Marperger, Paul Jacob: Beschreibung der Banqven. Halle (Saale) u. a., 1717.Das VI. Capitel ren/ solches seinen Grund habe/ in soweit es eine schädliche/ und demgemeinen Wesen zum Nachtheil gereichende Neuerung ist/ wo sich aber dieses nicht findet/ und man will doch eine heilsame und nützliche Neue- rung nicht zulassen/ und derselben wiedersprechen/ so lieget entweder eine grobe Einfalt/ oder arglistige Boßheit/ Neid und Eigennutz darunter/ und würde mancher nicht so hart dawieder sprechen/ wann er nur Au- thor von solcher Neuerung und neuem Project wäre/ und sein Inter- esse reichlich dabey zu finden wüste. So aber muß es ihm etwas un- zulässiges seyn/ weil es nicht aus seinem Gehirn entsprossen/ oder er sei- nen Zehenden nicht mit davon zu geniessen hat. Daß auch ein solches die Alten nicht practiciret/ und doch dabey kluge Leute gewesen/ solches benimmt der Realität der Sache nichts/ angesehen die damahlige Zeit etwan dergleichen einzuführen/ noch nicht bequem gewesen/ oder auch die Invention damahls noch Niemand davon gehabt. Also haben die Alten/ ehe die Magnet-Nadel erfunden worden/ mehrentheils nur längst denen See-Küsten hersegeln müssen/ und haben sich nicht weit in die offenbare See getrauet/ ob sie gleich sonst/ ausser dem Gebrauch des Magnets/ in andern Dingen gute Wissenschafften gehabt. Da man aber nunmehro seiter etliche hundert Jahren her vermittelst des Magnets die gantze Welt umbschiffen/ und die Commercia ungleich weiter ex- tendiren kan/ wer wolte dann eine solche löbliche Invention der Welt mißgönnen/ oder selbige als eine Neuerung/ die nicht zuläßig wäre/ aus- schreyen. Unsere Alten wohneten in unförmlichen unbequemen Gebäuen/ wolte man solche darumb des Alterthums wegen beybehalten/ da man heutiges Tages weit zierlicher und bequemer zu bauen erfunden hat/ dergleichen Exempla noch viel andere mehr in andern Dingen/ sonder- lich von der Buchdruckerey/ dem Geschütz/ vielerhand Künsten und Wissenschafften/ wann es nöthig wäre/ könten angeführet werden. Wir wollen aber nur bloß bey der Kauffmannschafft bleiben/ in welcher man in alten Zeiten von der Bequemlichkeit der Wechsel-Briefe/ der behen- den Schiffarth/ dem Jtaliänischen Buchhalten/ denen neu erfundenen Manufacturen/ und dergleichen nicht viel gewust/ solte man sich darumb derselben/ da sie sonderlich zur Erweiterung der Kauffmannschafft so herrlich zu gebrauchen/ nicht auch bedienen/ weil die Alten nichts davon gewust/ oder sich derselben bedienet haben? Die Zeiten und Läufften verändern sich/ der Kauffleute Nahrung ist kein Erb-Gut/ von dem einem
Das VI. Capitel ren/ ſolches ſeinen Grund habe/ in ſoweit es eine ſchaͤdliche/ und demgemeinen Weſen zum Nachtheil gereichende Neuerung iſt/ wo ſich aber dieſes nicht findet/ und man will doch eine heilſame und nuͤtzliche Neue- rung nicht zulaſſen/ und derſelben wiederſprechen/ ſo lieget entweder eine grobe Einfalt/ oder argliſtige Boßheit/ Neid und Eigennutz darunter/ und wuͤrde mancher nicht ſo hart dawieder ſprechen/ wann er nur Au- thor von ſolcher Neuerung und neuem Project waͤre/ und ſein Inter- eſſe reichlich dabey zu finden wuͤſte. So aber muß es ihm etwas un- zulaͤſſiges ſeyn/ weil es nicht aus ſeinem Gehirn entſproſſen/ oder er ſei- nen Zehenden nicht mit davon zu genieſſen hat. Daß auch ein ſolches die Alten nicht practiciret/ und doch dabey kluge Leute geweſen/ ſolches benimmt der Realitaͤt der Sache nichts/ angeſehen die damahlige Zeit etwan dergleichen einzufuͤhren/ noch nicht bequem geweſen/ oder auch die Invention damahls noch Niemand davon gehabt. Alſo haben die Alten/ ehe die Magnet-Nadel erfunden worden/ mehrentheils nur laͤngſt denen See-Kuͤſten herſegeln muͤſſen/ und haben ſich nicht weit in die offenbare See getrauet/ ob ſie gleich ſonſt/ auſſer dem Gebrauch des Magnets/ in andern Dingen gute Wiſſenſchafften gehabt. Da man aber nunmehro ſeiter etliche hundert Jahren her vermittelſt des Magnets die gantze Welt umbſchiffen/ und die Commercia