Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Natürliche Dünndarmverdauung.
deren Beweis als den vor, dass 4 bis 6 Stunden nach dem Bauchschnitte die Entzün-
dung und ihre Folgen erst im Maximum sichtbar seien. -- Die gestellte Aufgabe
würde wahrscheinlich sicherer gelöst, wenn man eine permanente Darmfistel anlegte,
die den Inhalt des Darmrohres, welches über der Fistel gelegen wäre, durch diese
letztere entleerte, so dass das unter ihr gelegene nur befeuchtet würde von den
aus der Darmwand ergossenen Säften.

b. Wenn man nach Unterbindung des Gallen- und Bauchspei-
chelganges
aus einer am Dünndarme angelegten Fistel den Speise-
brei schöpft, so findet man, dass das Fleisch und die Amylaceen ungefähr
ebenso verändert sind, als sie es gewesen sein würden ohne Abschluss
der beiden Drüsensäfte (Bidder und Schmidt) *). War es nicht zur
Bildung von Milchsäure gekommen, so fanden sie sogar den Speisebrei
alkalisch reagirend, was man nach Ausschluss des stark alkalischen Pan-
kreassaftes kaum erwartet hätte.

c. Die vereinigte Wirkung der Galle, des Bauchspeichels
und Darmsaftes auf die frischen Speisen suchte man zu ermitteln,
indem man das Duodenum noch über der Leber- und Pankreasmündung
abband, im Uebrigen aber gerade wie bei a. verfuhr (Bidder und
Schmidt **). Die Ergebnisse beider Versuchsreihen (a. und c.) waren
einander sehr ähnlich, nur insofern zeigte sich ein Unterschied, als in
der letzteren die Fälle relativ häufiger sind, in welchen die Auflösung
der Eiweissstoffe sehr weit, z. B. bis zu 90 pCt. der ursprünglich an-
gewendeten Masse, vorgeschritten war. Da diese aber auch in der ersten
nicht fehlen, so ist die Abweichung wohl irgend einem zufälligen Um-
stande zuzuschreiben. Ob das chemische Verhalten der Auflösung in
beiden Fällen gleich war, ist nicht untersucht.

Bei der bekannten Eigenthümlichkeit des Pankreas, seine Absonderung für einige
Zeit nach Eröffnung der Bauchhöhle einzustellen, ist es fraglich, ob die angegebene
Operation den gewünschten Erfolg bedingte.

d. Die combinirte Einwirkung der Galle, Magen- und Darm-
säfte
auf die Speisen wird erzielt, wenn man entweder das Pankreas
ausschneidet, oder seine Ausführungsgänge unterbindet. -- Die überwie-
gende Mehrzahl der Beobachter (Bidder und Schmidt, Wein-
mann, Herbst
u. A.) fand das Zusammenwirken jener Säfte gerade
so erfolgreich, als ihre Verbindung mit dem Bauchspeichel; insbesondere
zeigte sich der aus dem After gestossene Koth nicht reichlicher und
nicht anders beschaffen, als wenn die Operation unterblieben war.

e. Bauchspeichel, Magen- und Darmsäfte, welche nach
Ableitung der Galle aus einer Blasenfistel auf den Darminhalt wirken,
erzeugen ebenfalls eine vollkommene Verdauung; es scheint aber, als ob
bei Abwesenheit der Galle die Umsetzung der einmal aufgelösten Stoffe
nach der Richtung der Fäulniss hin rascher, als bei ihrer Gegenwart im

*) l. c. p. 271.
**) l. c. p. 276.

Natürliche Dünndarmverdauung.
deren Beweis als den vor, dass 4 bis 6 Stunden nach dem Bauchschnitte die Entzün-
dung und ihre Folgen erst im Maximum sichtbar seien. — Die gestellte Aufgabe
würde wahrscheinlich sicherer gelöst, wenn man eine permanente Darmfistel anlegte,
die den Inhalt des Darmrohres, welches über der Fistel gelegen wäre, durch diese
letztere entleerte, so dass das unter ihr gelegene nur befeuchtet würde von den
aus der Darmwand ergossenen Säften.

b. Wenn man nach Unterbindung des Gallen- und Bauchspei-
chelganges
aus einer am Dünndarme angelegten Fistel den Speise-
brei schöpft, so findet man, dass das Fleisch und die Amylaceen ungefähr
ebenso verändert sind, als sie es gewesen sein würden ohne Abschluss
der beiden Drüsensäfte (Bidder und Schmidt) *). War es nicht zur
Bildung von Milchsäure gekommen, so fanden sie sogar den Speisebrei
alkalisch reagirend, was man nach Ausschluss des stark alkalischen Pan-
kreassaftes kaum erwartet hätte.

c. Die vereinigte Wirkung der Galle, des Bauchspeichels
und Darmsaftes auf die frischen Speisen suchte man zu ermitteln,
indem man das Duodenum noch über der Leber- und Pankreasmündung
abband, im Uebrigen aber gerade wie bei a. verfuhr (Bidder und
Schmidt **). Die Ergebnisse beider Versuchsreihen (a. und c.) waren
einander sehr ähnlich, nur insofern zeigte sich ein Unterschied, als in
der letzteren die Fälle relativ häufiger sind, in welchen die Auflösung
der Eiweissstoffe sehr weit, z. B. bis zu 90 pCt. der ursprünglich an-
gewendeten Masse, vorgeschritten war. Da diese aber auch in der ersten
nicht fehlen, so ist die Abweichung wohl irgend einem zufälligen Um-
stande zuzuschreiben. Ob das chemische Verhalten der Auflösung in
beiden Fällen gleich war, ist nicht untersucht.

