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Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

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Sechster Abschnitt.
Beweis, daß der Kirnbergersche Grundbaß
kein Grundbaß ist.

A potiori fit denominatio.


§. 307.

Es wird einerley seyn, in was für einer Ordnung wir be-
weisen, daß der Kirnbergersche Grundbaß kein Grund-
baß ist, da es dem Herrn Verfasser der Grundsätze etc. nicht
beliebet hat, die strengste Ordnung in selbigen zu beobachten.
Jch will aber einige Axiome und Theoreme aus der Lehre vom
wahren Grundbaß, deren Richtigkeit einem Schüler der Har-
monie in die Augen fällt, voranschicken, als:

1) Der Dreyklang ist der Grundaccord von dem vermittelst
der Umkehrung von ihm entstehenden Sexten- und
Quartsextenaccord. Z. E. der Accord c e g ist der Grund-
accord von e g c und g c e, oder der Accord g h d ist der
Grundaccord von h d g und d g h.
2) Der Septimenaccord ist der Grundaccord von dem ver-
mittelst der Umkehrung von ihm entstehenden Quintsexten-
Terzquarten- und Secundenaccord. Z. E. der Accord
c e g b ist der Grundaccord von e g b c, g b c e und b c e g,
oder der Accord g h d f ist der Grundaccord von h d f g,
d f g h
und f g h d.
3) Alle Dreyklänge und Septimenaccorde sind ihre eigene
Grundaccorde, und können von keinen andern Drey-
klängen und Septimenaccorden hergeleitet werden. Z. E.
der Dreyklang c e g ist sein eigener Grundaccord, und
kann so wenig von dem Grundaccord g h d, als dieser von
jenem abgeleitet werden. Ferner der Septimenaccord
c e g b ist sein eigener Grundaccord, und kann so wenig
von dem Grundaccord g h d f, als dieser von jenem abge-
leitet werden.
4) Kein umgekehrter Accord kann von einem andern Grund-
accord als von seinem eigenen hergeleitet werden. Z. E.
der umgekehrte Accord e g c oder g c e kann nur von dem
Grund-
S 5


Sechſter Abſchnitt.
Beweis, daß der Kirnbergerſche Grundbaß
kein Grundbaß iſt.

A potiori fit denominatio.


§. 307.

Es wird einerley ſeyn, in was fuͤr einer Ordnung wir be-
weiſen, daß der Kirnbergerſche Grundbaß kein Grund-
baß iſt, da es dem Herrn Verfaſſer der Grundſaͤtze ꝛc. nicht
beliebet hat, die ſtrengſte Ordnung in ſelbigen zu beobachten.
Jch will aber einige Axiome und Theoreme aus der Lehre vom
wahren Grundbaß, deren Richtigkeit einem Schuͤler der Har-
monie in die Augen faͤllt, voranſchicken, als:

1) Der Dreyklang iſt der Grundaccord von dem vermittelſt
der Umkehrung von ihm entſtehenden Sexten- und
Quartſextenaccord. Z. E. der Accord c e g iſt der Grund-
accord von e g c und g c e, oder der Accord g h d iſt der
Grundaccord von h d g und d g h.
2) Der Septimenaccord iſt der Grundaccord von dem ver-
mittelſt der Umkehrung von ihm entſtehenden Quintſexten-
Terzquarten- und Secundenaccord. Z. E. der Accord
c e g b iſt der Grundaccord von e g b c, g b c e und b c e g,
oder der Accord g h d f iſt der Grundaccord von h d f g,
d f g h
und f g h d.
3) Alle Dreyklaͤnge und Septimenaccorde ſind ihre eigene
Grundaccorde, und koͤnnen von keinen andern Drey-
klaͤngen und Septimenaccorden hergeleitet werden. Z. E.
der Dreyklang c e g iſt ſein eigener Grundaccord, und
kann ſo wenig von dem Grundaccord g h d, als dieſer von
jenem abgeleitet werden. Ferner der Septimenaccord
c e g b iſt ſein eigener Grundaccord, und kann ſo wenig
von dem Grundaccord g h d f, als dieſer von jenem abge-
leitet werden.
4) Kein umgekehrter Accord kann von einem andern Grund-
accord als von ſeinem eigenen hergeleitet werden. Z. E.
der umgekehrte Accord e g c oder g c e kann nur von dem
Grund-
S 5
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[281/0301] Sechſter Abſchnitt. Beweis, daß der Kirnbergerſche Grundbaß kein Grundbaß iſt. A potiori fit denominatio. §. 307. Es wird einerley ſeyn, in was fuͤr einer Ordnung wir be- weiſen, daß der Kirnbergerſche Grundbaß kein Grund- baß iſt, da es dem Herrn Verfaſſer der Grundſaͤtze ꝛc. nicht beliebet hat, die ſtrengſte Ordnung in ſelbigen zu beobachten. Jch will aber einige Axiome und Theoreme aus der Lehre vom wahren Grundbaß, deren Richtigkeit einem Schuͤler der Har- monie in die Augen faͤllt, voranſchicken, als: 1) Der Dreyklang iſt der Grundaccord von dem vermittelſt der Umkehrung von ihm entſtehenden Sexten- und Quartſextenaccord. Z. E. der Accord c e g iſt der Grund- accord von e g c und g c e, oder der Accord g h d iſt der Grundaccord von h d g und d g h. 2) Der Septimenaccord iſt der Grundaccord von dem ver- mittelſt der Umkehrung von ihm entſtehenden Quintſexten- Terzquarten- und Secundenaccord. Z. E. der Accord c e g b iſt der Grundaccord von e g b c, g b c e und b c e g, oder der Accord g h d f iſt der Grundaccord von h d f g, d f g h und f g h d. 3) Alle Dreyklaͤnge und Septimenaccorde ſind ihre eigene Grundaccorde, und koͤnnen von keinen andern Drey- klaͤngen und Septimenaccorden hergeleitet werden. Z. E. der Dreyklang c e g iſt ſein eigener Grundaccord, und kann ſo wenig von dem Grundaccord g h d, als dieſer von jenem abgeleitet werden. Ferner der Septimenaccord c e g b iſt ſein eigener Grundaccord, und kann ſo wenig von dem Grundaccord g h d f, als dieſer von jenem abge- leitet werden. 4) Kein umgekehrter Accord kann von einem andern Grund- accord als von ſeinem eigenen hergeleitet werden. Z. E. der umgekehrte Accord e g c oder g c e kann nur von dem Grund- S 5

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Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/301>, abgerufen am 22.11.2024.