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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Ermunterung zur Lernbegierde.

Dank dir, o Gott, daß du mir die Pflicht
des Lernens durch ihre angenehmen Folgen so sehr ver-
süssest und erleichterst! Wie gern und willig kann ich
nun diese belohnende, freudegebende Pflicht erfüllen,
die auch, wenn sie schwerer und mit keinem Vergnügen
verbunden wäre, dennoch Pflicht für mich bleibe!
Daran erkenne ich deine Güte, die nichts von mir
verlangt, als was mir gut und nützlich ist. Dar-
aus sehe ich deine Vaterliebe, die mir den Weg, wel-
chen sie mich gehen heißt, mit lieblichen Blumen be-
streuet und mir denselben auf alle Art erleichtert. Ja,
dieser Weg ist der einzige, auf dem ich meine Bestim-
mung erreichen und künfrig das werden kann, was
alle gute und verständige Menschen geworden sind. Der
Unterricht, den man mir itzt ertheilt, ist so wichtig
und betrifft so ernsthafte und unentbehrliche Dinge,
daß ich mich gezwungen fühle, ihm meine ganze Auf-
merksamkeit zu schenken. O wie bedaure ich die
Unglücklichen, die desselben entbehren müssen, die
ohne Lehrer und Führer aufwachsen, die nichts von
allem dem hören, was mir so viele Freude bringt!
Wie kann ich es meinen lieben Aeltern gnugsam ver-
danken, daß sie für mich und meine Glückseligkeit so
große Sorge tragen, daß sie mir selbst ihre Kenntnisse
mittheilen und mir Lehrer geben, die meinen Unter-
richt zu ihrem Hauptgeschäffte machen!

O wie viel Gutes und Schönes habe ich nicht schon
durch ihre gemeinschafftlichen Bemühungen gelernt!
Wie ganz anders sehe ich schon itzt viele Dinge an
als sonst! Mit welchen andern Augen betrachte ich

jetzt
Ermunterung zur Lernbegierde.

Dank dir, o Gott, daß du mir die Pflicht
des Lernens durch ihre angenehmen Folgen ſo ſehr ver-
ſüſſeſt und erleichterſt! Wie gern und willig kann ich
nun dieſe belohnende, freudegebende Pflicht erfüllen,
die auch, wenn ſie ſchwerer und mit keinem Vergnügen
verbunden wäre, dennoch Pflicht für mich bleibe!
Daran erkenne ich deine Güte, die nichts von mir
verlangt, als was mir gut und nützlich iſt. Dar-
aus ſehe ich deine Vaterliebe, die mir den Weg, wel-
chen ſie mich gehen heißt, mit lieblichen Blumen be-
ſtreuet und mir denſelben auf alle Art erleichtert. Ja,
dieſer Weg iſt der einzige, auf dem ich meine Beſtim-
mung erreichen und künfrig das werden kann, was
alle gute und verſtändige Menſchen geworden ſind. Der
Unterricht, den man mir itzt ertheilt, iſt ſo wichtig
und betrifft ſo ernſthafte und unentbehrliche Dinge,
daß ich mich gezwungen fühle, ihm meine ganze Auf-
merkſamkeit zu ſchenken. O wie bedaure ich die
Unglücklichen, die deſſelben entbehren müſſen, die
ohne Lehrer und Führer aufwachſen, die nichts von
allem dem hören, was mir ſo viele Freude bringt!
Wie kann ich es meinen lieben Aeltern gnugſam ver-
danken, daß ſie für mich und meine Glückſeligkeit ſo
große Sorge tragen, daß ſie mir ſelbſt ihre Kenntniſſe
mittheilen und mir Lehrer geben, die meinen Unter-
richt zu ihrem Hauptgeſchäffte machen!

O wie viel Gutes und Schönes habe ich nicht ſchon
durch ihre gemeinſchafftlichen Bemühungen gelernt!
Wie ganz anders ſehe ich ſchon itzt viele Dinge an
als ſonſt! Mit welchen andern Augen betrachte ich

jetzt
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[16/0028] Ermunterung zur Lernbegierde. Dank dir, o Gott, daß du mir die Pflicht des Lernens durch ihre angenehmen Folgen ſo ſehr ver- ſüſſeſt und erleichterſt! Wie gern und willig kann ich nun dieſe belohnende, freudegebende Pflicht erfüllen, die auch, wenn ſie ſchwerer und mit keinem Vergnügen verbunden wäre, dennoch Pflicht für mich bleibe! Daran erkenne ich deine Güte, die nichts von mir verlangt, als was mir gut und nützlich iſt. Dar- aus ſehe ich deine Vaterliebe, die mir den Weg, wel- chen ſie mich gehen heißt, mit lieblichen Blumen be- ſtreuet und mir denſelben auf alle Art erleichtert. Ja, dieſer Weg iſt der einzige, auf dem ich meine Beſtim- mung erreichen und künfrig das werden kann, was alle gute und verſtändige Menſchen geworden ſind. Der Unterricht, den man mir itzt ertheilt, iſt ſo wichtig und betrifft ſo ernſthafte und unentbehrliche Dinge, daß ich mich gezwungen fühle, ihm meine ganze Auf- merkſamkeit zu ſchenken. O wie bedaure ich die Unglücklichen, die deſſelben entbehren müſſen, die ohne Lehrer und Führer aufwachſen, die nichts von allem dem hören, was mir ſo viele Freude bringt! Wie kann ich es meinen lieben Aeltern gnugſam ver- danken, daß ſie für mich und meine Glückſeligkeit ſo große Sorge tragen, daß ſie mir ſelbſt ihre Kenntniſſe mittheilen und mir Lehrer geben, die meinen Unter- richt zu ihrem Hauptgeſchäffte machen! O wie viel Gutes und Schönes habe ich nicht ſchon durch ihre gemeinſchafftlichen Bemühungen gelernt! Wie ganz anders ſehe ich ſchon itzt viele Dinge an als ſonſt! Mit welchen andern Augen betrachte ich jetzt

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/28>, abgerufen am 16.06.2024.