Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Kapitel.
Rades im Sinne des Uhrzeigers (bei tieferm Eintauchen
der Batterie) bringt aber einen Zeigerausschlag in ent-
gegengesetztem Sinne mit sich, und jede Verzögerung
den umgekehrten Ausschlag.

Eine schöne und eigenthümliche Erscheinung tritt
auf, wenn man am frei drehbaren Motor den Strom
unterbricht. Rad und Motor setzen zunächst ihre Gegen-
bewegung fort. Bald wird aber die Wirkung der Reibung
merklich, es tritt nach und nach relative Ruhe der Motor-
theile gegeneinander ein. Hierbei sieht man nun die
Bewegung des Motorkörpers langsamer werden, einen
Augenblick innehalten, und schliesslich, wenn die rela-
tive Ruhe eingetreten ist, den Sinn der ursprünglichen
Radbewegung annehmen, also gänzlich umkehren. Der
ganze Motor rotirt dann so, wie anfänglich das Rad
sich bewegte. Die Erklärung der Erscheinung liegt
nahe. Der Motor ist kein vollkommen freies System,
er wird durch die Axenreibung behindert. An einem
vollkommen freien System müsste die Flächenraumsumme,
sobald die Theile wieder in relative Ruhe treten, so-
fort wieder = o sein. Hier wirkt aber noch die Axen-
reibung als äussere Kraft. Die Reibung an der Rad-
axe vermindert die Flächenraumsumme des Rades und
Körpers in gleicher Weise. Die Reibung an der Kör-
peraxe vermindert aber nur die Flächenraumsumme des
Körpers. Das Rad behält also eine überschüssige
Flächenraumsumme, welche bei relativer Ruhe der Theile
an dem ganzen Motor sichtbar wird. Der ganze Vor-
gang bei Unterbrechung des Stromes bietet ein Bild
desjenigen, welcher nach Voraussetzuug der Astronomen
am Monde eingetreten ist. Die von der Erde erregte
Flutwelle hat durch Reibung die Rotationsgeschwindig-
keit des Mondes derart verkleinert, dass der Mondtag
zur Dauer eines Monats angewachsen ist. Das Schwung-
rad stellt die durch die Flut bewegte Flüssigkeits-
masse vor.

Ein anderes Beispiel für das Flächengesetz bieten
die Reactionsräder dar. Wenn durch das Rädchen

Drittes Kapitel.
Rades im Sinne des Uhrzeigers (bei tieferm Eintauchen
der Batterie) bringt aber einen Zeigerausschlag in ent-
gegengesetztem Sinne mit sich, und jede Verzögerung
den umgekehrten Ausschlag.

Eine schöne und eigenthümliche Erscheinung tritt
auf, wenn man am frei drehbaren Motor den Strom
unterbricht. Rad und Motor setzen zunächst ihre Gegen-
bewegung fort. Bald wird aber die Wirkung der Reibung
merklich, es tritt nach und nach relative Ruhe der Motor-
theile gegeneinander ein. Hierbei sieht man nun die
Bewegung des Motorkörpers langsamer werden, einen
Augenblick innehalten, und schliesslich, wenn die rela-
tive Ruhe eingetreten ist, den Sinn der ursprünglichen
Radbewegung annehmen, also gänzlich umkehren. Der
ganze Motor rotirt dann so, wie anfänglich das Rad
sich bewegte. Die Erklärung der Erscheinung liegt
nahe. Der Motor ist kein vollkommen freies System,
er wird durch die Axenreibung behindert. An einem
vollkommen freien System müsste die Flächenraumsumme,
sobald die Theile wieder in relative Ruhe treten, so-
fort wieder = o sein. Hier wirkt aber noch die Axen-
reibung als äussere Kraft. Die Reibung an der Rad-
axe vermindert die Flächenraumsumme des Rades und
Körpers in gleicher Weise. Die Reibung an der Kör-
peraxe vermindert aber nur die Flächenraumsumme des
Körpers. Das Rad behält also eine überschüssige
Flächenraumsumme, welche bei relativer Ruhe der Theile
an dem ganzen Motor sichtbar wird. Der ganze Vor-
gang bei Unterbrechung des Stromes bietet ein Bild
desjenigen, welcher nach Voraussetzuug der Astronomen
am Monde eingetreten ist. Die von der Erde erregte
Flutwelle hat durch Reibung die Rotationsgeschwindig-
keit des Mondes derart verkleinert, dass der Mondtag
zur Dauer eines Monats angewachsen ist. Das Schwung-
rad stellt die durch die Flut bewegte Flüssigkeits-
masse vor.

