Dieß ist wenigstens der Vorsatz, mit welchem ich diesen Tag anfange, und den ich treu und standhaft auszuführen entschlossen bin. Ich kann zwar die Hindernisse der Tugend und die Reizungen zum Laster, die mir vielleicht heute aufstoßen werden, nicht zuvor bestimmen; aber ich kann und will mich doch gegen sie alle waffnen, damit sie mich nicht unvorbereitet überfallen. Ich will, wo ich auch sey, in deiner Ge- genwart wandeln und mir den Gedanken recht tief ein- prägen, daß du überall bey mir bist und mich auch im Ver- borgenen siehest und hörest, daß du meine geheimsten Gesinnungen, Neigungen und Wünsche kennest, daß ich dir eben so sehr misfalle, wenn ich das Böse will, als wenn ich es wirklich thue, daß du alles Gute belohnest und alles Unrecht bestrafest.
Durch diesen Gedanken gestärkt will ich meinen lieben Aeltern auch dann gehorchen, wenn sie mich nicht sehen, nicht belohnen und bestrafen können. Ich will ihre gutgemeinten Vorschriften als die deinigen ehren und befolgen, weil ihr Wille in solchen Dingen ganz der deinige ist. Ich will mich nicht meinen unbestän- digen Wünschen, nicht meinem kindischen Leichtsinne, sondern ihrer Erfahrung und Einsicht überlassen. Ich will nichts für ein Vergnügen halten, was sie betrü- ben und kränken, keine Freude suchen und genießen, welche die ihrige stören kann. Durch diesen Gedan- ken an deine Gegenwart gestärkt soll es heute die an- genehmste Beschäfftigung für mich seyn, meine Kennt- nisse zu vermehren, recht viel Gutes zu lernen und verständiger zu werden. Der Tag wäre ja für mich
verloren,
Morgengebet allgemeinen Inhalts.
Dieß iſt wenigſtens der Vorſatz, mit welchem ich dieſen Tag anfange, und den ich treu und ſtandhaft auszuführen entſchloſſen bin. Ich kann zwar die Hinderniſſe der Tugend und die Reizungen zum Laſter, die mir vielleicht heute aufſtoßen werden, nicht zuvor beſtimmen; aber ich kann und will mich doch gegen ſie alle waffnen, damit ſie mich nicht unvorbereitet überfallen. Ich will, wo ich auch ſey, in deiner Ge- genwart wandeln und mir den Gedanken recht tief ein- prägen, daß du überall bey mir biſt und mich auch im Ver- borgenen ſieheſt und höreſt, daß du meine geheimſten Geſinnungen, Neigungen und Wünſche kenneſt, daß ich dir eben ſo ſehr misfalle, wenn ich das Böſe will, als wenn ich es wirklich thue, daß du alles Gute belohneſt und alles Unrecht beſtrafeſt.
Durch dieſen Gedanken geſtärkt will ich meinen lieben Aeltern auch dann gehorchen, wenn ſie mich nicht ſehen, nicht belohnen und beſtrafen können. Ich will ihre gutgemeinten Vorſchriften als die deinigen ehren und befolgen, weil ihr Wille in ſolchen Dingen ganz der deinige iſt. Ich will mich nicht meinen unbeſtän- digen Wünſchen, nicht meinem kindiſchen Leichtſinne, ſondern ihrer Erfahrung und Einſicht überlaſſen. Ich will nichts für ein Vergnügen halten, was ſie betrü- ben und kränken, keine Freude ſuchen und genießen, welche die ihrige ſtören kann. Durch dieſen Gedan- ken an deine Gegenwart geſtärkt ſoll es heute die an- genehmſte Beſchäfftigung für mich ſeyn, meine Kennt- niſſe zu vermehren, recht viel Gutes zu lernen und verſtändiger zu werden. Der Tag wäre ja für mich
verloren,
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Morgengebet allgemeinen Inhalts.
Dieß iſt wenigſtens der Vorſatz, mit welchem
ich dieſen Tag anfange, und den ich treu und ſtandhaft
auszuführen entſchloſſen bin. Ich kann zwar die
Hinderniſſe der Tugend und die Reizungen zum Laſter,
die mir vielleicht heute aufſtoßen werden, nicht zuvor
beſtimmen; aber ich kann und will mich doch gegen
ſie alle waffnen, damit ſie mich nicht unvorbereitet
überfallen. Ich will, wo ich auch ſey, in deiner Ge-
genwart wandeln und mir den Gedanken recht tief ein-
prägen, daß du überall bey mir biſt und mich auch im Ver-
borgenen ſieheſt und höreſt, daß du meine geheimſten
Geſinnungen, Neigungen und Wünſche kenneſt, daß ich
dir eben ſo ſehr misfalle, wenn ich das Böſe will,
als wenn ich es wirklich thue, daß du alles Gute
belohneſt und alles Unrecht beſtrafeſt.
Durch dieſen Gedanken geſtärkt will ich meinen
lieben Aeltern auch dann gehorchen, wenn ſie mich
nicht ſehen, nicht belohnen und beſtrafen können. Ich
will ihre gutgemeinten Vorſchriften als die deinigen ehren
und befolgen, weil ihr Wille in ſolchen Dingen ganz
der deinige iſt. Ich will mich nicht meinen unbeſtän-
digen Wünſchen, nicht meinem kindiſchen Leichtſinne,
ſondern ihrer Erfahrung und Einſicht überlaſſen. Ich
will nichts für ein Vergnügen halten, was ſie betrü-
ben und kränken, keine Freude ſuchen und genießen,
welche die ihrige ſtören kann. Durch dieſen Gedan-
ken an deine Gegenwart geſtärkt ſoll es heute die an-
genehmſte Beſchäfftigung für mich ſeyn, meine Kennt-
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/91>, abgerufen am 23.06.2024.
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