war, welchen ich hier über die Trennung von densel- ben empfand, so gewiß wird einst mein Vergnügen über die Wiedervereinigung mit denselben ungleich größer und dauerhafter seyn. O wie sehr werden sich dann alle meine Freuden erhöhen und vervielfältigen, wenn ich sie mit denen theilen kann, die mir so lieb und theuer sind, wenn ich dich, unsern Vater, ge- meinschaftlich mit ihnen anbeten, wenn ich zugleich mit ihnen deine Werke und Größe betrachten, wenn ich in ihrer Mitte und durch ihr Beyspiel ermuntert an deiner Verherrlichung arbeiten kann!
Bald, o Gott, bald werde ich den heißen Wunsch nach Glückseligkeit mehr und leichter befriedigen kön- nen, als es in meiner gegenwärtigen Lage möglich war. Hier finde ich kein vollkommnes Glück, keine unver- mischte, ganz reine Freude. Hier wird meine Zu- friedenheit unb Ruhe oft unterbrochen, oft geschwächt und erschüttert. Hier wechseln Gutes und Böses, Freuden und Leiden, angenehme und traurige Em- pfindungen, Genuß und Mangel, Verlust und Ge- winn mit einander ab. Und dieß kann nicht anders seyn, weil das gegenwärtige Leben eine Schule der Prüfung und ein Stand der Uebung und Vorberei- tung ist. Sollen sinnliche Geschöpfe, wie wir sind, zur Weisheit und Tugend gebildet werden, sollen wir Lust und Geschmack an wichtigen nicht irrdischen Din- gen bekommen, sollen wir der Freuden und Selig- keiten jenes Lebens fähig werden, so muß dieses oft durch härtere Zuchtmittel, durch Leiden und Wider- wärtigkeiten bewirkt werden. Je mehr ich aber dort an Vollkommenheit zunehme, je mehr sich meine Kennt-
nisse
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Troſtgründe und Ausſichten derſelben.
war, welchen ich hier über die Trennung von denſel- ben empfand, ſo gewiß wird einſt mein Vergnügen über die Wiedervereinigung mit denſelben ungleich größer und dauerhafter ſeyn. O wie ſehr werden ſich dann alle meine Freuden erhöhen und vervielfältigen, wenn ich ſie mit denen theilen kann, die mir ſo lieb und theuer ſind, wenn ich dich, unſern Vater, ge- meinſchaftlich mit ihnen anbeten, wenn ich zugleich mit ihnen deine Werke und Größe betrachten, wenn ich in ihrer Mitte und durch ihr Beyſpiel ermuntert an deiner Verherrlichung arbeiten kann!
Bald, o Gott, bald werde ich den heißen Wunſch nach Glückſeligkeit mehr und leichter befriedigen kön- nen, als es in meiner gegenwärtigen Lage möglich war. Hier finde ich kein vollkommnes Glück, keine unver- miſchte, ganz reine Freude. Hier wird meine Zu- friedenheit unb Ruhe oft unterbrochen, oft geſchwächt und erſchüttert. Hier wechſeln Gutes und Böſes, Freuden und Leiden, angenehme und traurige Em- pfindungen, Genuß und Mangel, Verluſt und Ge- winn mit einander ab. Und dieß kann nicht anders ſeyn, weil das gegenwärtige Leben eine Schule der Prüfung und ein Stand der Uebung und Vorberei- tung iſt. Sollen ſinnliche Geſchöpfe, wie wir ſind, zur Weisheit und Tugend gebildet werden, ſollen wir Luſt und Geſchmack an wichtigen nicht irrdiſchen Din- gen bekommen, ſollen wir der Freuden und Selig- keiten jenes Lebens fähig werden, ſo muß dieſes oft durch härtere Zuchtmittel, durch Leiden und Wider- wärtigkeiten bewirkt werden. Je mehr ich aber dort an Vollkommenheit zunehme, je mehr ſich meine Kennt-
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Troſtgründe und Ausſichten derſelben.
war, welchen ich hier über die Trennung von denſel-
ben empfand, ſo gewiß wird einſt mein Vergnügen
über die Wiedervereinigung mit denſelben ungleich
größer und dauerhafter ſeyn. O wie ſehr werden ſich
dann alle meine Freuden erhöhen und vervielfältigen,
wenn ich ſie mit denen theilen kann, die mir ſo lieb
und theuer ſind, wenn ich dich, unſern Vater, ge-
meinſchaftlich mit ihnen anbeten, wenn ich zugleich
mit ihnen deine Werke und Größe betrachten, wenn
ich in ihrer Mitte und durch ihr Beyſpiel ermuntert
an deiner Verherrlichung arbeiten kann!
Bald, o Gott, bald werde ich den heißen Wunſch
nach Glückſeligkeit mehr und leichter befriedigen kön-
nen, als es in meiner gegenwärtigen Lage möglich war.
Hier finde ich kein vollkommnes Glück, keine unver-
miſchte, ganz reine Freude. Hier wird meine Zu-
friedenheit unb Ruhe oft unterbrochen, oft geſchwächt
und erſchüttert. Hier wechſeln Gutes und Böſes,
Freuden und Leiden, angenehme und traurige Em-
pfindungen, Genuß und Mangel, Verluſt und Ge-
winn mit einander ab. Und dieß kann nicht anders
ſeyn, weil das gegenwärtige Leben eine Schule der
Prüfung und ein Stand der Uebung und Vorberei-
tung iſt. Sollen ſinnliche Geſchöpfe, wie wir ſind,
zur Weisheit und Tugend gebildet werden, ſollen wir
Luſt und Geſchmack an wichtigen nicht irrdiſchen Din-
gen bekommen, ſollen wir der Freuden und Selig-
keiten jenes Lebens fähig werden, ſo muß dieſes oft
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wärtigkeiten bewirkt werden. Je mehr ich aber dort
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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/377>, abgerufen am 24.06.2024.
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