Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

Beziehungen der Mechanik zu andern Wissensgebieten.
Interesse mehr haben werden, wollen wir hier ver-
meiden. Auf keinen Fall ist es aber zu loben, wenn
Männer, angeblich aus Gerechtigkeit, insultirt werden,
die schon hochgeehrt und ruhig leben würden, wenn sie
nur ein Drittheil ihrer wirklichen Leistungen aufzu-
weisen hätten.

5. Wir wollen nun sehen, dass der weite Blick,
welcher sich im Satze der Erhaltung der Energie aus-
spricht, nicht der Mechanik eigenthümlich, sondern dass
er an das consequente und umfassende naturwissen-
schaftliche Denken überhaupt gebunden ist. Unsere
Naturwissenschaft besteht in der Nachbildung der That-
sachen in Gedanken oder in dem begrifflichen quanti-
tativen Ausdruck der Thatsachen. Die Nachbildungs-
anweisungen sind die Naturgesetze. In der Ueber-
zeugung, dass solche Nachbildungsanweisungen überhaupt
möglich sind, liegt das Causalgesetz. Das Causalgesetz
spricht die Abhängigkeit der Erscheinungen von-
einander aus
. Die besondere Betonung des Raumes
und der Zeit im Ausdruck des Causalgesetzes ist un-
nöthig, da alle Raum- und Zeitbeziehungen wieder auf
Abhängigkeit der Erscheinungen voneinander hinaus-
laufen.

Die Naturgesetze sind Gleichungen zwischen den
messbaren Elementen [a b g d] .... [o] der Erscheinungen.
Da die Natur veränderlich ist, so sind diese Gleichungen
stets in geringerer Anzahl vorhanden als die Elemente.

Verfügen wir über alle Werthe von [a b g d] ..., durch
welche z. B. die Werthe von [l m n] ... gegeben sind, so
können wir die Gruppe [a b g d] .... die Ursache, die
Gruppe [l m n] ... die Wirkung nennen. In diesem
Sinne können wir sagen, dass die Wirkung durch die
Ursache eindeutig bestimmt sei. Der Satz des zu-
reichenden Grundes, wie ihn z. B. Archimedes bei Ent-
wickelung der Hebelgesetze anwendet, sagt also nichts,
als dass die Wirkung durch eine Anzahl Umstände nicht
zugleich bestimmt und unbestimmt sein kann.

Stehen zwei Umstände [a] und [l] im Zusammenhang, so

Beziehungen der Mechanik zu andern Wissensgebieten.
Interesse mehr haben werden, wollen wir hier ver-
meiden. Auf keinen Fall ist es aber zu loben, wenn
Männer, angeblich aus Gerechtigkeit, insultirt werden,
die schon hochgeehrt und ruhig leben würden, wenn sie
nur ein Drittheil ihrer wirklichen Leistungen aufzu-
weisen hätten.

5. Wir wollen nun sehen, dass der weite Blick,
welcher sich im Satze der Erhaltung der Energie aus-
spricht, nicht der Mechanik eigenthümlich, sondern dass
er an das consequente und umfassende naturwissen-
schaftliche Denken überhaupt gebunden ist. Unsere
Naturwissenschaft besteht in der Nachbildung der That-
sachen in Gedanken oder in dem begrifflichen quanti-
tativen Ausdruck der Thatsachen. Die Nachbildungs-
anweisungen sind die Naturgesetze. In der Ueber-
zeugung, dass solche Nachbildungsanweisungen überhaupt
möglich sind, liegt das Causalgesetz. Das Causalgesetz
spricht die Abhängigkeit der Erscheinungen von-
einander aus
. Die besondere Betonung des Raumes
und der Zeit im Ausdruck des Causalgesetzes ist un-
nöthig, da alle Raum- und Zeitbeziehungen wieder auf
Abhängigkeit der Erscheinungen voneinander hinaus-
laufen.

Die Naturgesetze sind Gleichungen zwischen den
messbaren Elementen [α β γ δ] .... [ω] der Erscheinungen.
Da die Natur veränderlich ist, so sind diese Gleichungen
stets in geringerer Anzahl vorhanden als die Elemente.

Verfügen wir über alle Werthe von [α β γ δ] …, durch
welche z. B. die Werthe von [λ μ ν] … gegeben sind, so
können wir die Gruppe [α β γ δ] .... die Ursache, die
Gruppe [λ μ ν] … die Wirkung nennen. In diesem
Sinne können wir sagen, dass die Wirkung durch die
Ursache eindeutig bestimmt sei. Der Satz des zu-
reichenden Grundes, wie ihn z. B. Archimedes bei Ent-
wickelung der Hebelgesetze anwendet, sagt also nichts,
als dass die Wirkung durch eine Anzahl Umstände nicht
zugleich bestimmt und unbestimmt sein kann.

