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Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674.

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Die erste Betrachtung.


Seele. Hast du was in der Welt/ das die Welt
lieben könte/ must du es doch nicht groß lieben/
sondern verachten können; Sihe/ es ist unter
dem allen nichts so köstlich als deine Seele/ denn
es alles unter deiner Seele gesetzet ist. Uber
sich hat deine Seele GOtt/ unter sich/ was in
dieser Welt erschaffen. Die Seele schwebet
in der Mitten/ und hat die Ordnung von ihrem
Schöpffer empfangen/ daß sie dem Obern an-
hange/ und was unter ihr ist/ beherrsche. Wei-
chet sie von dem Obern/ und hanget dem an/ das
unter ihr ist/ so setzet sie sich selbsten auß ihrer
Würde und geräth hralles zur Schmach und
Schande. Darum liebe und lobe deinen Gott/
das andere/ wenn du es hast/ besitze also/ daß du
ein HErr darüber seyst/ aber nicht also/ daß es
dich einnehme. Es ist zwar viel im Himmel
und auff Erden/ darüber Menschen-Kinder sich
verwundern/ und es rühmen. Da gedencke du
aber/ wie hoch der zu loben/ von welchem alles
das herkommet/ das die Menschen in der Welt
loben. Findest du nun etwas lobens werth in
den Creaturen/ so lobe in den Creaturen deinen
GOTT.

Woher unser Gebet und Lob-Gesang fliessen
soll/ wissen wir gar wohl/ aber nicht gar wohl
können wirs üben. Unser Psalm spricht: Lo-

be

Die erſte Betrachtung.


Seele. Haſt du was in der Welt/ das die Welt
lieben könte/ muſt du es doch nicht groß lieben/
ſondern verachten können; Sihe/ es iſt unter
dem allen nichts ſo köſtlich als deine Seele/ denn
es alles unter deiner Seele geſetzet iſt. Uber
ſich hat deine Seele GOtt/ unter ſich/ was in
dieſer Welt erſchaffen. Die Seele ſchwebet
in der Mitten/ und hat die Ordnung von ihrem
Schöpffer empfangen/ daß ſie dem Obern an-
hange/ und was unter ihr iſt/ beherrſche. Wei-
chet ſie von dem Obern/ und hanget dem an/ das
unter ihr iſt/ ſo ſetzet ſie ſich ſelbſten auß ihrer
Würde und geräth hralles zur Schmach und
Schande. Darum liebe und lobe deinen Gott/
das andere/ wenn du es haſt/ beſitze alſo/ daß du
ein HErr darüber ſeyſt/ aber nicht alſo/ daß es
dich einnehme. Es iſt zwar viel im Himmel
und auff Erden/ darüber Menſchen-Kinder ſich
verwundern/ und es rühmen. Da gedencke du
aber/ wie hoch der zu loben/ von welchem alles
das herkommet/ das die Menſchen in der Welt
loben. Findeſt du nun etwas lobens werth in
den Creaturen/ ſo lobe in den Creaturen deinen
GOTT.

Woher unſer Gebet und Lob-Geſang flieſſen
ſoll/ wiſſen wir gar wohl/ aber nicht gar wohl
können wirs üben. Unſer Pſalm ſpricht: Lo-

be
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[813/0836] Die erſte Betrachtung. Seele. Haſt du was in der Welt/ das die Welt lieben könte/ muſt du es doch nicht groß lieben/ ſondern verachten können; Sihe/ es iſt unter dem allen nichts ſo köſtlich als deine Seele/ denn es alles unter deiner Seele geſetzet iſt. Uber ſich hat deine Seele GOtt/ unter ſich/ was in dieſer Welt erſchaffen. Die Seele ſchwebet in der Mitten/ und hat die Ordnung von ihrem Schöpffer empfangen/ daß ſie dem Obern an- hange/ und was unter ihr iſt/ beherrſche. Wei- chet ſie von dem Obern/ und hanget dem an/ das unter ihr iſt/ ſo ſetzet ſie ſich ſelbſten auß ihrer Würde und geräth hralles zur Schmach und Schande. Darum liebe und lobe deinen Gott/ das andere/ wenn du es haſt/ beſitze alſo/ daß du ein HErr darüber ſeyſt/ aber nicht alſo/ daß es dich einnehme. Es iſt zwar viel im Himmel und auff Erden/ darüber Menſchen-Kinder ſich verwundern/ und es rühmen. Da gedencke du aber/ wie hoch der zu loben/ von welchem alles das herkommet/ das die Menſchen in der Welt loben. Findeſt du nun etwas lobens werth in den Creaturen/ ſo lobe in den Creaturen deinen GOTT. Woher unſer Gebet und Lob-Geſang flieſſen ſoll/ wiſſen wir gar wohl/ aber nicht gar wohl können wirs üben. Unſer Pſalm ſpricht: Lo- be

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Zitationshilfe: Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674, S. 813. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/luettkemann_harpffe_1674/836>, abgerufen am 23.11.2024.