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Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

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des Artikels vom Fundamentalbaß in der Sulz. etc.

Der Hr. Doctor Gemmel kann nun unstreitig nicht mehr
Zeugen haben, als er hat. Denn alle musikalische Seriben-
ten, welche vor dem Jahre 1722 geschrieben haben, Zarlino,
Glarean, Mersenne, Kircher, Artusi, Angleria, Bros-
sard, Bononcini, Berardi, Fux,
und andere, welche über
die Lehre von der Umkehrung der Sätze in der Octave bey
Erklärung der Regeln der Harmonie, ein tiefes Stillschweigen
beobachten, bezeugen mit ihm einerley Sache. Jn welcher
Bibliothek findet sich das die gegenseitige Meinung des Ver-
fassers von dem Artikel Fundamentalbaß begünstigende
Werk?

§. 294.

Es muß mir allhier niemand des berühmten Hrn. Capell-
meister Heinichen Generalbaß in der Composition, und zwar
in selbigem das erste Capitel der andern Abtheilung von
den theatralischen Auflösungen der Dissonanzen entgegensetzen.
Da dieses vortrefliche Buch sechs Jahre nach dem Rameau-
schen System, nemlich im Jahre 1728 erschienen ist, so konnte
wohl der Hr. Rameau im Jahre 1722 solches noch nicht ge-
lesen haben. Hingegen ist bekannt, daß Heinichen das Werk
des Rameau gelesen hat, indem er ihn an verschiednen Oer-
tern anführet. Man kann die Oerter im Register finden. Um
keine Anachronismen zu begehen, muß man das allererste Werk
des Hrn. Heinichen über den Generalbaß nachsehen. Selbi-
ges ist im Jahre 1711 zu Hamburg, unter dem Titel einer
neuerfundnen und gründlichen Anweisung etc. zu voll-
kommener Erlernung des Generalbasses
etc. erschienen,
und in diesem ganzen Werke findet man keine Spur von dem-
jenigen, was man darinnen finden möchte. -- Daß der Au-
ctor in selbigem gewisse hieher gehörige Sachen nicht gelehret
haben müsse, welche er siebenzehn Jahre nachher in seinem
Generalbaß in der Composition lehrete, kann man aus seiner
Vorrede zu diesem lezten Werk, und also aus seinem eigenen
Geständniß sehen, indem er schreibt:

"daß das ganze weitläuftige erste Capitel der andern
"Abtheilung für einen theatralischen Componisten etwas
"ausserordentliches
ist. Denn es werden darinnen
"fast
des Artikels vom Fundamentalbaß in der Sulz. ꝛc.

Der Hr. Doctor Gemmel kann nun unſtreitig nicht mehr
Zeugen haben, als er hat. Denn alle muſikaliſche Seriben-
ten, welche vor dem Jahre 1722 geſchrieben haben, Zarlino,
Glarean, Merſenne, Kircher, Artuſi, Angleria, Broſ-
ſard, Bononcini, Berardi, Fux,
und andere, welche uͤber
die Lehre von der Umkehrung der Saͤtze in der Octave bey
Erklaͤrung der Regeln der Harmonie, ein tiefes Stillſchweigen
beobachten, bezeugen mit ihm einerley Sache. Jn welcher
Bibliothek findet ſich das die gegenſeitige Meinung des Ver-
faſſers von dem Artikel Fundamentalbaß beguͤnſtigende
Werk?

§. 294.