Stehen zwei Umstände [α] und [λ] im Zusammenhang, so

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0485" n="473"/><fw place="top" type="header">Beziehungen der Mechanik zu andern Wissensgebieten.</fw><lb/>
Interesse mehr haben werden, wollen wir hier ver-<lb/>
meiden. Auf keinen Fall ist es aber zu loben, wenn<lb/>
Männer, angeblich aus Gerechtigkeit, insultirt werden,<lb/>
die schon hochgeehrt und ruhig leben würden, wenn sie<lb/>
nur ein Drittheil ihrer wirklichen Leistungen aufzu-<lb/>
weisen hätten.</p><lb/>
          <p>5. Wir wollen nun sehen, dass der weite Blick,<lb/>
welcher sich im Satze der Erhaltung der Energie aus-<lb/>
spricht, nicht der Mechanik eigenthümlich, sondern dass<lb/>
er an das consequente und umfassende naturwissen-<lb/>
schaftliche Denken <hi rendition="#g">überhaupt</hi> gebunden ist. Unsere<lb/>
Naturwissenschaft besteht in der Nachbildung der That-<lb/>
sachen in Gedanken oder in dem begrifflichen quanti-<lb/>
tativen Ausdruck der Thatsachen. Die Nachbildungs-<lb/>
anweisungen sind die Naturgesetze. In der Ueber-<lb/>
zeugung, dass solche Nachbildungsanweisungen überhaupt<lb/>
möglich sind, liegt das Causalgesetz. Das Causalgesetz<lb/>
spricht die <hi rendition="#g">Abhängigkeit der Erscheinungen von-<lb/>
einander aus</hi>. Die besondere Betonung des Raumes<lb/>
und der Zeit im Ausdruck des Causalgesetzes ist un-<lb/>
nöthig, da alle Raum- und Zeitbeziehungen wieder auf<lb/>
Abhängigkeit der Erscheinungen voneinander hinaus-<lb/>
laufen.</p><lb/>
          <p>Die Naturgesetze sind Gleichungen zwischen den<lb/>
messbaren Elementen <supplied>&#x03B1; &#x03B2; &#x03B3; &#x03B4;</supplied> .... <supplied>&#x03C9;</supplied> der Erscheinungen.<lb/>
Da die Natur veränderlich ist, so sind diese Gleichungen<lb/>
stets in geringerer Anzahl vorhanden als die Elemente.</p><lb/>
          <p>Verfügen wir über <hi rendition="#g">alle</hi> Werthe von <supplied>&#x03B1; &#x03B2; &#x03B3; &#x03B4;</supplied> &#x2026;, durch<lb/>
welche z. B. die Werthe von <supplied>&#x03BB; &#x03BC; &#x03BD;</supplied> &#x2026; gegeben sind, so<lb/>
können wir die Gruppe <supplied>&#x03B1; &#x03B2; &#x03B3; &#x03B4;</supplied> .... die Ursache, die<lb/>
Gruppe <supplied>&#x03BB; &#x03BC; &#x03BD;</supplied> &#x2026; die Wirkung nennen. In diesem<lb/>
Sinne können wir sagen, dass die Wirkung durch die<lb/>
Ursache eindeutig bestimmt sei. Der Satz des zu-<lb/>
reichenden Grundes, wie ihn z. B. Archimedes bei Ent-<lb/>
wickelung der Hebelgesetze anwendet, sagt also nichts,<lb/>
als dass die Wirkung durch eine Anzahl Umstände nicht<lb/><hi rendition="#g">zugleich</hi> bestimmt und unbestimmt sein kann.</p><lb/>
          <p>Stehen zwei Umstände <supplied>&#x03B1;</supplied> und <supplied>&#x03BB;</supplied> im Zusammenhang, so<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[473/0485] Beziehungen der Mechanik zu andern Wissensgebieten. Interesse mehr haben werden, wollen wir hier ver- meiden. Auf keinen Fall ist es aber zu loben, wenn Männer, angeblich aus Gerechtigkeit, insultirt werden, die schon hochgeehrt und ruhig leben würden, wenn sie nur ein Drittheil ihrer wirklichen Leistungen aufzu- weisen hätten. 5. Wir wollen nun sehen, dass der weite Blick, welcher sich im Satze der Erhaltung der Energie aus- spricht, nicht der Mechanik eigenthümlich, sondern dass er an das consequente und umfassende naturwissen- schaftliche Denken überhaupt gebunden ist. Unsere Naturwissenschaft besteht in der Nachbildung der That- sachen in Gedanken oder in dem begrifflichen quanti- tativen Ausdruck der Thatsachen. Die Nachbildungs- anweisungen sind die Naturgesetze. In der Ueber- zeugung, dass solche Nachbildungsanweisungen überhaupt möglich sind, liegt das Causalgesetz. Das Causalgesetz spricht die Abhängigkeit der Erscheinungen von- einander aus. Die besondere Betonung des Raumes und der Zeit im Ausdruck des Causalgesetzes ist un- nöthig, da alle Raum- und Zeitbeziehungen wieder auf Abhängigkeit der Erscheinungen voneinander hinaus- laufen. Die Naturgesetze sind Gleichungen zwischen den messbaren Elementen α β γ δ .... ω der Erscheinungen. Da die Natur veränderlich ist, so sind diese Gleichungen stets in geringerer Anzahl vorhanden als die Elemente. Verfügen wir über alle Werthe von α β γ δ …, durch welche z. B. die Werthe von λ μ ν … gegeben sind, so können wir die Gruppe α β γ δ .... die Ursache, die Gruppe λ μ ν … die Wirkung nennen. In diesem Sinne können wir sagen, dass die Wirkung durch die Ursache eindeutig bestimmt sei. Der Satz des zu- reichenden Grundes, wie ihn z. B. Archimedes bei Ent- wickelung der Hebelgesetze anwendet, sagt also nichts, als dass die Wirkung durch eine Anzahl Umstände nicht zugleich bestimmt und unbestimmt sein kann. Stehen zwei Umstände α und λ im Zusammenhang, so

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/485
Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/485>, abgerufen am 23.11.2024.