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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Leber; Blutstrom in derselben.
Dann wird aber auch bei jeder Inspiration die schlaffe Masse des Bauch-
inhaltes zusammengedrückt, entsprechend der Kraft, mit welcher das Zwerg-
fell sich zusammenzieht, und dieser Druck muss nothwendig das Blut
in der Pfortader beschleunigen, das durch die steife Leber seinen un-
gehemmten Ausweg findet. -- Aber auch bei gleicher Triebkraft muss
die Geschwindigkheit veränderlich sein, weil die Widerstände namentlich
jenseits der Leber in der Brusthöhle gar nicht unbeträchtlich variabel
sind. Bei jeder Inspiration mindert und bei jeder Exspiration mehrt er
sich bekanntlich. So deuten also alle Umstände darauf hin, dass in der
Ausathmung das Fliessen langsamer und in der Einathmung rascher
ist. -- Aehnliches gilt auch für den Strom in der Leberarterie. -- Ueber
das Verhältniss der Geschwindigkeiten in den beiden Gefässen pflegt
man sich gewöhnlich dahin auszudrücken, dass die Strömung in der
Leberarterie viel rascher als in der Pfortader sei, weil die lebendige
Kraft des frisch aus dem Herzen dringenden Arterienbluts weit bedeuten-
der sei, als die des Pfortaderblutes, das aus den Darmcapillaren zurück-
kehrt, während die Hemmungen, welche beiden in der Leber bevorstehen,
vollkommen gleich seien. Man bedenkt dabei nicht, dass auch das Blut
der a. hepatica durch zwei Capillarennetze, die beide in der Leber lie-
gen, wandern muss; von denen das erstere so angeordnet ist, dass es den
Strom der Leberarterie wahrscheinlich mehr hemmt, als dasjenige, wel-
ches der Pfortader vorausgeht. Das Bett der Darmarterien erweitert sich
nemlich dem Anschein nach beim Uebergang in das Capillarensystem
der Darm- und Drüsenwände viel beträchtlicher, als das der Leberarterie
bei ihrer Vertheilung in vasa vasorum; unter dieser Voraussetzung würde
aber nach bekannten hydraulischen Grundsätzen unsere obige Behauptung
eintreffen. So viel ist jedoch klar, dass die Sache sich gegenwärtig
nicht entscheiden lässt.

Die absoluten Werthe der Geschwindigkeit sind nicht bekannt; man
vermuthet, dass der Strom in der vena porta sehr langsam sein möchte.
Dafür spricht aber nicht einmal die Theorie; denn gesetzt, es besässe
das Pfortaderblut nur schwache lebendige Kräfte, so würden sie doch
hinreichen, um bei geringen Widerständen in der Leber immer noch
Geschwindigkeit zu erzeugen, die, verglichen mit der des Kreislaufes
überhaupt, beträchtlich genannt werden könnte. Nun spricht die enorme
Zahl der Lebercapillaren und demnach der langsame Strom in ihnen
sehr dafür, dass das Blut in der Leber wenig Hindernisse erfährt, und
die Einfügung der Lebervene in die untere Hohlvene geschieht an einer
so günstigen Stelle, dass jenseits der Leber dem Strom die möglichst
geringe Hemmung entgegensteht. Mit dieser Anschauung stimmt die Er-
fahrung von Volkmann, welcher den Centralstrom in den Mesente-
rialcapillaren eines Hundes noch einmal so geschwind fand, als in den
feinsten Gefässen der Froschschwimmhaut.

Leber; Blutstrom in derselben.
Dann wird aber auch bei jeder Inspiration die schlaffe Masse des Bauch-
inhaltes zusammengedrückt, entsprechend der Kraft, mit welcher das Zwerg-
fell sich zusammenzieht, und dieser Druck muss nothwendig das Blut
in der Pfortader beschleunigen, das durch die steife Leber seinen un-
gehemmten Ausweg findet. — Aber auch bei gleicher Triebkraft muss
die Geschwindigkheit veränderlich sein, weil die Widerstände namentlich
jenseits der Leber in der Brusthöhle gar nicht unbeträchtlich variabel
sind. Bei jeder Inspiration mindert und bei jeder Exspiration mehrt er
sich bekanntlich. So deuten also alle Umstände darauf hin, dass in der
Ausathmung das Fliessen langsamer und in der Einathmung rascher
ist. — Aehnliches gilt auch für den Strom in der Leberarterie. — Ueber
das Verhältniss der Geschwindigkeiten in den beiden Gefässen pflegt
man sich gewöhnlich dahin auszudrücken, dass die Strömung in der
Leberarterie viel rascher als in der Pfortader sei, weil die lebendige
Kraft des frisch aus dem Herzen dringenden Arterienbluts weit bedeuten-
der sei, als die des Pfortaderblutes, das aus den Darmcapillaren zurück-
kehrt, während die Hemmungen, welche beiden in der Leber bevorstehen,
vollkommen gleich seien. Man bedenkt dabei nicht, dass auch das Blut
der a. hepatica durch zwei Capillarennetze, die beide in der Leber lie-
gen, wandern muss; von denen das erstere so angeordnet ist, dass es den
Strom der Leberarterie wahrscheinlich mehr hemmt, als dasjenige, wel-
ches der Pfortader vorausgeht. Das Bett der Darmarterien erweitert sich
nemlich dem Anschein nach beim Uebergang in das Capillarensystem
der Darm- und Drüsenwände viel beträchtlicher, als das der Leberarterie
bei ihrer Vertheilung in vasa vasorum; unter dieser Voraussetzung würde
aber nach bekannten hydraulischen Grundsätzen unsere obige Behauptung
eintreffen. So viel ist jedoch klar, dass die Sache sich gegenwärtig
nicht entscheiden lässt.