Bei der bekannten Eigenthümlichkeit des Pankreas, seine Absonderung für einige
Zeit nach Eröffnung der Bauchhöhle einzustellen, ist es fraglich, ob die angegebene
Operation den gewünschten Erfolg bedingte.

d. Die combinirte Einwirkung der Galle, Magen- und Darm-
säfte
auf die Speisen wird erzielt, wenn man entweder das Pankreas
ausschneidet, oder seine Ausführungsgänge unterbindet. — Die überwie-
gende Mehrzahl der Beobachter (Bidder und Schmidt, Wein-
mann, Herbst
u. A.) fand das Zusammenwirken jener Säfte gerade
so erfolgreich, als ihre Verbindung mit dem Bauchspeichel; insbesondere
zeigte sich der aus dem After gestossene Koth nicht reichlicher und
nicht anders beschaffen, als wenn die Operation unterblieben war.

e. Bauchspeichel, Magen- und Darmsäfte, welche nach
Ableitung der Galle aus einer Blasenfistel auf den Darminhalt wirken,
erzeugen ebenfalls eine vollkommene Verdauung; es scheint aber, als ob
bei Abwesenheit der Galle die Umsetzung der einmal aufgelösten Stoffe
nach der Richtung der Fäulniss hin rascher, als bei ihrer Gegenwart im

