grundſaͤtze der Harmonie ꝛc.
geſchicht. Die Betrachtung daruͤber aus dieſem oder jenen
Geſichtspunkt veraͤndert nicht die Natur der Quarte.

§. 323.

Seite 14. §. 11. „Bey dem diſſonirenden Quartſex-
„tenaccord kann allemal die Quinte ſtatt der Sexte, und die
„Terz ſtatt der Quarte*) angeſchlagen werden; bey dem con-
„ſonirenden findet dieſes nicht ſtatt. Hier iſt, z. E. wie bey
„Fig. 111. bey dem Quartſextenaccord des erſten Tacts ſtatt
„der Sexte keine Quinte anzuſchlagen moͤglich; daher iſt er
„conſonirend, und hat die Unterquinte vom Baßton mit dem
„Dreyklang zum Grundaccord. Dieſe conſonirende Quarte
„kann, weil ſie die Octave des Grundtons iſt, wie alle uͤbrige
„Jntervalle frey eintreten, auch verdoppelt werden; ſie kann
„als die Aufloͤſung einer vorhergehenden Diſſonanz vorkom-
„men, wie bey Fig. 112. Sie kann, da ſie eine Conſonanz
„iſt, ſowohl auf einem guten als ſchlechten Tacttheile ange-
„bracht werden, und ohne Zwang auf- oder abwaͤrts in an-
„dere Toͤne fortſchreiten. Hingegen iſt in dem Exempel bey
„Fig. 111. der Quartſextenaccord des zweyten Tacts diſſoni-
„rend, weil ſtatt der Sexte die Quinte angeſchlagen werden
„kann, deren Vorhalt jene iſt, und worinn ſie reſolviren muß;
„die Quarte ſteht hier ſtatt der Terz, und muß in dieſelbe re-
„ſolviren. Der Baßton dieſes diſſonirenden Quartſextenac-
„cords iſt der wahre Grundton mit dem Dreyklang. Da bey
„dieſem Aecorde ſowohl die Quarte als Sexte zufaͤllige Diſſo-
„nanzen ſind, ſo koͤnnen ſie weder frey eintreten, noch verdop-
„pelt werden, noch anders als auf einem guten Taettheil vor-
„kommen, ſondern ſind mit allen andern zufaͤlligen Diſſonan-
„zen denſelben Regeln unterworfen.“

Anmerkungen. 1) So wie der Quartſextenaccord,
wenn es die Melodie erlaubet, fuͤr den Quartquintenaccord
gebrauchet werden kann, ſo kann dieſer wiederum fuͤr jenen
gebrauchet werden; doch iſt dieſer gegenſeitige Gebrauch nur
auf gewiſſe Faͤlle eingeſchraͤnkt. Z. E. da der Quartquin-
tenaccord nur in Theſi,
nicht aber in Arſi gebrauchet wer-
den kann: ſo folget, daß der Quartſextenaccord auch nirgends

als
*) Die Terz ſtatt der Quarte? Da wird ja der Quartſextenaccord in
einen Dreyklang verwandelt. Wie iſt das zu verſtehen?
T 5
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[297/0317] uͤber die Kirnberg. Grundſaͤtze der Harmonie ꝛc. geſchicht. Die Betrachtung daruͤber aus dieſem oder jenen Geſichtspunkt veraͤndert nicht die Natur der Quarte. §. 323. Seite 14. §. 11. „Bey dem diſſonirenden Quartſex- „tenaccord kann allemal die Quinte ſtatt der Sexte, und die „Terz ſtatt der Quarte *) angeſchlagen werden; bey dem con- „ſonirenden findet dieſes nicht ſtatt. Hier iſt, z. E. wie bey „Fig. 111. bey dem Quartſextenaccord des erſten Tacts ſtatt „der Sexte keine Quinte anzuſchlagen moͤglich; daher iſt er „conſonirend, und hat die Unterquinte vom Baßton mit dem „Dreyklang zum Grundaccord. Dieſe conſonirende Quarte „kann, weil ſie die Octave des Grundtons iſt, wie alle uͤbrige „Jntervalle frey eintreten, auch verdoppelt werden; ſie kann „als die Aufloͤſung einer vorhergehenden Diſſonanz vorkom- „men, wie bey Fig. 112. Sie kann, da ſie eine Conſonanz „iſt, ſowohl auf einem guten als ſchlechten Tacttheile ange- „bracht werden, und ohne Zwang auf- oder abwaͤrts in an- „dere Toͤne fortſchreiten. Hingegen iſt in dem Exempel bey „Fig. 111. der Quartſextenaccord des zweyten Tacts diſſoni- „rend, weil ſtatt der Sexte die Quinte angeſchlagen werden „kann, deren Vorhalt jene iſt, und worinn ſie reſolviren muß; „die Quarte ſteht hier ſtatt der Terz, und muß in dieſelbe re- „ſolviren. Der Baßton dieſes diſſonirenden Quartſextenac- „cords iſt der wahre Grundton mit dem Dreyklang. Da bey „dieſem Aecorde ſowohl die Quarte als Sexte zufaͤllige Diſſo- „nanzen ſind, ſo koͤnnen ſie weder frey eintreten, noch verdop- „pelt werden, noch anders als auf einem guten Taettheil vor- „kommen, ſondern ſind mit allen andern zufaͤlligen Diſſonan- „zen denſelben Regeln unterworfen.“ Anmerkungen. 1) So wie der Quartſextenaccord, wenn es die Melodie erlaubet, fuͤr den Quartquintenaccord gebrauchet werden kann, ſo kann dieſer wiederum fuͤr jenen gebrauchet werden; doch iſt dieſer gegenſeitige Gebrauch nur auf gewiſſe Faͤlle eingeſchraͤnkt. Z. E. da der Quartquin- tenaccord nur in Theſi, nicht aber in Arſi gebrauchet wer- den kann: ſo folget, daß der Quartſextenaccord auch nirgends als *) Die Terz ſtatt der Quarte? Da wird ja der Quartſextenaccord in einen Dreyklang verwandelt. Wie iſt das zu verſtehen? T 5

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Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/317>, abgerufen am 24.11.2024.