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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Thalwellen.
schied zwischen beiden Vorgängen muss dagegen in dem Coeffizienten gelegen sein.
Mit Rücksicht hierauf wäre also zn versuchen, wie sich, alles übrige gleichgesetzt,
die Coeffizienten in einem Rohre verhalten, durch das man einmal einen gleichblei-
benden und das anderemal einen wellenförmigen Strom schickte, während die mitt-
lere Geschwindigkeit unverändert geblieben wäre.

b. Die zweite Bedingungsreihe, durch welche wir eine Flüssigkeitsbewegung in
einem dehnbaren Schlauche ungleichmässig zu machen gedachten, würde z. B. erfüllt
sein durch die Anwesenheit eines durch Flüssigkeit ausgedehnten elastischen Schlauchs,
der an beiden Enden verschlossen wäre, aber an einem von beiden auf beliebige
Weise, z. B. durch einen eingesetzten Hahn, vorübergehend geöffnet werden könnte.
Oder auch dadurch, dass man an der Ausflussmündung eines elastischen Rohres,
welches von einem constanten Strom durchflossen wird, wechselnd eine Erweite-
rung oder Verengerung von beträchtlichem Umfang anbringt. Der Einfachheit wegen
wenden wir uns zu dem Apparat mit ursprünglich ruhender, aber gespannter Flüs-
sigkeit. Gesetzt, es sei das bis dahin geschlossene Rohr A A, B B (Fig. 28.) bei

[Abbildung] Fig. 28.
B B plötzlich geöffnet, und nachdem
eine kleine Flüssigkeitsmenge ausge-
flossen sei, wieder geschlossen wor-
den, so nimmt das Rohr erfahrungs-
gemäss während der kurzen Zeit des
Ausfliessens die Form A A C C an.
Nach dem Schluss der Mündung strömt nun aus dem nächst gelegenen Stück des
Rohrs, welches höher als das Ende gespannt ist, Flüssigkeit in dieses abgespannte
Ende, sodass, während sich dieses letztere wieder anfüllt, das erstere zusam-
menfällt. Es geht somit, wie es in Fig. 29. dargestellt ist, die Abspannung in der
[Abbildung] Fig. 29.
Richtung des Pfeils A A durch die
Röhrenwand fort, während die Flüs-
sigkeit durch das Rohr in der ent-
gegengesetzten Richtung nach der des
Pfeils B weiter bewegt wird. Diese
Welle, welche im Gegensatz zu der
früher beschriebenen mit einer Ein-
biegung des Rohrs verbunden ist, nennt man die negative oder die Thalwelle. Die
Erscheinungen, welche diese Welle ausserdem noch bietet, und somit auch die Theorie
derselben, treffen ganz zusammen mit denen der Bergwelle, wie man nach einer
kurzen Ueberlegung einsehen wird.

Da auf die Wellen des Schlauches alle allgemeinen Grundsätze, nach welchen
die Wellenbewegung zu beurtheilen ist, anwendbar sind, so müssen nothwendig auch
die Reflexion, die Beugung und das Durcheinanderschreiten beobachtet werden. In
dem letztern Fall wird eine Steigerung oder Verminderung des Bergs oder des
Thals eintreten können, je nachdem durch das Rohr gleichartige oder ungleichartige
(Berg- und Thalwellen) laufen.

E. H. Webers Schema des Blutkreislaufs. --

Nach allem diesen wird es, bevor wir die Erscheinungen des Blutlaufs selbst schil-
dern, noch von Nutzen sein das lehrreiche Schema desselben, welches E. H. Weber
gegeben hat, zu erklären. Dieses (Fig. 30.) setzt sich aus zwei elastischen Röhren zu-
sammen, einer kürzeren a c und einer längeren b d e. Jede dieser beiden Röhren ist an
dem einen ihrer Enden mit einem Röhrenventil versehen, dessen Einrichtung durch
Fig. 31. dargestellt wird. Ein solches Ventil wird hergestellt, indem man zwei
steile Röhren a und b ineinander steckt; an die innerste derselben a a ist ein Darm-

Thalwellen.
schied zwischen beiden Vorgängen muss dagegen in dem Coeffizienten gelegen sein.
Mit Rücksicht hierauf wäre also zn versuchen, wie sich, alles übrige gleichgesetzt,
die Coeffizienten in einem Rohre verhalten, durch das man einmal einen gleichblei-
benden und das anderemal einen wellenförmigen Strom schickte, während die mitt-
lere Geschwindigkeit unverändert geblieben wäre.