Es muß mir allhier niemand des beruͤhmten Hrn. Capell-
meiſter Heinichen Generalbaß in der Compoſition, und zwar
in ſelbigem das erſte Capitel der andern Abtheilung von
den theatraliſchen Aufloͤſungen der Diſſonanzen entgegenſetzen.
Da dieſes vortrefliche Buch ſechs Jahre nach dem Rameau-
ſchen Syſtem, nemlich im Jahre 1728 erſchienen iſt, ſo konnte
wohl der Hr. Rameau im Jahre 1722 ſolches noch nicht ge-
leſen haben. Hingegen iſt bekannt, daß Heinichen das Werk
des Rameau geleſen hat, indem er ihn an verſchiednen Oer-
tern anfuͤhret. Man kann die Oerter im Regiſter finden. Um
keine Anachroniſmen zu begehen, muß man das allererſte Werk
des Hrn. Heinichen uͤber den Generalbaß nachſehen. Selbi-
ges iſt im Jahre 1711 zu Hamburg, unter dem Titel einer
neuerfundnen und gruͤndlichen Anweiſung ꝛc. zu voll-
kommener Erlernung des Generalbaſſes
ꝛc. erſchienen,
und in dieſem ganzen Werke findet man keine Spur von dem-
jenigen, was man darinnen finden moͤchte. — Daß der Au-
ctor in ſelbigem gewiſſe hieher gehoͤrige Sachen nicht gelehret
haben muͤſſe, welche er ſiebenzehn Jahre nachher in ſeinem
Generalbaß in der Compoſition lehrete, kann man aus ſeiner
Vorrede zu dieſem lezten Werk, und alſo aus ſeinem eigenen
Geſtaͤndniß ſehen, indem er ſchreibt:

„daß das ganze weitlaͤuftige erſte Capitel der andern
„Abtheilung fuͤr einen theatraliſchen Componiſten etwas
„auſſerordentliches
iſt. Denn es werden darinnen
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[271/0291] des Artikels vom Fundamentalbaß in der Sulz. ꝛc. Der Hr. Doctor Gemmel kann nun unſtreitig nicht mehr Zeugen haben, als er hat. Denn alle muſikaliſche Seriben- ten, welche vor dem Jahre 1722 geſchrieben haben, Zarlino, Glarean, Merſenne, Kircher, Artuſi, Angleria, Broſ- ſard, Bononcini, Berardi, Fux, und andere, welche uͤber die Lehre von der Umkehrung der Saͤtze in der Octave bey Erklaͤrung der Regeln der Harmonie, ein tiefes Stillſchweigen beobachten, bezeugen mit ihm einerley Sache. Jn welcher Bibliothek findet ſich das die gegenſeitige Meinung des Ver- faſſers von dem Artikel Fundamentalbaß beguͤnſtigende Werk? §. 294. Es muß mir allhier niemand des beruͤhmten Hrn. Capell- meiſter Heinichen Generalbaß in der Compoſition, und zwar in ſelbigem das erſte Capitel der andern Abtheilung von den theatraliſchen Aufloͤſungen der Diſſonanzen entgegenſetzen. Da dieſes vortrefliche Buch ſechs Jahre nach dem Rameau- ſchen Syſtem, nemlich im Jahre 1728 erſchienen iſt, ſo konnte wohl der Hr. Rameau im Jahre 1722 ſolches noch nicht ge- leſen haben. Hingegen iſt bekannt, daß Heinichen das Werk des Rameau geleſen hat, indem er ihn an verſchiednen Oer- tern anfuͤhret. Man kann die Oerter im Regiſter finden. Um keine Anachroniſmen zu begehen, muß man das allererſte Werk des Hrn. Heinichen uͤber den Generalbaß nachſehen. Selbi- ges iſt im Jahre 1711 zu Hamburg, unter dem Titel einer neuerfundnen und gruͤndlichen Anweiſung ꝛc. zu voll- kommener Erlernung des Generalbaſſes ꝛc. erſchienen, und in dieſem ganzen Werke findet man keine Spur von dem- jenigen, was man darinnen finden moͤchte. — Daß der Au- ctor in ſelbigem gewiſſe hieher gehoͤrige Sachen nicht gelehret haben muͤſſe, welche er ſiebenzehn Jahre nachher in ſeinem Generalbaß in der Compoſition lehrete, kann man aus ſeiner Vorrede zu dieſem lezten Werk, und alſo aus ſeinem eigenen Geſtaͤndniß ſehen, indem er ſchreibt: „daß das ganze weitlaͤuftige erſte Capitel der andern „Abtheilung fuͤr einen theatraliſchen Componiſten etwas „auſſerordentliches iſt. Denn es werden darinnen „faſt

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Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/291>, abgerufen am 25.11.2024.