Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674.über den 116. Psalm meist in der verzweiffelten Noth. Derhalbenfasse hie zu deinem Trost und Unterricht diese Regel: Wo du in einer verzweiffelten Noth verzweifflen solst/ so verzweiffle an aller Men- schen Hülffe/ aber nicht an GOttes Hülffe. Sey nicht so thöricht/ daß du woltest sagen: Ich se- he keine Hülff in der Welt/ darum ist auch keine Hülff bey GOtt: Es kan mir kein Mensch helffen/ darum kan mir auch GOtt nicht helffen. Ich kan nicht vom Winde leben/ darum kan ich auch vom Brodt nicht leben. Die Vernunfst lehrts uns/ daß wir nicht also unvernünfftiger Weise schliessen sollen. Dennoch befinden wir/ wenn die Noth an den Mann tritt/ daß wir uns solcher Gedancken schwerlich entschlagen können. Sihe an/ die vor dir in demselben Kampff deß Glaubens gestanden. Die Israe- liten in der Wüsten wusten wohl/ was GOtt vorhin gethan; doch sagten sie/ wie ihre Reden im 78. Psalm. v. 21. auffgezeichnet seyn: Sihe/ Er hat wohl den Felsen geschlagen/ daß Wasser flossen/ aber wie kan er Brodt ge- ben/ und seinem Volck Fleisch verschaffen? Ein wunderlich Ding mit dem Unglauben/ ob wir schon vorhin GOttes Hülff und Beystand augenscheinlich gesehen/ dennoch wenn wir in eine neue Noth gerathen/ ist der vorigen Hülffe ver-
über den 116. Pſalm meiſt in der verzweiffelten Noth. Derhalbenfaſſe hie zu deinem Troſt und Unterricht dieſe Regel: Wo du in einer verzweiffelten Noth verzweifflen ſolſt/ ſo verzweiffle an aller Men- ſchen Hülffe/ aber nicht an GOttes Hülffe. Sey nicht ſo thöricht/ daß du wolteſt ſagen: Ich ſe- he keine Hülff in der Welt/ darum iſt auch keine Hülff bey GOtt: Es kan mir kein Menſch helffen/ darum kan mir auch GOtt nicht helffen. Ich kan nicht vom Winde leben/ darum kan ich auch vom Brodt nicht leben. Die Vernunfſt lehrts uns/ daß wir nicht alſo unvernünfftiger Weiſe ſchlieſſen ſollen. Dennoch befinden wir/ wenn die Noth an den Mann tritt/ daß wir uns ſolcher Gedancken ſchwerlich entſchlagen können. Sihe an/ die vor dir in demſelben Kampff deß Glaubens geſtanden. Die Iſrae- liten in der Wüſten wuſten wohl/ was GOtt vorhin gethan; doch ſagten ſie/ wie ihre Reden im 78. Pſalm. v. 21. auffgezeichnet ſeyn: Sihe/ Er hat wohl den Felſen geſchlagen/ daß Waſſer floſſen/ aber wie kan er Brodt ge- ben/ und ſeinem Volck Fleiſch verſchaffen? Ein wunderlich Ding mit dem Unglauben/ ob wir ſchon vorhin GOttes Hülff und Beyſtand augenſcheinlich geſehen/ dennoch wenn wir in eine neue Noth gerathen/ iſt der vorigen Hülffe ver-
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über den 116. Pſalm
meiſt in der verzweiffelten Noth. Derhalben
faſſe hie zu deinem Troſt und Unterricht dieſe
Regel: Wo du in einer verzweiffelten Noth
verzweifflen ſolſt/ ſo verzweiffle an aller Men-
ſchen Hülffe/ aber nicht an GOttes Hülffe. Sey
nicht ſo thöricht/ daß du wolteſt ſagen: Ich ſe-
he keine Hülff in der Welt/ darum iſt auch keine
Hülff bey GOtt: Es kan mir kein Menſch
helffen/ darum kan mir auch GOtt nicht helffen.
Ich kan nicht vom Winde leben/ darum kan ich
auch vom Brodt nicht leben. Die Vernunfſt
lehrts uns/ daß wir nicht alſo unvernünfftiger
Weiſe ſchlieſſen ſollen. Dennoch befinden wir/
wenn die Noth an den Mann tritt/ daß wir
uns ſolcher Gedancken ſchwerlich entſchlagen
können. Sihe an/ die vor dir in demſelben
Kampff deß Glaubens geſtanden. Die Iſrae-
liten in der Wüſten wuſten wohl/ was GOtt
vorhin gethan; doch ſagten ſie/ wie ihre Reden
im 78. Pſalm. v. 21. auffgezeichnet ſeyn: Sihe/
Er hat wohl den Felſen geſchlagen/ daß
Waſſer floſſen/ aber wie kan er Brodt ge-
ben/ und ſeinem Volck Fleiſch verſchaffen?
Ein wunderlich Ding mit dem Unglauben/ ob
wir ſchon vorhin GOttes Hülff und Beyſtand
augenſcheinlich geſehen/ dennoch wenn wir in
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