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Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776.

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Achtzehnter Abschn. Die gleichschw. Temper.
benzig, wenn man die achte Quinte jeder Abtheilung nicht mit-
rechnet, in dem Fall der Mitrechnung aber auf acht und acht-
zig. Ein gewisser hiesiger Stimmeister hat bey seinem aller-
ersten Versuch,
bey welchem er nicht aufs eiligste verfuhr,
durch eine sehr wohlgerathene Probe, gezeigt, daß noch nicht
einmal drey Viertheilstunden erfordert werden, um die ganze
Stimmung
zu Stande zu bringen. Sobald man nichts als
reine Quinten, Octaven und große Terzen, und keine schwe-
bende Jntervalle, nach dem Gehör suchet, so ist mit leichter
Mühe zu berechnen, wieviel solcher Jntervalle in einer Mi-
nute, und folglich in einer Stunde gefunden werden können.
Es ist aber vermöge der Erfahrung möglich zehn Jntervalle
(Quinten, Octaven und große Terzen in einander gerechnet,)
innerhalb einer Minute, rein zu stimmen, und also können
sechshundert Jntervalle in der Zeit von einer Stunde ge-
stimmet werden; mithin kann die Partition der Quinten,
Octaven und großen Terzen in ungefähr einer halben Vier-
theilstunde vollzogen werden, wenn alles mit einer abgemeßnen
Eilfertigkeit verrichtet werden soll. -- Wenn die vielen Quinten
und Terzen, womit man öfters eine sehr schlechte ungleichschwe-
bende Temperatur zuwegebringet, jedesmahl aufgeschrieben
werden sollten, so würde man öfters etliche hundert und mehr
zu zählen haben, der Octaven nicht zu gedenken. Hier ist die
Anzahl aller Quinten, Octaven und Terzen bestimmet, und
man brauchet keine Rückproben, sondern gehet immer weiter
fort, ohne über die Richtigkeit der vorhergehenden Jntervalle
den geringsten Scrupel zu haben. Denn sie sind alle rein ge-
stimmet worden, und sollten nicht anders gestimmet werden.
Währender Zeit daß man in einer ungleichschwebenden Tem-
peratur die Schwebung dieses oder jenen Jntervalls nach dem
Gehör suchet, und doch nicht trift, kann man allhier zwanzig
reine Quinten finden. Sollte allenfalls jemanden der Stim-
mungsproceß im Anfang einige Aufmerksamkeit kosten, so wird
es sich wohl der Mühe belohnen, durch genugsame Uebung
sich eine Fertigkeit darinnen zu verschaffen. Es ist immer vor-
theilhäfter, seine Aufmerksamkeit auf eine gute Temperatur zu
verwenden, als auf eine schlechte, welche nicht weniger Mühe
erfordert.

§. 169.

Achtzehnter Abſchn. Die gleichſchw. Temper.
benzig, wenn man die achte Quinte jeder Abtheilung nicht mit-
rechnet, in dem Fall der Mitrechnung aber auf acht und acht-
zig. Ein gewiſſer hieſiger Stimmeiſter hat bey ſeinem aller-
erſten Verſuch,
bey welchem er nicht aufs eiligſte verfuhr,
durch eine ſehr wohlgerathene Probe, gezeigt, daß noch nicht
einmal drey Viertheilſtunden erfordert werden, um die ganze
Stimmung
zu Stande zu bringen. Sobald man nichts als
reine Quinten, Octaven und große Terzen, und keine ſchwe-
bende Jntervalle, nach dem Gehoͤr ſuchet, ſo iſt mit leichter
Muͤhe zu berechnen, wieviel ſolcher Jntervalle in einer Mi-
nute, und folglich in einer Stunde gefunden werden koͤnnen.
Es iſt aber vermoͤge der Erfahrung moͤglich zehn Jntervalle
(Quinten, Octaven und große Terzen in einander gerechnet,)
innerhalb einer Minute, rein zu ſtimmen, und alſo koͤnnen
ſechshundert Jntervalle in der Zeit von einer Stunde ge-
ſtimmet werden; mithin kann die Partition der Quinten,
Octaven und großen Terzen in ungefaͤhr einer halben Vier-
theilſtunde vollzogen werden, wenn alles mit einer abgemeßnen
Eilfertigkeit verrichtet werden ſoll. — Wenn die vielen Quinten
und Terzen, womit man oͤfters eine ſehr ſchlechte ungleichſchwe-
bende Temperatur zuwegebringet, jedesmahl aufgeſchrieben
werden ſollten, ſo wuͤrde man oͤfters etliche hundert und mehr
zu zaͤhlen haben, der Octaven nicht zu gedenken. Hier iſt die
Anzahl aller Quinten, Octaven und Terzen beſtimmet, und
man brauchet keine Ruͤckproben, ſondern gehet immer weiter
fort, ohne uͤber die Richtigkeit der vorhergehenden Jntervalle
den geringſten Scrupel zu haben. Denn ſie ſind alle rein ge-
ſtimmet worden, und ſollten nicht anders geſtimmet werden.
Waͤhrender Zeit daß man in einer ungleichſchwebenden Tem-
peratur die Schwebung dieſes oder jenen Jntervalls nach dem
Gehoͤr ſuchet, und doch nicht trift, kann man allhier zwanzig
reine Quinten finden. Sollte allenfalls jemanden der Stim-
mungsproceß im Anfang einige Aufmerkſamkeit koſten, ſo wird
es ſich wohl der Muͤhe belohnen, durch genugſame Uebung
ſich eine Fertigkeit darinnen zu verſchaffen. Es iſt immer vor-
theilhaͤfter, ſeine Aufmerkſamkeit auf eine gute Temperatur zu
verwenden, als auf eine ſchlechte, welche nicht weniger Muͤhe
erfordert.

