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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Die weitere Verwendung der Principien u. s. w.

Wir wollen nun das Beispiel ein wenig modificiren.
Die Kräfte seien nun X=--y, Y=--a, wobei a
einen constanten Werth hat. Es gibt jetzt keine
Function U von der Beschaffenheit, dass [Formel 1]
und [Formel 2] wäre, denn hierzu müsste [Formel 3]
sein, was augenscheinlich nicht zutrifft. Es gibt also
keine Kraftfunction und auch keine Niveauflächen.
Führt man die Masseneinheit von r über p nach O, so
ist die geleistete Arbeit axOq. Findet die Ueber-
führung auf dem Wege rqO statt, so ist hingegen die
Arbeit axOq+OpxOq. Wäre der Kanal OprqO
mit Flüssigkeit erfüllt, so könnte dieselbe nicht im
Gleichgewicht sein, sondern müsste in dem Sinne OprqO
fortwährend rotiren. Derartige in sich zurücklaufende
und endlos fortbestehende Ströme erscheinen uns als
etwas unserer Erfahrung durchaus Fremdes. Hiermit
ist aber die Aufmerksamkeit auf eine wichtige Eigen-
schaft
der Naturkräfte geleitet, auf die Eigenschaft
nämlich, dass die von denselben geleistete Arbeit als
eine Function der Coordinaten dargestellt werden kann.
Wo wir Ausnahmen von diesem Satz bemerken, sind
wir geneigt dieselben für scheinbare zu halten, und sind
bemüht, uns dieselben aufzuklären.

12. Wir betrachten nun einige Fälle der Flüssig-
keitsbewegung
. Der Begründer der Lehre von der-
selben ist Torricelli. Durch Beobachtung der aus der
Bodenöffnung eines Gefässes ausfliessenden Flüssig-
keit fand er folgenden Satz. Wenn man die Zeit
der Entleerung eines Gefässes in n gleiche Theile
theilt, und die in dem letzten (n)ten Theile ausgeflossene
Menge als Einheit annimmt, so fliesst in dem (n--1)ten
(n--2)ten, (n--3)ten u. s. w. Theil beziehungsweise die
Menge 3, 5, 7 u. s. w. aus. Die Aehnlichkeit zwischen
der Fallbewegung und der Flüssigkeitsbewegung tritt bei
dieser Beobachtung klar hervor. Nun bietet sich leicht

Die weitere Verwendung der Principien u. s. w.

Wir wollen nun das Beispiel ein wenig modificiren.
Die Kräfte seien nun X=—y, Y=—a, wobei a
einen constanten Werth hat. Es gibt jetzt keine
Function U von der Beschaffenheit, dass [Formel 1]
und [Formel 2] wäre, denn hierzu müsste [Formel 3]
sein, was augenscheinlich nicht zutrifft. Es gibt also
keine Kraftfunction und auch keine Niveauflächen.
Führt man die Masseneinheit von r über p nach O, so
ist die geleistete Arbeit a×Oq. Findet die Ueber-
führung auf dem Wege rqO statt, so ist hingegen die
Arbeit a×Oq+Op×Oq. Wäre der Kanal OprqO
mit Flüssigkeit erfüllt, so könnte dieselbe nicht im
Gleichgewicht sein, sondern müsste in dem Sinne OprqO
fortwährend rotiren. Derartige in sich zurücklaufende
und endlos fortbestehende Ströme erscheinen uns als
etwas unserer Erfahrung durchaus Fremdes. Hiermit
ist aber die Aufmerksamkeit auf eine wichtige Eigen-
schaft
der Naturkräfte geleitet, auf die Eigenschaft
nämlich, dass die von denselben geleistete Arbeit als
eine Function der Coordinaten dargestellt werden kann.
Wo wir Ausnahmen von diesem Satz bemerken, sind
wir geneigt dieselben für scheinbare zu halten, und sind
bemüht, uns dieselben aufzuklären.

12. Wir betrachten nun einige Fälle der Flüssig-
keitsbewegung
. Der Begründer der Lehre von der-
selben ist Torricelli. Durch Beobachtung der aus der
Bodenöffnung eines Gefässes ausfliessenden Flüssig-
keit fand er folgenden Satz. Wenn man die Zeit
der Entleerung eines Gefässes in n gleiche Theile
theilt, und die in dem letzten (n)ten Theile ausgeflossene
Menge als Einheit annimmt, so fliesst in dem (n—1)ten
(n—2)ten, (n—3)ten u. s. w. Theil beziehungsweise die
Menge 3, 5, 7 u. s. w. aus. Die Aehnlichkeit zwischen
der Fallbewegung und der Flüssigkeitsbewegung tritt bei
dieser Beobachtung klar hervor. Nun bietet sich leicht

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[377/0389] Die weitere Verwendung der Principien u. s. w. Wir wollen nun das Beispiel ein wenig modificiren. Die Kräfte seien nun X=—y, Y=—a, wobei a einen constanten Werth hat. Es gibt jetzt keine Function U von der Beschaffenheit, dass [FORMEL] und [FORMEL] wäre, denn hierzu müsste [FORMEL] sein, was augenscheinlich nicht zutrifft. Es gibt also keine Kraftfunction und auch keine Niveauflächen. Führt man die Masseneinheit von r über p nach O, so ist die geleistete Arbeit a×Oq. Findet die Ueber- führung auf dem Wege rqO statt, so ist hingegen die Arbeit a×Oq+Op×Oq. Wäre der Kanal OprqO mit Flüssigkeit erfüllt, so könnte dieselbe nicht im Gleichgewicht sein, sondern müsste in dem Sinne OprqO fortwährend rotiren. Derartige in sich zurücklaufende und endlos fortbestehende Ströme erscheinen uns als etwas unserer Erfahrung durchaus Fremdes. Hiermit ist aber die Aufmerksamkeit auf eine wichtige Eigen- schaft der Naturkräfte geleitet, auf die Eigenschaft nämlich, dass die von denselben geleistete Arbeit als eine Function der Coordinaten dargestellt werden kann. Wo wir Ausnahmen von diesem Satz bemerken, sind wir geneigt dieselben für scheinbare zu halten, und sind bemüht, uns dieselben aufzuklären. 12. Wir betrachten nun einige Fälle der Flüssig- keitsbewegung. Der Begründer der Lehre von der- selben ist Torricelli. Durch Beobachtung der aus der Bodenöffnung eines Gefässes ausfliessenden Flüssig- keit fand er folgenden Satz. Wenn man die Zeit der Entleerung eines Gefässes in n gleiche Theile theilt, und die in dem letzten (n)ten Theile ausgeflossene Menge als Einheit annimmt, so fliesst in dem (n—1)ten (n—2)ten, (n—3)ten u. s. w. Theil beziehungsweise die Menge 3, 5, 7 u. s. w. aus. Die Aehnlichkeit zwischen der Fallbewegung und der Flüssigkeitsbewegung tritt bei dieser Beobachtung klar hervor. Nun bietet sich leicht

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/389>, abgerufen am 23.11.2024.