β. Die zweite Bedingungsreihe, durch welche wir eine Flüssigkeitsbewegung in
einem dehnbaren Schlauche ungleichmässig zu machen gedachten, würde z. B. erfüllt
sein durch die Anwesenheit eines durch Flüssigkeit ausgedehnten elastischen Schlauchs,
der an beiden Enden verschlossen wäre, aber an einem von beiden auf beliebige
Weise, z. B. durch einen eingesetzten Hahn, vorübergehend geöffnet werden könnte.
Oder auch dadurch, dass man an der Ausflussmündung eines elastischen Rohres,
welches von einem constanten Strom durchflossen wird, wechselnd eine Erweite-
rung oder Verengerung von beträchtlichem Umfang anbringt. Der Einfachheit wegen
wenden wir uns zu dem Apparat mit ursprünglich ruhender, aber gespannter Flüs-
sigkeit. Gesetzt, es sei das bis dahin geschlossene Rohr A A, B B (Fig. 28.) bei

[Abbildung] Fig. 28.
B B plötzlich geöffnet, und nachdem
eine kleine Flüssigkeitsmenge ausge-
flossen sei, wieder geschlossen wor-
den, so nimmt das Rohr erfahrungs-
gemäss während der kurzen Zeit des
Ausfliessens die Form A A C C an.
Nach dem Schluss der Mündung strömt nun aus dem nächst gelegenen Stück des
Rohrs, welches höher als das Ende gespannt ist, Flüssigkeit in dieses abgespannte
Ende, sodass, während sich dieses letztere wieder anfüllt, das erstere zusam-
menfällt. Es geht somit, wie es in Fig. 29. dargestellt ist, die Abspannung in der
[Abbildung] Fig. 29.
Richtung des Pfeils A A durch die
Röhrenwand fort, während die Flüs-
sigkeit durch das Rohr in der ent-
gegengesetzten Richtung nach der des
Pfeils B weiter bewegt wird. Diese
Welle, welche im Gegensatz zu der
früher beschriebenen mit einer Ein-
biegung des Rohrs verbunden ist, nennt man die negative oder die Thalwelle. Die
Erscheinungen, welche diese Welle ausserdem noch bietet, und somit auch die Theorie
derselben, treffen ganz zusammen mit denen der Bergwelle, wie man nach einer
kurzen Ueberlegung einsehen wird.

Da auf die Wellen des Schlauches alle allgemeinen Grundsätze, nach welchen
die Wellenbewegung zu beurtheilen ist, anwendbar sind, so müssen nothwendig auch
die Reflexion, die Beugung und das Durcheinanderschreiten beobachtet werden. In
dem letztern Fall wird eine Steigerung oder Verminderung des Bergs oder des
Thals eintreten können, je nachdem durch das Rohr gleichartige oder ungleichartige
(Berg- und Thalwellen) laufen.

E. H. Webers Schema des Blutkreislaufs. —

Nach allem diesen wird es, bevor wir die Erscheinungen des Blutlaufs selbst schil-
dern, noch von Nutzen sein das lehrreiche Schema desselben, welches E. H. Weber
gegeben hat, zu erklären. Dieses (Fig. 30.) setzt sich aus zwei elastischen Röhren zu-
sammen, einer kürzeren a c und einer längeren b d e. Jede dieser beiden Röhren ist an
dem einen ihrer Enden mit einem Röhrenventil versehen, dessen Einrichtung durch
Fig. 31. dargestellt wird. Ein solches Ventil wird hergestellt, indem man zwei
steile Röhren a und b ineinander steckt; an die innerste derselben a a ist ein Darm-

