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Lüders, Else: Das Interesse des Staates am Frauenstimmrecht. Berlin, 1908.

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Jahrhundert. Da ragen wie große Merksteine einige Daten und
Taten hervor, Merksteine im Ringen des deutschen Volkes nach
einem einigen und freiheitlich regierten Vaterland.

Der erste große Merkstein ist die Tat, deren Gedächtnis
am 100. Jahrestag in diesem Jahre gefeiert wird: Der Er-
laß der Steinschen Städteverordnung für Preu-
ßen am 19. November 1808
.

Der zweite Merkstein ist der Beschluß des Parlaments in
der Paulskirche in Frankfurt a. M. am 28. März 1846 über
die Reichsverfassung, wo in dem Reichs-Wahlgesetz das allge-
meine direkte Wahlrecht
vorgesehen wurde.

Der dritte Merkstein endlich ist die teilweise wenn auch
anders geartete Erfüllung jener Tage: der Erlaß der Verfassung
des Deutschen Reiches vom 16. April 1871, in welcher es im
Artikel 20 heißt: Der Reichstag geht ausallgemeinen und
direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervor. Aber mit
der Erteilung des Reichstagswahlrechts an das deutsche Volk, so
wichtig und bedeutend dies auch war, sind die Verfassungskämpfe
oder besser gesagt, das Streben nach dem Ausbau unserer Ver-
fassung nicht beendet. Diese Bewegung geht allerdings langsam
und schwerfällig vor sich, dem unpolitischen Charakter der Mehr-
heit des deutschen Volkes entsprechend. Wir befinden uns gegen-
wärtig in einer außerordentlich wichtigen Entwicklungsphase: dem
Ringen der Mehrzahl der Einzelstaaten, ihre Verfassungen, d. h.
namentlich da das Wahlrecht zu ihren Parlamenten dem Wahl-
recht zum deutschen Reichstag anzupassen.

Und weitere Entwickelungsphasen in der Verfassungsbe-
wegung werden in Deutschland kommen müssen, bis Deutschland
ein wirklich konstitutioneller Staat geworden ist. Jn späteren
Zeiten erst wird man vielleicht die Arbeit der Männer in der
Paulskirche voll zu würdigen lernen, die in ihrem Verfassungs-
Entwurf schon viele freiheitliche Bestimmungen aufgenommen
hatten, die man dem deutschen Volke bis heute noch schuldig ge-
blieben ist. Aber auch die Männer des Frankfurter Parlaments
verstanden unter dem Begriff "Volk" nur den männlichen Teil.
Einzelne unter ihnen finden leidenschaftliche, von hohem Jdealismus

Jahrhundert. Da ragen wie große Merksteine einige Daten und
Taten hervor, Merksteine im Ringen des deutschen Volkes nach
einem einigen und freiheitlich regierten Vaterland.

Der erste große Merkstein ist die Tat, deren Gedächtnis
am 100. Jahrestag in diesem Jahre gefeiert wird: Der Er-
laß der Steinschen Städteverordnung für Preu-
ßen am 19. November 1808
.

Der zweite Merkstein ist der Beschluß des Parlaments in
der Paulskirche in Frankfurt a. M. am 28. März 1846 über
die Reichsverfassung, wo in dem Reichs-Wahlgesetz das allge-
meine direkte Wahlrecht
vorgesehen wurde.

Der dritte Merkstein endlich ist die teilweise wenn auch
anders geartete Erfüllung jener Tage: der Erlaß der Verfassung
des Deutschen Reiches vom 16. April 1871, in welcher es im
Artikel 20 heißt: Der Reichstag geht ausallgemeinen und
direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervor. Aber mit
der Erteilung des Reichstagswahlrechts an das deutsche Volk, so
wichtig und bedeutend dies auch war, sind die Verfassungskämpfe
oder besser gesagt, das Streben nach dem Ausbau unserer Ver-
fassung nicht beendet. Diese Bewegung geht allerdings langsam
und schwerfällig vor sich, dem unpolitischen Charakter der Mehr-
heit des deutschen Volkes entsprechend. Wir befinden uns gegen-
wärtig in einer außerordentlich wichtigen Entwicklungsphase: dem
Ringen der Mehrzahl der Einzelstaaten, ihre Verfassungen, d. h.
namentlich da das Wahlrecht zu ihren Parlamenten dem Wahl-
recht zum deutschen Reichstag anzupassen.

Und weitere Entwickelungsphasen in der Verfassungsbe-
wegung werden in Deutschland kommen müssen, bis Deutschland
ein wirklich konstitutioneller Staat geworden ist. Jn späteren
Zeiten erst wird man vielleicht die Arbeit der Männer in der
Paulskirche voll zu würdigen lernen, die in ihrem Verfassungs-
Entwurf schon viele freiheitliche Bestimmungen aufgenommen
hatten, die man dem deutschen Volke bis heute noch schuldig ge-
blieben ist. Aber auch die Männer des Frankfurter Parlaments
verstanden unter dem Begriff „Volk“ nur den männlichen Teil.
Einzelne unter ihnen finden leidenschaftliche, von hohem Jdealismus

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[5/0008] Jahrhundert. Da ragen wie große Merksteine einige Daten und Taten hervor, Merksteine im Ringen des deutschen Volkes nach einem einigen und freiheitlich regierten Vaterland. Der erste große Merkstein ist die Tat, deren Gedächtnis am 100. Jahrestag in diesem Jahre gefeiert wird: Der Er- laß der Steinschen Städteverordnung für Preu- ßen am 19. November 1808. Der zweite Merkstein ist der Beschluß des Parlaments in der Paulskirche in Frankfurt a. M. am 28. März 1846 über die Reichsverfassung, wo in dem Reichs-Wahlgesetz das allge- meine direkte Wahlrecht vorgesehen wurde. Der dritte Merkstein endlich ist die teilweise wenn auch anders geartete Erfüllung jener Tage: der Erlaß der Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871, in welcher es im Artikel 20 heißt: Der Reichstag geht ausallgemeinen und direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervor. Aber mit der Erteilung des Reichstagswahlrechts an das deutsche Volk, so wichtig und bedeutend dies auch war, sind die Verfassungskämpfe oder besser gesagt, das Streben nach dem Ausbau unserer Ver- fassung nicht beendet. Diese Bewegung geht allerdings langsam und schwerfällig vor sich, dem unpolitischen Charakter der Mehr- heit des deutschen Volkes entsprechend. Wir befinden uns gegen- wärtig in einer außerordentlich wichtigen Entwicklungsphase: dem Ringen der Mehrzahl der Einzelstaaten, ihre Verfassungen, d. h. namentlich da das Wahlrecht zu ihren Parlamenten dem Wahl- recht zum deutschen Reichstag anzupassen. Und weitere Entwickelungsphasen in der Verfassungsbe- wegung werden in Deutschland kommen müssen, bis Deutschland ein wirklich konstitutioneller Staat geworden ist. Jn späteren Zeiten erst wird man vielleicht die Arbeit der Männer in der Paulskirche voll zu würdigen lernen, die in ihrem Verfassungs- Entwurf schon viele freiheitliche Bestimmungen aufgenommen hatten, die man dem deutschen Volke bis heute noch schuldig ge- blieben ist. Aber auch die Männer des Frankfurter Parlaments verstanden unter dem Begriff „Volk“ nur den männlichen Teil. Einzelne unter ihnen finden leidenschaftliche, von hohem Jdealismus

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Zitationshilfe: Lüders, Else: Das Interesse des Staates am Frauenstimmrecht. Berlin, 1908, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lueders_interesse_1908/8>, abgerufen am 24.11.2024.