Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Mund und Schlund.
Diese Annahmen gründen sich theils auf Ableitungen aus dem Muskelverlauf, theils auf direkte Beobachtung des lebenden Menschen, die entweder wie gewöhn- lich von der Mundhöhle aus geschieht, oder, die in seltenen Fällen möglich war, von der Nasenhöhle aus (Dzondi, Bidder) *) nach Zerstörung des Oberkiefers oder von den unteren Stücken der Rachenhöhle nach Verletzungen im Seitentheile des Schlundes über dem Zungenbeine (Kobelt).
Die Nerven dieser Muskeln stammen aus sehr verschiedenen Quel- len; m. palatoglossus erhält sie aus dem n. vagus; m. levator palati po- sterior mollis wird zugleich versorgt durch Fäden, die in den nn. facia- lis, glossopharyngeus, vagus und accessorius aus dem Hirne treten; m. tensor palati empfängt seine Nerven aus den nn. trigeminus, glosso- pharyngeus, vagus und accessorius; m. azygos aus den nn. vagus, ac- cessorius und glossopharyngeus. -- Die Nerven des arc. glossopalatinus sind nicht ermittelt, da der Muskel den meisten Säugethieren fehlt; auf den m. levator anterior hat man noch keine Rücksicht genommen.
Die aufgezählten Muskeln sind, wenn überhaupt, der Willkühr nur in beschränkter Weise unterthan, indem niemals die Bewegung des Gau- mens nur auf einer Seite ausgeführt werden kann. Unter die in die- sem Sinne willkührlich beweglichen Muskeln gehören unzweifelhaft mm. levatores palati und uvulae. Reflektorisch erregbar sind die Gaumen- schnürer, und zwar von den empfindenden Nerven aus, die sich auf der Zungenwurzel, der hinteren Fläche des Gaumensegels und in der Schleimhaut über den mittleren Schlundschnürern verbreiten.
Schlundkopf. Die Faserung der Schnürer geht zum Theil spi- ralig vom Kehlkopf und Zungenbein zur entgegengesetzten Kopfhälfte; die Züge der beiden Seiten verflechten sich in der hinteren Mittellinie des Schlundes; zum Theil (im pterygo-, bucco- und keratopharyngeus) läuft sie quer von einer Seite zur anderen. Diese Streifungen müssen die unteren Partien heben und seitlich zusammenpressen; an den Orten, wo die hintere Schlundwand locker an die Wirbelsäule geheftet ist, kön- nen sie die Schnürer auch gegen die Mundhöhle hin bewegen. -- Der m. stylopharyngeus wird seinem Verlaufe gemäss die seitlichen Partien der Schlundwand heben und auseinander ziehen, d. h. Falten, die sich auf der hinteren Wand gebildet haben, glätten.
Die Nerven des stylopharyngeus laufen im n. glossopharyngeus, die Schnürer werden vom n. vagus, accessorius (und glossopharyngeus?) versorgt.
Ob einer dieser Muskeln ein- oder zweiseitig durch den Willen er- regt werden kann, steht noch dahin. In Verbindung und unmittelbar nach der Erregung der Gaumenmuskeln scheint dieses nicht unmög- lich. -- Reflexbewegungen werden in ihnen ausgelöst auf Erregung aller
*)Dzondi, Die Funktionen des weichen Gaumens. Halle 1831. -- Bidder, Beobachtungen über die Bewegungen des weichen Gaumens. 1838. -- Kobelt, Froriep's Notizen. 1840.
Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Mund und Schlund.
Diese Annahmen gründen sich theils auf Ableitungen aus dem Muskelverlauf, theils auf direkte Beobachtung des lebenden Menschen, die entweder wie gewöhn- lich von der Mundhöhle aus geschieht, oder, die in seltenen Fällen möglich war, von der Nasenhöhle aus (Dzondi, Bidder) *) nach Zerstörung des Oberkiefers oder von den unteren Stücken der Rachenhöhle nach Verlètzungen im Seitentheile des Schlundes über dem Zungenbeine (Kobelt).
Die Nerven dieser Muskeln stammen aus sehr verschiedenen Quel- len; m. palatoglossus erhält sie aus dem n. vagus; m. levator palati po- sterior mollis wird zugleich versorgt durch Fäden, die in den nn. facia- lis, glossopharyngeus, vagus und accessorius aus dem Hirne treten; m. tensor palati empfängt seine Nerven aus den nn. trigeminus, glosso- pharyngeus, vagus und accessorius; m. azygos aus den nn. vagus, ac- cessorius und glossopharyngeus. — Die Nerven des arc. glossopalatinus sind nicht ermittelt, da der Muskel den meisten Säugethieren fehlt; auf den m. levator anterior hat man noch keine Rücksicht genommen.
Die aufgezählten Muskeln sind, wenn überhaupt, der Willkühr nur in beschränkter Weise unterthan, indem niemals die Bewegung des Gau- mens nur auf einer Seite ausgeführt werden kann. Unter die in die- sem Sinne willkührlich beweglichen Muskeln gehören unzweifelhaft mm. levatores palati und uvulae. Reflektorisch erregbar sind die Gaumen- schnürer, und zwar von den empfindenden Nerven aus, die sich auf der Zungenwurzel, der hinteren Fläche des Gaumensegels und in der Schleimhaut über den mittleren Schlundschnürern verbreiten.