ungleich weiter ex- tendiren kan/ wer wolte dann eine ſolche loͤbliche Invention der Welt mißgoͤnnen/ oder ſelbige als eine Neuerung/ die nicht zulaͤßig waͤre/ aus- ſchreyen. Unſere Alten wohneten in unfoͤrmlichen unbequemen Gebaͤuen/ wolte man ſolche darumb des Alterthums wegen beybehalten/ da man heutiges Tages weit zierlicher und bequemer zu bauen erfunden hat/ dergleichen Exempla noch viel andere mehr in andern Dingen/ ſonder- lich von der Buchdruckerey/ dem Geſchuͤtz/ vielerhand Kuͤnſten und Wiſſenſchafften/ wann es noͤthig waͤre/ koͤnten angefuͤhret werden. Wir wollen aber nur bloß bey der Kauffmannſchafft bleiben/ in welcher man in alten Zeiten von der Bequemlichkeit der Wechſel-Briefe/ der behen- den Schiffarth/ dem Jtaliaͤniſchen Buchhalten/ denen neu erfundenen Manufacturen/ und dergleichen nicht viel gewuſt/ ſolte man ſich darumb derſelben/ da ſie ſonderlich zur Erweiterung der Kauffmannſchafft ſo herrlich zu gebrauchen/ nicht auch bedienen/ weil die Alten nichts davon gewuſt/ oder ſich derſelben bedienet haben? Die Zeiten und Laͤufften veraͤndern ſich/ der Kauffleute Nahrung iſt kein Erb-Gut/ von dem einem
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Das VI. Capitel
ren/ ſolches ſeinen Grund habe/ in ſoweit es eine ſchaͤdliche/ und dem
gemeinen Weſen zum Nachtheil gereichende Neuerung iſt/ wo ſich aber
dieſes nicht findet/ und man will doch eine heilſame und nuͤtzliche Neue-
rung nicht zulaſſen/ und derſelben wiederſprechen/ ſo lieget entweder eine
grobe Einfalt/ oder argliſtige Boßheit/ Neid und Eigennutz darunter/
und wuͤrde mancher nicht ſo hart dawieder ſprechen/ wann er nur Au-
thor von ſolcher Neuerung und neuem Project waͤre/ und ſein Inter-
eſſe reichlich dabey zu finden wuͤſte. So aber muß es ihm etwas un-
zulaͤſſiges ſeyn/ weil es nicht aus ſeinem Gehirn entſproſſen/ oder er ſei-
nen Zehenden nicht mit davon zu genieſſen hat. Daß auch ein ſolches
die Alten nicht practiciret/ und doch dabey kluge Leute geweſen/ ſolches
benimmt der Realitaͤt der Sache nichts/ angeſehen die damahlige Zeit
etwan dergleichen einzufuͤhren/ noch nicht bequem geweſen/ oder auch
die Invention damahls noch Niemand davon gehabt. Alſo haben die
Alten/ ehe die Magnet-Nadel erfunden worden/ mehrentheils nur laͤngſt
denen See-Kuͤſten herſegeln muͤſſen/ und haben ſich nicht weit in die
offenbare See getrauet/ ob ſie gleich ſonſt/ auſſer dem Gebrauch des
Magnets/ in andern Dingen gute Wiſſenſchafften gehabt. Da man
aber nunmehro ſeiter etliche hundert Jahren her vermittelſt des Magnets
die gantze Welt umbſchiffen/ und die Commercia ungleich weiter ex-
tendiren kan/ wer wolte dann eine ſolche loͤbliche Invention der Welt
mißgoͤnnen/ oder ſelbige als eine Neuerung/ die nicht zulaͤßig waͤre/ aus-
ſchreyen. Unſere Alten wohneten in unfoͤrmlichen unbequemen Gebaͤuen/
wolte man ſolche darumb des Alterthums wegen beybehalten/ da man
heutiges Tages weit zierlicher und bequemer zu bauen erfunden hat/
dergleichen Exempla noch viel andere mehr in andern Dingen/ ſonder-
lich von der Buchdruckerey/ dem Geſchuͤtz/ vielerhand Kuͤnſten und
Wiſſenſchafften/ wann es noͤthig waͤre/ koͤnten angefuͤhret werden. Wir
wollen aber nur bloß bey der Kauffmannſchafft bleiben/ in welcher man
in alten Zeiten von der Bequemlichkeit der Wechſel-Briefe/ der behen-
den Schiffarth/ dem Jtaliaͤniſchen Buchhalten/ denen neu erfundenen
Manufacturen/ und dergleichen nicht viel gewuſt/ ſolte man ſich darumb
derſelben/ da ſie ſonderlich zur Erweiterung der Kauffmannſchafft ſo
herrlich zu gebrauchen/ nicht auch bedienen/ weil die Alten nichts davon
gewuſt/ oder ſich derſelben bedienet haben? Die Zeiten und Laͤufften
veraͤndern ſich/ der Kauffleute Nahrung iſt kein Erb-Gut/ von dem
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Zitationshilfe: | Marperger, Paul Jacob: Beschreibung der Banqven. Halle (Saale) u. a., 1717, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marperger_banqven_1717/132>, abgerufen am 27.07.2024. |