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Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.

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Zweites Kapitel.
kann. Der Zusammenhang des Flutphänomens mit
der Mondbewegung äussert sich durch die Ueberein-
stimmung der Flutperiode mit der Mondperiode, durch
die Verstärkung der Flut beim Vollmond und Neumond,
durch die tägliche Flutverspätung (um 50 Minuten) ent-
sprechend der Verspätung der Mondculmination u. s. w.
In der That hat man schon sehr früh an einen Zu-
sammenhang beider Vorgänge gedacht. Man stellte sich
in der Newton'schen Zeit eine Art Luftdruckwelle vor,
mit Hülfe welcher der Mond bei seiner Bewegung die
Flutwelle erregen sollte.

Das Flutphänomen macht auf jeden, der es zum
ersten mal in seiner ganzen Grösse beobachtet, einen
überwältigenden Eindruck. Wir dürfen uns also nicht
wundern, dass es die Forscher aller Zeiten lebhaft be-
schäftigt hat. Die Krieger Alexander's des Grossen
kannten vom Mittelmeer her kaum einen Schatten des
Flutphänomens, und wurden daher durch die gewaltige
Flut an der Mündung des Indus nicht wenig über-
rascht, wie wir dies aus der Beschreibung des Curtius Ru-
fus
("Von den Thaten Alexander's des Grossen", Lib. IX,
Cap. 34--37) entnehmen, die wir hier wörtlich folgen
lassen.

"34. Als sie nun etwas langsamer, weil sie in ihrem
Laufe durch die Meeresflut zurückgetrieben wurden, eine
andere mitten im Strome gelegene Insel erreichten, so
legten sie mit der Flotte an und zerstreuten sich, um
Proviant zu suchen, ohne Ahnung von dem Ereigniss,
dass die Unkundigen überraschte.

"35. Es war um die dritte Stunde, als der Ocean
mit seinem stetigen Flutwechsel anzurücken und den
Fluss zurückzudrängen begann. Erst gestaut, dann
heftiger zurückgetrieben, strömte dieser mit grösserer
Gewalt nach entgegengesetzter Richtung, als Giessbäche
im abschüssigen Bette einherschiessen. Der Menge war
die Natur des Meeres unbekannt, und man glaubte ein
Wunder und ein Zeichen des göttlichen Zornes zu sehen.
Mit immer erneutem Andrange ergoss sich das Meer

Zweites Kapitel.
kann. Der Zusammenhang des Flutphänomens mit
der Mondbewegung äussert sich durch die Ueberein-
stimmung der Flutperiode mit der Mondperiode, durch
die Verstärkung der Flut beim Vollmond und Neumond,
durch die tägliche Flutverspätung (um 50 Minuten) ent-
sprechend der Verspätung der Mondculmination u. s. w.
In der That hat man schon sehr früh an einen Zu-
sammenhang beider Vorgänge gedacht. Man stellte sich
in der Newton’schen Zeit eine Art Luftdruckwelle vor,
mit Hülfe welcher der Mond bei seiner Bewegung die
Flutwelle erregen sollte.

Das Flutphänomen macht auf jeden, der es zum
ersten mal in seiner ganzen Grösse beobachtet, einen
überwältigenden Eindruck. Wir dürfen uns also nicht
wundern, dass es die Forscher aller Zeiten lebhaft be-
schäftigt hat. Die Krieger Alexander’s des Grossen
kannten vom Mittelmeer her kaum einen Schatten des
Flutphänomens, und wurden daher durch die gewaltige
Flut an der Mündung des Indus nicht wenig über-
rascht, wie wir dies aus der Beschreibung des Curtius Ru-
fus
(„Von den Thaten Alexander’s des Grossen‟, Lib. IX,
Cap. 34—37) entnehmen, die wir hier wörtlich folgen
lassen.

„34. Als sie nun etwas langsamer, weil sie in ihrem
Laufe durch die Meeresflut zurückgetrieben wurden, eine
andere mitten im Strome gelegene Insel erreichten, so
legten sie mit der Flotte an und zerstreuten sich, um
Proviant zu suchen, ohne Ahnung von dem Ereigniss,
dass die Unkundigen überraschte.

„35. Es war um die dritte Stunde, als der Ocean
mit seinem stetigen Flutwechsel anzurücken und den
Fluss zurückzudrängen begann. Erst gestaut, dann
heftiger zurückgetrieben, strömte dieser mit grösserer
Gewalt nach entgegengesetzter Richtung, als Giessbäche
im abschüssigen Bette einherschiessen. Der Menge war
die Natur des Meeres unbekannt, und man glaubte ein
Wunder und ein Zeichen des göttlichen Zornes zu sehen.
Mit immer erneutem Andrange ergoss sich das Meer

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[196/0208] Zweites Kapitel. kann. Der Zusammenhang des Flutphänomens mit der Mondbewegung äussert sich durch die Ueberein- stimmung der Flutperiode mit der Mondperiode, durch die Verstärkung der Flut beim Vollmond und Neumond, durch die tägliche Flutverspätung (um 50 Minuten) ent- sprechend der Verspätung der Mondculmination u. s. w. In der That hat man schon sehr früh an einen Zu- sammenhang beider Vorgänge gedacht. Man stellte sich in der Newton’schen Zeit eine Art Luftdruckwelle vor, mit Hülfe welcher der Mond bei seiner Bewegung die Flutwelle erregen sollte. Das Flutphänomen macht auf jeden, der es zum ersten mal in seiner ganzen Grösse beobachtet, einen überwältigenden Eindruck. Wir dürfen uns also nicht wundern, dass es die Forscher aller Zeiten lebhaft be- schäftigt hat. Die Krieger Alexander’s des Grossen kannten vom Mittelmeer her kaum einen Schatten des Flutphänomens, und wurden daher durch die gewaltige Flut an der Mündung des Indus nicht wenig über- rascht, wie wir dies aus der Beschreibung des Curtius Ru- fus („Von den Thaten Alexander’s des Grossen‟, Lib. IX, Cap. 34—37) entnehmen, die wir hier wörtlich folgen lassen. „34. Als sie nun etwas langsamer, weil sie in ihrem Laufe durch die Meeresflut zurückgetrieben wurden, eine andere mitten im Strome gelegene Insel erreichten, so legten sie mit der Flotte an und zerstreuten sich, um Proviant zu suchen, ohne Ahnung von dem Ereigniss, dass die Unkundigen überraschte. „35. Es war um die dritte Stunde, als der Ocean mit seinem stetigen Flutwechsel anzurücken und den Fluss zurückzudrängen begann. Erst gestaut, dann heftiger zurückgetrieben, strömte dieser mit grösserer Gewalt nach entgegengesetzter Richtung, als Giessbäche im abschüssigen Bette einherschiessen. Der Menge war die Natur des Meeres unbekannt, und man glaubte ein Wunder und ein Zeichen des göttlichen Zornes zu sehen. Mit immer erneutem Andrange ergoss sich das Meer

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Zitationshilfe: Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mach_mechanik_1883/208>, abgerufen am 23.11.2024.