Schlundkopf. Die Faserung der Schnürer geht zum Theil spi- ralig vom Kehlkopf und Zungenbein zur entgegengesetzten Kopfhälfte; die Züge der beiden Seiten verflechten sich in der hinteren Mittellinie des Schlundes; zum Theil (im pterygo-, bucco- und keratopharyngeus) läuft sie quer von einer Seite zur anderen. Diese Streifungen müssen die unteren Partien heben und seitlich zusammenpressen; an den Orten, wo die hintere Schlundwand locker an die Wirbelsäule geheftet ist, kön- nen sie die Schnürer auch gegen die Mundhöhle hin bewegen. — Der m. stylopharyngeus wird seinem Verlaufe gemäss die seitlichen Partien der Schlundwand heben und auseinander ziehen, d. h. Falten, die sich auf der hinteren Wand gebildet haben, glätten.
Die Nerven des stylopharyngeus laufen im n. glossopharyngeus, die Schnürer werden vom n. vagus, accessorius (und glossopharyngeus?) versorgt.
Ob einer dieser Muskeln ein- oder zweiseitig durch den Willen er- regt werden kann, steht noch dahin. In Verbindung und unmittelbar nach der Erregung der Gaumenmuskeln scheint dieses nicht unmög- lich. — Reflexbewegungen werden in ihnen ausgelöst auf Erregung aller
*)Dzondi, Die Funktionen des weichen Gaumens. Halle 1831. — Bidder, Beobachtungen über die Bewegungen des weichen Gaumens. 1838. — Kobelt, Froriep’s Notizen. 1840.
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Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Mund und Schlund.
Diese Annahmen gründen sich theils auf Ableitungen aus dem Muskelverlauf,
theils auf direkte Beobachtung des lebenden Menschen, die entweder wie gewöhn-
lich von der Mundhöhle aus geschieht, oder, die in seltenen Fällen möglich war, von
der Nasenhöhle aus (Dzondi, Bidder) *) nach Zerstörung des Oberkiefers oder
von den unteren Stücken der Rachenhöhle nach Verlètzungen im Seitentheile des
Schlundes über dem Zungenbeine (Kobelt).
Die Nerven dieser Muskeln stammen aus sehr verschiedenen Quel-
len; m. palatoglossus erhält sie aus dem n. vagus; m. levator palati po-
sterior mollis wird zugleich versorgt durch Fäden, die in den nn. facia-
lis, glossopharyngeus, vagus und accessorius aus dem Hirne treten;
m. tensor palati empfängt seine Nerven aus den nn. trigeminus, glosso-
pharyngeus, vagus und accessorius; m. azygos aus den nn. vagus, ac-
cessorius und glossopharyngeus. — Die Nerven des arc. glossopalatinus
sind nicht ermittelt, da der Muskel den meisten Säugethieren fehlt; auf
den m. levator anterior hat man noch keine Rücksicht genommen.
Die aufgezählten Muskeln sind, wenn überhaupt, der Willkühr nur
in beschränkter Weise unterthan, indem niemals die Bewegung des Gau-
mens nur auf einer Seite ausgeführt werden kann. Unter die in die-
sem Sinne willkührlich beweglichen Muskeln gehören unzweifelhaft mm.
levatores palati und uvulae. Reflektorisch erregbar sind die Gaumen-
schnürer, und zwar von den empfindenden Nerven aus, die sich auf
der Zungenwurzel, der hinteren Fläche des Gaumensegels und in der
Schleimhaut über den mittleren Schlundschnürern verbreiten.
Schlundkopf. Die Faserung der Schnürer geht zum Theil spi-
ralig vom Kehlkopf und Zungenbein zur entgegengesetzten Kopfhälfte;
die Züge der beiden Seiten verflechten sich in der hinteren Mittellinie
des Schlundes; zum Theil (im pterygo-, bucco- und keratopharyngeus)
läuft sie quer von einer Seite zur anderen. Diese Streifungen müssen
die unteren Partien heben und seitlich zusammenpressen; an den Orten,
wo die hintere Schlundwand locker an die Wirbelsäule geheftet ist, kön-
nen sie die Schnürer auch gegen die Mundhöhle hin bewegen. — Der
m. stylopharyngeus wird seinem Verlaufe gemäss die seitlichen Partien
der Schlundwand heben und auseinander ziehen, d. h. Falten, die sich
auf der hinteren Wand gebildet haben, glätten.
Die Nerven des stylopharyngeus laufen im n. glossopharyngeus, die
Schnürer werden vom n. vagus, accessorius (und glossopharyngeus?)
versorgt.
Ob einer dieser Muskeln ein- oder zweiseitig durch den Willen er-
regt werden kann, steht noch dahin. In Verbindung und unmittelbar
nach der Erregung der Gaumenmuskeln scheint dieses nicht unmög-
lich. — Reflexbewegungen werden in ihnen ausgelöst auf Erregung aller
*) Dzondi, Die Funktionen des weichen Gaumens. Halle 1831. — Bidder, Beobachtungen über
die Bewegungen des weichen Gaumens. 1838. — Kobelt, Froriep’s Notizen. 1840.
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/408>, abgerufen am 16.07.2024.
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