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[54/0070] Thalwellen. schied zwischen beiden Vorgängen muss dagegen in dem Coeffizienten gelegen sein. Mit Rücksicht hierauf wäre also zn versuchen, wie sich, alles übrige gleichgesetzt, die Coeffizienten in einem Rohre verhalten, durch das man einmal einen gleichblei- benden und das anderemal einen wellenförmigen Strom schickte, während die mitt- lere Geschwindigkeit unverändert geblieben wäre. β. Die zweite Bedingungsreihe, durch welche wir eine Flüssigkeitsbewegung in einem dehnbaren Schlauche ungleichmässig zu machen gedachten, würde z. B. erfüllt sein durch die Anwesenheit eines durch Flüssigkeit ausgedehnten elastischen Schlauchs, der an beiden Enden verschlossen wäre, aber an einem von beiden auf beliebige Weise, z. B. durch einen eingesetzten Hahn, vorübergehend geöffnet werden könnte. Oder auch dadurch, dass man an der Ausflussmündung eines elastischen Rohres, welches von einem constanten Strom durchflossen wird, wechselnd eine Erweite- rung oder Verengerung von beträchtlichem Umfang anbringt. Der Einfachheit wegen wenden wir uns zu dem Apparat mit ursprünglich ruhender, aber gespannter Flüs- sigkeit. Gesetzt, es sei das bis dahin geschlossene Rohr A A, B B (Fig. 28.) bei [Abbildung Fig. 28.] B B plötzlich geöffnet, und nachdem eine kleine Flüssigkeitsmenge ausge- flossen sei, wieder geschlossen wor- den, so nimmt das Rohr erfahrungs- gemäss während der kurzen Zeit des Ausfliessens die Form A A C C an. Nach dem Schluss der Mündung strömt nun aus dem nächst gelegenen Stück des Rohrs, welches höher als das Ende gespannt ist, Flüssigkeit in dieses abgespannte Ende, sodass, während sich dieses letztere wieder anfüllt, das erstere zusam- menfällt. Es geht somit, wie es in Fig. 29. dargestellt ist, die Abspannung in der [Abbildung Fig. 29.] Richtung des Pfeils A A durch die Röhrenwand fort, während die Flüs- sigkeit durch das Rohr in der ent- gegengesetzten Richtung nach der des Pfeils B weiter bewegt wird. Diese Welle, welche im Gegensatz zu der früher beschriebenen mit einer Ein- biegung des Rohrs verbunden ist, nennt man die negative oder die Thalwelle. Die Erscheinungen, welche diese Welle ausserdem noch bietet, und somit auch die Theorie derselben, treffen ganz zusammen mit denen der Bergwelle, wie man nach einer kurzen Ueberlegung einsehen wird. Da auf die Wellen des Schlauches alle allgemeinen Grundsätze, nach welchen die Wellenbewegung zu beurtheilen ist, anwendbar sind, so müssen nothwendig auch die Reflexion, die Beugung und das Durcheinanderschreiten beobachtet werden. In dem letztern Fall wird eine Steigerung oder Verminderung des Bergs oder des Thals eintreten können, je nachdem durch das Rohr gleichartige oder ungleichartige (Berg- und Thalwellen) laufen. E. H. Webers Schema des Blutkreislaufs. — Nach allem diesen wird es, bevor wir die Erscheinungen des Blutlaufs selbst schil- dern, noch von Nutzen sein das lehrreiche Schema desselben, welches E. H. Weber gegeben hat, zu erklären. Dieses (Fig. 30.) setzt sich aus zwei elastischen Röhren zu- sammen, einer kürzeren a c und einer längeren b d e. Jede dieser beiden Röhren ist an dem einen ihrer Enden mit einem Röhrenventil versehen, dessen Einrichtung durch Fig. 31. dargestellt wird. Ein solches Ventil wird hergestellt, indem man zwei steile Röhren a und b ineinander steckt; an die innerste derselben a a ist ein Darm-

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/70>, abgerufen am 18.04.2024.