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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Bey der Wahl der Lebensart
Erfahrung und ohne Kenntniß der Welt einen Beruf
wählen soll, der ist in Gefahr, sich vom äußern
Schimmer blenden und vom falschen Scheine täufchen
zu lassen. Ein Kind, das von dem Verstande seiner
Aeltern eine große Meinung hat und sein ganzes Ver-
trauen auf dieselben setzet, ein Kind, das von diesen
einen gewissen Stand vor allen andern rühmen und
anpreisen höret, sollte das noch Bedenken tragen, sich
diesem Stande zu widmen und dem Rathe derer zu
folgen, von denen es versichert ist, daß sie sein Glück
wünschen?

Freylich sollen und müssen wir Aeltern die Freun-
de und Rathgeber unsrer Kinder seyn und ihrer Uner-
fahrenheit zu Hülfe kommen; freylich ist es auch in
dem gegenwärtigen Falle unsre Pflicht, daß wir unser
Kind bey einer so wichtigen Wahl leiten und ihm un-
sre Einsichten leihen. Es ist nothwendig, daß wir
ihm diesen und jenen Beruf vorschlagen und unsre
Meinung mit Gründen unterstützen. Aber wir müs-
sen dieses nur mit den rechten, mit vernünftigen Grün-
den thun. Wir müssen uns nicht selbst von Vorur-
theilen hintergehen und vom äusserlichen Glanze be-
stechen lassen, wenn wir andern den Weg zum Glücke
zeigen wollen. Nie müssen wir in dieser Absicht un-
sern Kindern blos deßwegen einen gewissen Stand em-
pfehlen, weil man große Reichthümer in demselben
erwerben und sich ein bequemes Leben verschaffen kann.
So wenig der Reichthum allein und an sich zur Zu-
friedenheit und Glückseligkeit des Menschen beytragen
kann, so wenig ist die Erwerbung desselben an einen

einzigen

Bey der Wahl der Lebensart
Erfahrung und ohne Kenntniß der Welt einen Beruf
wählen ſoll, der iſt in Gefahr, ſich vom äußern
Schimmer blenden und vom falſchen Scheine täufchen
zu laſſen. Ein Kind, das von dem Verſtande ſeiner
Aeltern eine große Meinung hat und ſein ganzes Ver-
trauen auf dieſelben ſetzet, ein Kind, das von dieſen
einen gewiſſen Stand vor allen andern rühmen und
anpreiſen höret, ſollte das noch Bedenken tragen, ſich
dieſem Stande zu widmen und dem Rathe derer zu
folgen, von denen es verſichert iſt, daß ſie ſein Glück
wünſchen?

Freylich ſollen und müſſen wir Aeltern die Freun-
de und Rathgeber unſrer Kinder ſeyn und ihrer Uner-
fahrenheit zu Hülfe kommen; freylich iſt es auch in
dem gegenwärtigen Falle unſre Pflicht, daß wir unſer
Kind bey einer ſo wichtigen Wahl leiten und ihm un-
ſre Einſichten leihen. Es iſt nothwendig, daß wir
ihm dieſen und jenen Beruf vorſchlagen und unſre
Meinung mit Gründen unterſtützen. Aber wir müſ-
ſen dieſes nur mit den rechten, mit vernünftigen Grün-
den thun. Wir müſſen uns nicht ſelbſt von Vorur-
theilen hintergehen und vom äuſſerlichen Glanze be-
ſtechen laſſen, wenn wir andern den Weg zum Glücke
zeigen wollen. Nie müſſen wir in dieſer Abſicht un-
ſern Kindern blos deßwegen einen gewiſſen Stand em-
pfehlen, weil man große Reichthümer in demſelben
erwerben und ſich ein bequemes Leben verſchaffen kann.
So wenig der Reichthum allein und an ſich zur Zu-
friedenheit und Glückſeligkeit des Menſchen beytragen
kann, ſo wenig iſt die Erwerbung deſſelben an einen

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[278/0290] Bey der Wahl der Lebensart Erfahrung und ohne Kenntniß der Welt einen Beruf wählen ſoll, der iſt in Gefahr, ſich vom äußern Schimmer blenden und vom falſchen Scheine täufchen zu laſſen. Ein Kind, das von dem Verſtande ſeiner Aeltern eine große Meinung hat und ſein ganzes Ver- trauen auf dieſelben ſetzet, ein Kind, das von dieſen einen gewiſſen Stand vor allen andern rühmen und anpreiſen höret, ſollte das noch Bedenken tragen, ſich dieſem Stande zu widmen und dem Rathe derer zu folgen, von denen es verſichert iſt, daß ſie ſein Glück wünſchen? Freylich ſollen und müſſen wir Aeltern die Freun- de und Rathgeber unſrer Kinder ſeyn und ihrer Uner- fahrenheit zu Hülfe kommen; freylich iſt es auch in dem gegenwärtigen Falle unſre Pflicht, daß wir unſer Kind bey einer ſo wichtigen Wahl leiten und ihm un- ſre Einſichten leihen. Es iſt nothwendig, daß wir ihm dieſen und jenen Beruf vorſchlagen und unſre Meinung mit Gründen unterſtützen. Aber wir müſ- ſen dieſes nur mit den rechten, mit vernünftigen Grün- den thun. Wir müſſen uns nicht ſelbſt von Vorur- theilen hintergehen und vom äuſſerlichen Glanze be- ſtechen laſſen, wenn wir andern den Weg zum Glücke zeigen wollen. Nie müſſen wir in dieſer Abſicht un- ſern Kindern blos deßwegen einen gewiſſen Stand em- pfehlen, weil man große Reichthümer in demſelben erwerben und ſich ein bequemes Leben verſchaffen kann. So wenig der Reichthum allein und an ſich zur Zu- friedenheit und Glückſeligkeit des Menſchen beytragen kann, ſo wenig iſt die Erwerbung deſſelben an einen einzigen

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/290>, abgerufen am 25.11.2024.