Die absoluten Werthe der Geschwindigkeit sind nicht bekannt; man
vermuthet, dass der Strom in der vena porta sehr langsam sein möchte.
Dafür spricht aber nicht einmal die Theorie; denn gesetzt, es besässe
das Pfortaderblut nur schwache lebendige Kräfte, so würden sie doch
hinreichen, um bei geringen Widerständen in der Leber immer noch
Geschwindigkeit zu erzeugen, die, verglichen mit der des Kreislaufes
überhaupt, beträchtlich genannt werden könnte. Nun spricht die enorme
Zahl der Lebercapillaren und demnach der langsame Strom in ihnen
sehr dafür, dass das Blut in der Leber wenig Hindernisse erfährt, und
die Einfügung der Lebervene in die untere Hohlvene geschieht an einer
so günstigen Stelle, dass jenseits der Leber dem Strom die möglichst
geringe Hemmung entgegensteht. Mit dieser Anschauung stimmt die Er-
fahrung von Volkmann, welcher den Centralstrom in den Mesente-
rialcapillaren eines Hundes noch einmal so geschwind fand, als in den
feinsten Gefässen der Froschschwimmhaut.

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[222/0238] Leber; Blutstrom in derselben. Dann wird aber auch bei jeder Inspiration die schlaffe Masse des Bauch- inhaltes zusammengedrückt, entsprechend der Kraft, mit welcher das Zwerg- fell sich zusammenzieht, und dieser Druck muss nothwendig das Blut in der Pfortader beschleunigen, das durch die steife Leber seinen un- gehemmten Ausweg findet. — Aber auch bei gleicher Triebkraft muss die Geschwindigkheit veränderlich sein, weil die Widerstände namentlich jenseits der Leber in der Brusthöhle gar nicht unbeträchtlich variabel sind. Bei jeder Inspiration mindert und bei jeder Exspiration mehrt er sich bekanntlich. So deuten also alle Umstände darauf hin, dass in der Ausathmung das Fliessen langsamer und in der Einathmung rascher ist. — Aehnliches gilt auch für den Strom in der Leberarterie. — Ueber das Verhältniss der Geschwindigkeiten in den beiden Gefässen pflegt man sich gewöhnlich dahin auszudrücken, dass die Strömung in der Leberarterie viel rascher als in der Pfortader sei, weil die lebendige Kraft des frisch aus dem Herzen dringenden Arterienbluts weit bedeuten- der sei, als die des Pfortaderblutes, das aus den Darmcapillaren zurück- kehrt, während die Hemmungen, welche beiden in der Leber bevorstehen, vollkommen gleich seien. Man bedenkt dabei nicht, dass auch das Blut der a. hepatica durch zwei Capillarennetze, die beide in der Leber lie- gen, wandern muss; von denen das erstere so angeordnet ist, dass es den Strom der Leberarterie wahrscheinlich mehr hemmt, als dasjenige, wel- ches der Pfortader vorausgeht. Das Bett der Darmarterien erweitert sich nemlich dem Anschein nach beim Uebergang in das Capillarensystem der Darm- und Drüsenwände viel beträchtlicher, als das der Leberarterie bei ihrer Vertheilung in vasa vasorum; unter dieser Voraussetzung würde aber nach bekannten hydraulischen Grundsätzen unsere obige Behauptung eintreffen. So viel ist jedoch klar, dass die Sache sich gegenwärtig nicht entscheiden lässt. Die absoluten Werthe der Geschwindigkeit sind nicht bekannt; man vermuthet, dass der Strom in der vena porta sehr langsam sein möchte. Dafür spricht aber nicht einmal die Theorie; denn gesetzt, es besässe das Pfortaderblut nur schwache lebendige Kräfte, so würden sie doch hinreichen, um bei geringen Widerständen in der Leber immer noch Geschwindigkeit zu erzeugen, die, verglichen mit der des Kreislaufes überhaupt, beträchtlich genannt werden könnte. Nun spricht die enorme Zahl der Lebercapillaren und demnach der langsame Strom in ihnen sehr dafür, dass das Blut in der Leber wenig Hindernisse erfährt, und die Einfügung der Lebervene in die untere Hohlvene geschieht an einer so günstigen Stelle, dass jenseits der Leber dem Strom die möglichst geringe Hemmung entgegensteht. Mit dieser Anschauung stimmt die Er- fahrung von Volkmann, welcher den Centralstrom in den Mesente- rialcapillaren eines Hundes noch einmal so geschwind fand, als in den feinsten Gefässen der Froschschwimmhaut.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/238>, abgerufen am 20.04.2024.