Ein anderes Beispiel für das Flächengesetz bieten
die Reactionsräder dar. Wenn durch das Rädchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0288" n="276"/><fw place="top" type="header">Drittes Kapitel.</fw><lb/>
Rades im Sinne des Uhrzeigers (bei tieferm Eintauchen<lb/>
der Batterie) bringt aber einen Zeigerausschlag in ent-<lb/>
gegengesetztem Sinne mit sich, und jede Verzögerung<lb/>
den umgekehrten Ausschlag.</p><lb/>
          <p>Eine schöne und eigenthümliche Erscheinung tritt<lb/>
auf, wenn man am frei drehbaren Motor den Strom<lb/>
unterbricht. Rad und Motor setzen zunächst ihre Gegen-<lb/>
bewegung fort. Bald wird aber die Wirkung der Reibung<lb/>
merklich, es tritt nach und nach relative Ruhe der Motor-<lb/>
theile gegeneinander ein. Hierbei sieht man nun die<lb/>
Bewegung des Motorkörpers langsamer werden, einen<lb/>
Augenblick innehalten, und schliesslich, wenn die rela-<lb/>
tive Ruhe eingetreten ist, den Sinn der ursprünglichen<lb/>
Radbewegung annehmen, also gänzlich umkehren. Der<lb/><hi rendition="#g">ganze</hi> Motor rotirt dann so, wie anfänglich das Rad<lb/>
sich bewegte. Die Erklärung der Erscheinung liegt<lb/>
nahe. Der Motor ist kein <hi rendition="#g">vollkommen</hi> freies System,<lb/>
er wird durch die Axenreibung behindert. An einem<lb/>
vollkommen freien System müsste die Flächenraumsumme,<lb/>
sobald die Theile wieder in relative Ruhe treten, so-<lb/>
fort wieder = <hi rendition="#i">o</hi> sein. Hier wirkt aber noch die Axen-<lb/>
reibung als äussere Kraft. Die Reibung an der Rad-<lb/>
axe vermindert die Flächenraumsumme des Rades und<lb/>
Körpers in gleicher Weise. Die Reibung an der Kör-<lb/>
peraxe vermindert aber nur die Flächenraumsumme des<lb/>
Körpers. Das Rad behält also eine überschüssige<lb/>
Flächenraumsumme, welche bei relativer Ruhe der Theile<lb/>
an dem ganzen Motor sichtbar wird. Der ganze Vor-<lb/>
gang bei Unterbrechung des Stromes bietet ein Bild<lb/>
desjenigen, welcher nach Voraussetzuug der Astronomen<lb/>
am Monde eingetreten ist. Die von der Erde erregte<lb/>
Flutwelle hat durch Reibung die Rotationsgeschwindig-<lb/>
keit des Mondes derart verkleinert, dass der Mondtag<lb/>
zur Dauer eines Monats angewachsen ist. Das Schwung-<lb/>
rad stellt die durch die Flut bewegte Flüssigkeits-<lb/>
masse vor.</p><lb/>
          <p>Ein anderes Beispiel für das Flächengesetz bieten<lb/>
die <hi rendition="#g">Reactionsräder</hi> dar. Wenn durch das Rädchen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0288] Drittes Kapitel. Rades im Sinne des Uhrzeigers (bei tieferm Eintauchen der Batterie) bringt aber einen Zeigerausschlag in ent- gegengesetztem Sinne mit sich, und jede Verzögerung den umgekehrten Ausschlag. Eine schöne und eigenthümliche Erscheinung tritt auf, wenn man am frei drehbaren Motor den Strom unterbricht. Rad und Motor setzen zunächst ihre Gegen- bewegung fort. Bald wird aber die Wirkung der Reibung merklich, es tritt nach und nach relative Ruhe der Motor- theile gegeneinander ein. Hierbei sieht man nun die Bewegung des Motorkörpers langsamer werden, einen Augenblick innehalten, und schliesslich, wenn die rela- tive Ruhe eingetreten ist, den Sinn der ursprünglichen Radbewegung annehmen, also gänzlich umkehren. Der ganze Motor rotirt dann so, wie anfänglich das Rad sich bewegte. Die Erklärung der Erscheinung liegt nahe. Der Motor ist kein vollkommen freies System, er wird durch die Axenreibung behindert. An einem vollkommen freien System müsste die Flächenraumsumme, sobald die Theile wieder in relative Ruhe treten, so- fort wieder = o sein. Hier wirkt aber noch die Axen- reibung als äussere Kraft. Die Reibung an der Rad- axe vermindert die Flächenraumsumme des Rades und Körpers in gleicher Weise. Die Reibung an der Kör- peraxe vermindert aber nur die Flächenraumsumme des Körpers. Das Rad behält also eine überschüssige Flächenraumsumme, welche bei relativer Ruhe der Theile an dem ganzen Motor sichtbar wird. Der ganze Vor- gang bei Unterbrechung des Stromes bietet ein Bild desjenigen, welcher nach Voraussetzuug der Astronomen am Monde eingetreten ist. Die von der Erde erregte Flutwelle hat durch Reibung die Rotationsgeschwindig- keit des Mondes derart verkleinert, dass der Mondtag zur Dauer eines Monats angewachsen ist. Das Schwung- rad stellt die durch die Flut bewegte Flüssigkeits- masse vor. Ein anderes Beispiel für das Flächengesetz bieten die Reactionsräder dar. Wenn durch das Rädchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/288
Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/288>, abgerufen am 12.05.2024.