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Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788.

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Die Liebe.
erlauben, wo ich durch denselben mein Gewissen verletzen,
mein Glück und meine Ehre verlieren würde. Thöricht
wäre es von mir, das tiefe, innige Gefühl der Liebe
zu einem Gegenstande der Mode, der Eitelkeit, des
Leichtsinns zu erniedrigen und auf diesem falschen We-
ge das Ziel einer so herrlichen und erhabenen Bestim-
mung zu suchen. Thöricht wäre es von mir, durch
Zudringlichkeit, durch Eroberungssucht, oder durch ande-
re kleine und verächtliche Künste die Vortheile erringen
zu wollen, welche nur wahre, freywillige und tugendhafte
Liebe gewähren kann. O möchte ich diese Irrwege
nie betreten, die sich alle früher oder später, so oder
anders in Gefahr und Unglück verlieren! Möchte ich
es nie vergessen, daß jedes Glück, welches du mir
versprichst und von Ferne zeigst, nur auf geraden
und sichern Wegen gesucht und gefunden werden muß,
wenn es ein Glück für mich bleiben soll! Möchte ich
mir doch die höchsten und süssesten Freuden nicht durch
einen verbotenen und gewaltsamen Genuß verbittern,
der nur in gewissen Verhältnissen unschuldig und nur
in diesen mit dauerhaftem Vergnügen verbunden ist!

Ja wenn ich diese meine Verhältnisse und deine ge-
troffene Einrichtung in der Welt aus den Augen ver-
liere, so kann und wird mir auch die Liebe das nicht
leisten, was sie mir zu leisten verspricht. Ich verfehle
nicht nur dann, wenn ich die Tugend und Unschuld beleidi-
ge, meine Absicht. Ich verfehle sie auch, wenn ich oh-
ne Welt- und Menschenkenntniß hierbey zu Werke gehe,
wenn ich mich nicht von den Grundsätzen der Klugheit
und Erfahrung, sondern von den Täuschungen einer erhitz-

ten

Die Liebe.
erlauben, wo ich durch denſelben mein Gewiſſen verletzen,
mein Glück und meine Ehre verlieren würde. Thöricht
wäre es von mir, das tiefe, innige Gefühl der Liebe
zu einem Gegenſtande der Mode, der Eitelkeit, des
Leichtſinns zu erniedrigen und auf dieſem falſchen We-
ge das Ziel einer ſo herrlichen und erhabenen Beſtim-
mung zu ſuchen. Thöricht wäre es von mir, durch
Zudringlichkeit, durch Eroberungsſucht, oder durch ande-
re kleine und verächtliche Künſte die Vortheile erringen
zu wollen, welche nur wahre, freywillige und tugendhafte
Liebe gewähren kann. O möchte ich dieſe Irrwege
nie betreten, die ſich alle früher oder ſpäter, ſo oder
anders in Gefahr und Unglück verlieren! Möchte ich
es nie vergeſſen, daß jedes Glück, welches du mir
verſprichſt und von Ferne zeigſt, nur auf geraden
und ſichern Wegen geſucht und gefunden werden muß,
wenn es ein Glück für mich bleiben ſoll! Möchte ich
mir doch die höchſten und ſüſſeſten Freuden nicht durch
einen verbotenen und gewaltſamen Genuß verbittern,
der nur in gewiſſen Verhältniſſen unſchuldig und nur
in dieſen mit dauerhaftem Vergnügen verbunden iſt!

Ja wenn ich dieſe meine Verhältniſſe und deine ge-
troffene Einrichtung in der Welt aus den Augen ver-
liere, ſo kann und wird mir auch die Liebe das nicht
leiſten, was ſie mir zu leiſten verſpricht. Ich verfehle
nicht nur dann, wenn ich die Tugend und Unſchuld beleidi-
ge, meine Abſicht. Ich verfehle ſie auch, wenn ich oh-
ne Welt- und Menſchenkenntniß hierbey zu Werke gehe,
wenn ich mich nicht von den Grundſätzen der Klugheit
und Erfahrung, ſondern von den Täuſchungen einer erhitz-

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[107/0119] Die Liebe. erlauben, wo ich durch denſelben mein Gewiſſen verletzen, mein Glück und meine Ehre verlieren würde. Thöricht wäre es von mir, das tiefe, innige Gefühl der Liebe zu einem Gegenſtande der Mode, der Eitelkeit, des Leichtſinns zu erniedrigen und auf dieſem falſchen We- ge das Ziel einer ſo herrlichen und erhabenen Beſtim- mung zu ſuchen. Thöricht wäre es von mir, durch Zudringlichkeit, durch Eroberungsſucht, oder durch ande- re kleine und verächtliche Künſte die Vortheile erringen zu wollen, welche nur wahre, freywillige und tugendhafte Liebe gewähren kann. O möchte ich dieſe Irrwege nie betreten, die ſich alle früher oder ſpäter, ſo oder anders in Gefahr und Unglück verlieren! Möchte ich es nie vergeſſen, daß jedes Glück, welches du mir verſprichſt und von Ferne zeigſt, nur auf geraden und ſichern Wegen geſucht und gefunden werden muß, wenn es ein Glück für mich bleiben ſoll! Möchte ich mir doch die höchſten und ſüſſeſten Freuden nicht durch einen verbotenen und gewaltſamen Genuß verbittern, der nur in gewiſſen Verhältniſſen unſchuldig und nur in dieſen mit dauerhaftem Vergnügen verbunden iſt! Ja wenn ich dieſe meine Verhältniſſe und deine ge- troffene Einrichtung in der Welt aus den Augen ver- liere, ſo kann und wird mir auch die Liebe das nicht leiſten, was ſie mir zu leiſten verſpricht. Ich verfehle nicht nur dann, wenn ich die Tugend und Unſchuld beleidi- ge, meine Abſicht. Ich verfehle ſie auch, wenn ich oh- ne Welt- und Menſchenkenntniß hierbey zu Werke gehe, wenn ich mich nicht von den Grundſätzen der Klugheit und Erfahrung, ſondern von den Täuſchungen einer erhitz- ten

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Zitationshilfe: Marezoll, Johann Gottlob: Andachtsbuch für das weibliche Geschlecht vorzüglich für den aufgeklärten Theil desselben. Bd. 2. Leipzig, 1788, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marezoll_andachtsbuch02_1788/119>, abgerufen am 23.06.2024.