§. 169.
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[144/0164] Achtzehnter Abſchn. Die gleichſchw. Temper. benzig, wenn man die achte Quinte jeder Abtheilung nicht mit- rechnet, in dem Fall der Mitrechnung aber auf acht und acht- zig. Ein gewiſſer hieſiger Stimmeiſter hat bey ſeinem aller- erſten Verſuch, bey welchem er nicht aufs eiligſte verfuhr, durch eine ſehr wohlgerathene Probe, gezeigt, daß noch nicht einmal drey Viertheilſtunden erfordert werden, um die ganze Stimmung zu Stande zu bringen. Sobald man nichts als reine Quinten, Octaven und große Terzen, und keine ſchwe- bende Jntervalle, nach dem Gehoͤr ſuchet, ſo iſt mit leichter Muͤhe zu berechnen, wieviel ſolcher Jntervalle in einer Mi- nute, und folglich in einer Stunde gefunden werden koͤnnen. Es iſt aber vermoͤge der Erfahrung moͤglich zehn Jntervalle (Quinten, Octaven und große Terzen in einander gerechnet,) innerhalb einer Minute, rein zu ſtimmen, und alſo koͤnnen ſechshundert Jntervalle in der Zeit von einer Stunde ge- ſtimmet werden; mithin kann die Partition der Quinten, Octaven und großen Terzen in ungefaͤhr einer halben Vier- theilſtunde vollzogen werden, wenn alles mit einer abgemeßnen Eilfertigkeit verrichtet werden ſoll. — Wenn die vielen Quinten und Terzen, womit man oͤfters eine ſehr ſchlechte ungleichſchwe- bende Temperatur zuwegebringet, jedesmahl aufgeſchrieben werden ſollten, ſo wuͤrde man oͤfters etliche hundert und mehr zu zaͤhlen haben, der Octaven nicht zu gedenken. Hier iſt die Anzahl aller Quinten, Octaven und Terzen beſtimmet, und man brauchet keine Ruͤckproben, ſondern gehet immer weiter fort, ohne uͤber die Richtigkeit der vorhergehenden Jntervalle den geringſten Scrupel zu haben. Denn ſie ſind alle rein ge- ſtimmet worden, und ſollten nicht anders geſtimmet werden. Waͤhrender Zeit daß man in einer ungleichſchwebenden Tem- peratur die Schwebung dieſes oder jenen Jntervalls nach dem Gehoͤr ſuchet, und doch nicht trift, kann man allhier zwanzig reine Quinten finden. Sollte allenfalls jemanden der Stim- mungsproceß im Anfang einige Aufmerkſamkeit koſten, ſo wird es ſich wohl der Muͤhe belohnen, durch genugſame Uebung ſich eine Fertigkeit darinnen zu verſchaffen. Es iſt immer vor- theilhaͤfter, ſeine Aufmerkſamkeit auf eine gute Temperatur zu verwenden, als auf eine ſchlechte, welche nicht weniger Muͤhe erfordert. §. 169.

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Zitationshilfe: Marpurg, Friedrich Wilhelm: Versuch über die musikalische Temperatur. Breslau, 1776, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marpurg_versuch_1776/164>, abgerufen am 22.11.2024.