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Männling, Johann Christoph: Der Europæische Helicon, Oder Musen-Berg. Alten Stettin, 1704.

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Reg. 8 Bey-Worte/ so theils die Nothwendig-
keit/ theils die Zierde erfodert/ machen eine Sache/
davon man redet/ desto deutlicher und klährer/ e. g. die
schwartze Schwalbe/ das grüne Graß etc. und muß
sich ein Poet befleissigen alles durch ordentliche Epitheta
vorzustellen/ nicht aber Worte zur Unzeit setzen/ e. g.
Dein warmer Mund weiß meine Gluth zu kühlen/ da
das Bey Wort warm hier nicht recht angewendet
ist/ weil die Wärmde nicht kühlt etc. Denn das
sind Repugnantia, also muß man auch die Zeit/ darin
man schreibt/ betrachten/ e. g. im Lentzen sag ich
nicht: Das wüste/ rauhe Feld/ und hergegen im Win-
ter kan ich auch nicht sagen: Das Anumths-schwang-
re Feld. Weswegen Homerus vom Strabo höchst ge-
rühmt wird/ daß er allen Sachen sein gehöriges Epi-
theton
gegeben/ und zwar also/ das es auch warhaff-
tig gewesen.

Reg. 9. Aus einem Adjectivo und Substanti-
vo
kan leicht ein Phrasis erwachsen/ das geschicht
also: erstlich setz ich das Grund-Wort/ nach welchem
sich der Articul richtet/ wozu gefügt wird ein anstän-
diges Epitheton und Substantivum, wie Hr. Schottel. l.
2. th. 5. obs.
5. solches weiset. e. g. Mein Haupt-Wort
sey Bild/ vor welches ich noch ein Substantivum se-
tze/ nemlich Anmuth/ und vor beyde ein Adjectum,
schönes/ oder holdes/ und dann der Articul/ so heist
es: Ein holdes Anmuths-Bild/ oder/ der Anmuth
holdes Bild/ darzu füg ich ein Verbum e. g. vergnügt/
erfreut/ erqvickt/ und so wird es also lauten: Der
Anmuth holdes Bild vergnügt das Augen-Licht. Und

auf
D 5

Reg. 8 Bey-Worte/ ſo theils die Nothwendig-
keit/ theils die Zierde erfodert/ machen eine Sache/
davon man redet/ deſto deutlicher und klaͤhrer/ e. g. die
ſchwartze Schwalbe/ das gruͤne Graß etc. und muß
ſich ein Poet befleiſſigẽ alles durch ordentliche Epitheta
vorzuſtellen/ nicht aber Worte zur Unzeit ſetzen/ e. g.
Dein warmer Mund weiß meine Gluth zu kuͤhlen/ da
das Bey Wort warm hier nicht recht angewendet
iſt/ weil die Waͤrmde nicht kuͤhlt etc. Denn das
ſind Repugnantia, alſo muß man auch die Zeit/ darin
man ſchreibt/ betrachten/ e. g. im Lentzen ſag ich
nicht: Das wuͤſte/ rauhe Feld/ und hergegen im Win-
ter kan ich auch nicht ſagen: Das Anumths-ſchwang-
re Feld. Weswegen Homerus vom Strabo hoͤchſt ge-
ruͤhmt wird/ daß er allen Sachen ſein gehoͤriges Epi-
theton
gegeben/ und zwar alſo/ das es auch warhaff-
tig geweſen.

Reg. 9. Aus einem Adjectivo und Subſtanti-
vo
kan leicht ein Phraſis erwachſen/ das geſchicht
alſo: erſtlich ſetz ich das Grund-Wort/ nach welchem
ſich der Articul richtet/ wozu gefuͤgt wird ein anſtaͤn-
diges Epitheton und Subſtantivum, wie Hr. Schottel. l.
2. th. 5. obſ.
5. ſolches weiſet. e. g. Mein Haupt-Wort
ſey Bild/ vor welches ich noch ein Subſtantivum ſe-
tze/ nemlich Anmuth/ und vor beyde ein Adjectum,
ſchoͤnes/ oder holdes/ und dann der Articul/ ſo heiſt
es: Ein holdes Anmuths-Bild/ oder/ der Anmuth
holdes Bild/ darzu fuͤg ich ein Verbum e. g. vergnuͤgt/
erfreut/ erqvickt/ und ſo wird es alſo lauten: Der
Anmuth holdes Bild vergnuͤgt das Augen-Licht. Und

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[57/0069] Reg. 8 Bey-Worte/ ſo theils die Nothwendig- keit/ theils die Zierde erfodert/ machen eine Sache/ davon man redet/ deſto deutlicher und klaͤhrer/ e. g. die ſchwartze Schwalbe/ das gruͤne Graß etc. und muß ſich ein Poet befleiſſigẽ alles durch ordentliche Epitheta vorzuſtellen/ nicht aber Worte zur Unzeit ſetzen/ e. g. Dein warmer Mund weiß meine Gluth zu kuͤhlen/ da das Bey Wort warm hier nicht recht angewendet iſt/ weil die Waͤrmde nicht kuͤhlt etc. Denn das ſind Repugnantia, alſo muß man auch die Zeit/ darin man ſchreibt/ betrachten/ e. g. im Lentzen ſag ich nicht: Das wuͤſte/ rauhe Feld/ und hergegen im Win- ter kan ich auch nicht ſagen: Das Anumths-ſchwang- re Feld. Weswegen Homerus vom Strabo hoͤchſt ge- ruͤhmt wird/ daß er allen Sachen ſein gehoͤriges Epi- theton gegeben/ und zwar alſo/ das es auch warhaff- tig geweſen. Reg. 9. Aus einem Adjectivo und Subſtanti- vo kan leicht ein Phraſis erwachſen/ das geſchicht alſo: erſtlich ſetz ich das Grund-Wort/ nach welchem ſich der Articul richtet/ wozu gefuͤgt wird ein anſtaͤn- diges Epitheton und Subſtantivum, wie Hr. Schottel. l. 2. th. 5. obſ. 5. ſolches weiſet. e. g. Mein Haupt-Wort ſey Bild/ vor welches ich noch ein Subſtantivum ſe- tze/ nemlich Anmuth/ und vor beyde ein Adjectum, ſchoͤnes/ oder holdes/ und dann der Articul/ ſo heiſt es: Ein holdes Anmuths-Bild/ oder/ der Anmuth holdes Bild/ darzu fuͤg ich ein Verbum e. g. vergnuͤgt/ erfreut/ erqvickt/ und ſo wird es alſo lauten: Der Anmuth holdes Bild vergnuͤgt das Augen-Licht. Und auf D 5

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Zitationshilfe: Männling, Johann Christoph: Der Europæische Helicon, Oder Musen-Berg. Alten Stettin, 1704. , S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/maennling_helicon_1704/69>, abgerufen am 04.05.2024.