Fortschritt der Landwirthschaft trete meist erst hervor, wenn die- selbe zur Unternehmung geworden sei, so können wir hier den Satz umkehren und sagen, sie werde meist erst zur Unternehmung, wenn ihr die Mittel zum Fortschritt geboten seien. Ein gewisses Productionsgebiet wird freilich den Eigengeschäften immer blei- ben. Es beruht dieß theils in der Individualität und Dring- lichkeit gewisser Bedürfnisse, theils in der Füglichkeit, auch die unvermeidliche Mußezeit mancher Capitalien und Arbeitskräfte im Eigenbetriebe nutzbar zu machen, theils in ethischen Verhält- nissen, welche es wünschenswerth machen, einer Gemeinschaft des Lebens, wie z. B. der Familie, auch die Grundlage eines gemein- schaftlichen Wirthschaftsorganismus nicht zu entziehen. Und ebenso ist es nur natürlich, daß die meisten Unternehmungen zugleich für den eignen Bedarf der Unternehmer selbst an den Producten, die sie liefern, Eigengeschäfte sind. Im Allgemeinen aber wird sich, während sich der gesammte Productionskreis eines Volkes mehr und mehr erweitert, derjenige der Eigen- und der über- nehmenden Production relativ und absolut mehr und mehr ver- ringern, und zwar wird der Verlauf dabei in der Regel folgen- der sein. Im Anfang wird nahezu ausschließlich die Eigenpro- duction herrschen; allmälig findet man es vortheilhafter, zur Her- stellung gewisser Producte Andere zu veranlassen, welche dieselbe übernehmen; die regelmäßige Uebernahme gewisser Productionen wird nach und nach ein Gegenstand besonderer Vorbereitung und abgesonderten Berufs, es entstehen unvollkommene Unterneh- mungen; endlich gestalten sich aus diesen, Dank sei es nament- lich der Hülfe einer gesteigerten Capitalansammlung und ei- nes ausgebildeteren Creditwesens, vollkommene Untenehmungen. Insbesondere der letztere Uebergang charakterisirt eine entwickelte Volkswirthschaft. Auf den höchsten Entwickelungsstufen zeigt sich wohl auch ein Auseinanderfallen von Unternehmung und Pro-
Fortſchritt der Landwirthſchaft trete meiſt erſt hervor, wenn die- ſelbe zur Unternehmung geworden ſei, ſo koͤnnen wir hier den Satz umkehren und ſagen, ſie werde meiſt erſt zur Unternehmung, wenn ihr die Mittel zum Fortſchritt geboten ſeien. Ein gewiſſes Productionsgebiet wird freilich den Eigengeſchaͤften immer blei- ben. Es beruht dieß theils in der Individualitaͤt und Dring- lichkeit gewiſſer Beduͤrfniſſe, theils in der Fuͤglichkeit, auch die unvermeidliche Mußezeit mancher Capitalien und Arbeitskraͤfte im Eigenbetriebe nutzbar zu machen, theils in ethiſchen Verhaͤlt- niſſen, welche es wuͤnſchenswerth machen, einer Gemeinſchaft des Lebens, wie z. B. der Familie, auch die Grundlage eines gemein- ſchaftlichen Wirthſchaftsorganismus nicht zu entziehen. Und ebenſo iſt es nur natuͤrlich, daß die meiſten Unternehmungen zugleich fuͤr den eignen Bedarf der Unternehmer ſelbſt an den Producten, die ſie liefern, Eigengeſchaͤfte ſind. Im Allgemeinen aber wird ſich, waͤhrend ſich der geſammte Productionskreis eines Volkes mehr und mehr erweitert, derjenige der Eigen- und der uͤber- nehmenden Production relativ und abſolut mehr und mehr ver- ringern, und zwar wird der Verlauf dabei in der Regel folgen- der ſein. Im Anfang wird nahezu ausſchließlich die Eigenpro- duction herrſchen; allmaͤlig findet man es vortheilhafter, zur Her- ſtellung gewiſſer Producte Andere zu veranlaſſen, welche dieſelbe uͤbernehmen; die regelmaͤßige Uebernahme gewiſſer Productionen wird nach und nach ein Gegenſtand beſonderer Vorbereitung und abgeſonderten Berufs, es entſtehen unvollkommene Unterneh- mungen; endlich geſtalten ſich aus dieſen, Dank ſei es nament- lich der Huͤlfe einer geſteigerten Capitalanſammlung und ei- nes ausgebildeteren Creditweſens, vollkommene Untenehmungen. Insbeſondere der letztere Uebergang charakteriſirt eine entwickelte Volkswirthſchaft. Auf den hoͤchſten Entwickelungsſtufen zeigt ſich wohl auch ein Auseinanderfallen von Unternehmung und Pro-
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Fortſchritt der Landwirthſchaft trete meiſt erſt hervor, wenn die-
ſelbe zur Unternehmung geworden ſei, ſo koͤnnen wir hier den
Satz umkehren und ſagen, ſie werde meiſt erſt zur Unternehmung,
wenn ihr die Mittel zum Fortſchritt geboten ſeien. Ein gewiſſes
Productionsgebiet wird freilich den Eigengeſchaͤften immer blei-
ben. Es beruht dieß theils in der Individualitaͤt und Dring-
lichkeit gewiſſer Beduͤrfniſſe, theils in der Fuͤglichkeit, auch die
unvermeidliche Mußezeit mancher Capitalien und Arbeitskraͤfte
im Eigenbetriebe nutzbar zu machen, theils in ethiſchen Verhaͤlt-
niſſen, welche es wuͤnſchenswerth machen, einer Gemeinſchaft des
Lebens, wie z. B. der Familie, auch die Grundlage eines gemein-
ſchaftlichen Wirthſchaftsorganismus nicht zu entziehen. Und ebenſo
iſt es nur natuͤrlich, daß die meiſten Unternehmungen zugleich
fuͤr den eignen Bedarf der Unternehmer ſelbſt an den Producten,
die ſie liefern, Eigengeſchaͤfte ſind. Im Allgemeinen aber wird
ſich, waͤhrend ſich der geſammte Productionskreis eines Volkes
mehr und mehr erweitert, derjenige der Eigen- und der uͤber-
nehmenden Production relativ und abſolut mehr und mehr ver-
ringern, und zwar wird der Verlauf dabei in der Regel folgen-
der ſein. Im Anfang wird nahezu ausſchließlich die Eigenpro-
duction herrſchen; allmaͤlig findet man es vortheilhafter, zur Her-
ſtellung gewiſſer Producte Andere zu veranlaſſen, welche dieſelbe
uͤbernehmen; die regelmaͤßige Uebernahme gewiſſer Productionen
wird nach und nach ein Gegenſtand beſonderer Vorbereitung und
abgeſonderten Berufs, es entſtehen unvollkommene Unterneh-
mungen; endlich geſtalten ſich aus dieſen, Dank ſei es nament-
lich der Huͤlfe einer geſteigerten Capitalanſammlung und ei-
nes ausgebildeteren Creditweſens, vollkommene Untenehmungen.
Insbeſondere der letztere Uebergang charakteriſirt eine entwickelte
Volkswirthſchaft. Auf den hoͤchſten Entwickelungsſtufen zeigt ſich
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Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855/82>, abgerufen am 31.07.2024.
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