*) l. c. p. 271.
**) l. c. p. 276.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0429" n="413"/><fw place="top" type="header">Natürliche Dünndarmverdauung.</fw><lb/>
deren Beweis als den vor, dass 4 bis 6 Stunden nach dem Bauchschnitte die Entzün-<lb/>
dung und ihre Folgen erst im Maximum sichtbar seien. &#x2014; Die gestellte Aufgabe<lb/>
würde wahrscheinlich sicherer gelöst, wenn man eine permanente Darmfistel anlegte,<lb/>
die den Inhalt des Darmrohres, welches über der Fistel gelegen wäre, durch diese<lb/>
letztere entleerte, so dass das unter ihr gelegene nur befeuchtet würde von den<lb/>
aus der Darmwand ergossenen Säften.</p><lb/>
              <p>b. Wenn man nach Unterbindung des <hi rendition="#g">Gallen</hi>- und <hi rendition="#g">Bauchspei-<lb/>
chelganges</hi> aus einer am Dünndarme angelegten Fistel den Speise-<lb/>
brei schöpft, so findet man, dass das Fleisch und die Amylaceen ungefähr<lb/>
ebenso verändert sind, als sie es gewesen sein würden ohne Abschluss<lb/>
der beiden Drüsensäfte (<hi rendition="#g">Bidder</hi> und <hi rendition="#g">Schmidt</hi>) <note place="foot" n="*)">l. c. p. 271.</note>. War es nicht zur<lb/>
Bildung von Milchsäure gekommen, so fanden sie sogar den Speisebrei<lb/>
alkalisch reagirend, was man nach Ausschluss des stark alkalischen Pan-<lb/>
kreassaftes kaum erwartet hätte.</p><lb/>
              <p>c. Die vereinigte Wirkung der <hi rendition="#g">Galle</hi>, des <hi rendition="#g">Bauchspeichels</hi><lb/>
und <hi rendition="#g">Darmsaftes</hi> auf die frischen Speisen suchte man zu ermitteln,<lb/>
indem man das Duodenum noch über der Leber- und Pankreasmündung<lb/>
abband, im Uebrigen aber gerade wie bei a. verfuhr (<hi rendition="#g">Bidder</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Schmidt</hi> <note place="foot" n="**)">l. c. p. 276.</note>. Die Ergebnisse beider Versuchsreihen (a. und c.) waren<lb/>
einander sehr ähnlich, nur insofern zeigte sich ein Unterschied, als in<lb/>
der letzteren die Fälle relativ häufiger sind, in welchen die Auflösung<lb/>
der Eiweissstoffe sehr weit, z. B. bis zu <hi rendition="#b">90</hi> pCt. der ursprünglich an-<lb/>
gewendeten Masse, vorgeschritten war. Da diese aber auch in der ersten<lb/>
nicht fehlen, so ist die Abweichung wohl irgend einem zufälligen Um-<lb/>
stande zuzuschreiben. Ob das chemische Verhalten der Auflösung in<lb/>
beiden Fällen gleich war, ist nicht untersucht.</p><lb/>
              <p>Bei der bekannten Eigenthümlichkeit des Pankreas, seine Absonderung für einige<lb/>
Zeit nach Eröffnung der Bauchhöhle einzustellen, ist es fraglich, ob die angegebene<lb/>
Operation den gewünschten Erfolg bedingte.</p><lb/>
              <p>d. Die combinirte Einwirkung der <hi rendition="#g">Galle, Magen-</hi> und <hi rendition="#g">Darm-<lb/>
säfte</hi> auf die Speisen wird erzielt, wenn man entweder das Pankreas<lb/>
ausschneidet, oder seine Ausführungsgänge unterbindet. &#x2014; Die überwie-<lb/>
gende Mehrzahl der Beobachter (<hi rendition="#g">Bidder</hi> und <hi rendition="#g">Schmidt, Wein-<lb/>
mann, Herbst</hi> u. A.) fand das Zusammenwirken jener Säfte gerade<lb/>
so erfolgreich, als ihre Verbindung mit dem Bauchspeichel; insbesondere<lb/>
zeigte sich der aus dem After gestossene Koth nicht reichlicher und<lb/>
nicht anders beschaffen, als wenn die Operation unterblieben war.</p><lb/>
              <p>e. <hi rendition="#g">Bauchspeichel, Magen-</hi> und <hi rendition="#g">Darmsäfte</hi>, welche nach<lb/>
Ableitung der Galle aus einer Blasenfistel auf den Darminhalt wirken,<lb/>
erzeugen ebenfalls eine vollkommene Verdauung; es scheint aber, als ob<lb/>
bei Abwesenheit der Galle die Umsetzung der einmal aufgelösten Stoffe<lb/>
nach der Richtung der Fäulniss hin rascher, als bei ihrer Gegenwart im<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[413/0429] Natürliche Dünndarmverdauung. deren Beweis als den vor, dass 4 bis 6 Stunden nach dem Bauchschnitte die Entzün- dung und ihre Folgen erst im Maximum sichtbar seien. — Die gestellte Aufgabe würde wahrscheinlich sicherer gelöst, wenn man eine permanente Darmfistel anlegte, die den Inhalt des Darmrohres, welches über der Fistel gelegen wäre, durch diese letztere entleerte, so dass das unter ihr gelegene nur befeuchtet würde von den aus der Darmwand ergossenen Säften. b. Wenn man nach Unterbindung des Gallen- und Bauchspei- chelganges aus einer am Dünndarme angelegten Fistel den Speise- brei schöpft, so findet man, dass das Fleisch und die Amylaceen ungefähr ebenso verändert sind, als sie es gewesen sein würden ohne Abschluss der beiden Drüsensäfte (Bidder und Schmidt) *). War es nicht zur Bildung von Milchsäure gekommen, so fanden sie sogar den Speisebrei alkalisch reagirend, was man nach Ausschluss des stark alkalischen Pan- kreassaftes kaum erwartet hätte. c. Die vereinigte Wirkung der Galle, des Bauchspeichels und Darmsaftes auf die frischen Speisen suchte man zu ermitteln, indem man das Duodenum noch über der Leber- und Pankreasmündung abband, im Uebrigen aber gerade wie bei a. verfuhr (Bidder und Schmidt **). Die Ergebnisse beider Versuchsreihen (a. und c.) waren einander sehr ähnlich, nur insofern zeigte sich ein Unterschied, als in der letzteren die Fälle relativ häufiger sind, in welchen die Auflösung der Eiweissstoffe sehr weit, z. B. bis zu 90 pCt. der ursprünglich an- gewendeten Masse, vorgeschritten war. Da diese aber auch in der ersten nicht fehlen, so ist die Abweichung wohl irgend einem zufälligen Um- stande zuzuschreiben. Ob das chemische Verhalten der Auflösung in beiden Fällen gleich war, ist nicht untersucht. Bei der bekannten Eigenthümlichkeit des Pankreas, seine Absonderung für einige Zeit nach Eröffnung der Bauchhöhle einzustellen, ist es fraglich, ob die angegebene Operation den gewünschten Erfolg bedingte. d. Die combinirte Einwirkung der Galle, Magen- und Darm- säfte auf die Speisen wird erzielt, wenn man entweder das Pankreas ausschneidet, oder seine Ausführungsgänge unterbindet. — Die überwie- gende Mehrzahl der Beobachter (Bidder und Schmidt, Wein- mann, Herbst u. A.) fand das Zusammenwirken jener Säfte gerade so erfolgreich, als ihre Verbindung mit dem Bauchspeichel; insbesondere zeigte sich der aus dem After gestossene Koth nicht reichlicher und nicht anders beschaffen, als wenn die Operation unterblieben war. e. Bauchspeichel, Magen- und Darmsäfte, welche nach Ableitung der Galle aus einer Blasenfistel auf den Darminhalt wirken, erzeugen ebenfalls eine vollkommene Verdauung; es scheint aber, als ob bei Abwesenheit der Galle die Umsetzung der einmal aufgelösten Stoffe nach der Richtung der Fäulniss hin rascher, als bei ihrer Gegenwart im *) l. c. p. 271. **) l. c. p. 276.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/429
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/429>, abgerufen am 06.05.2024.