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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Zähne.
Schmelzprismen. Zahnbein und Schmelz wachsen sich somit entgegen
und werden zusammengepresst durch den Druck, welchen die Blutgefässe
und die aus ihnen geschiedenen Stoffe in dem geschlossenen Säckchen
erzeugen. An der Grenze von Schmelzfasern und Zahnröhren beginnt
nun auch jedesmal die Verkalkung und zwar gleichzeitig in beiden Ge-
bilden; Wachsthum der Grundlagen und Verknöcherung derselben schreitet
dann in dem Schmelz und Zahnbein nach entgegengesetzten Richtungen
fort. Da das Säckchen einen starken Widerstand leistet, so muss die
in dasselbe abgesonderte Masse allmählig die eintretenden Gefässe zu-
sammendrücken; dieses wird aber zuerst denen des Schmelzkeims be-
gegnen, weil ihre zuführenden Arterien enger und darum auch der Strom
in ihnen schwächer ist; die Schmelzbildung ist dann natürlich geschlossen.
Wenn dieses geschehen ist, so verlängert sich das Säckchen gegen die
Alveolarhöhle aus unbekannten Gründen; das Zahnbein, welches in dieser
Verlängerung entsteht, kann aber natürlich nicht mehr mit Schmelz über-
zogen sein, es stellt die spätere Wurzel dar; da die ihn umkleidende
Wand des Säckchens zum Periost der Alveolarhöhle wird, so scheidet
dieses nun nach zwei Seiten Knochensubstanz aus, nemlich auf den
Zahn als Kitt und ausserdem in den Alveolarrand. So wie nun der
Wurzeltheil des Zahns gegen den Kieferknochen sich andrängt, muss bei
noch weiterm Wachsen das nachgiebigere Zahnfleisch ausgespannt und
seine Gefässe zusammengedrückt werden, und darum wird der Zahn das-
selbe durchbrechen, wobei die zuerst gebildete Krone durch die allmäh-
lich sich entwickelnde Wurzel vorgeschoben wird. -- Ein grösserer Theil
der zuerst hervorbrechenden Zähne, die Milchzähne, fallen bekanntlich
in der Kindheit wieder aus, um durch neue ersetzt zu werden. Die
neuen Zähne entstehen aber genau wie die Milchzähne in Säckchen,
welche schon in der Fötalperiode gebaut wurden. Indem sie sich ent-
wickeln, schieben sie nicht einfach den alten Zahn vor sich her, sondern
sie leiten eine Auflösung der Wurzel ein.

Von den Milchzähnen brechen zuerst die innern und dann die
äussern Schneidezähne durch, hierauf die ersten Back-, dann die Eck-
und schliesslich die zweiten Backzähne. Der erste von diesen Zähnen
pflegt gegen den 7., der letzte gegen den 30. Monat nach der Geburt
hervorzukommen. Von den bleibenden Zähnen erscheint zuerst der dritte
Backzahn, darauf die innern Schneidezähne und die übrigen in einer ähn-
lichen Reihenfolge wie die Milchzähne. Das zweite Zahnen beginnt mit
dem 7. und endet mit dem 18. Jahre.

Die Veränderungen, welche die ausgewachsenen Zähne darbieten,
sind äusserst unbedeutend. Sie beschränken sich, abgesehen von Krank-
heiten, auf eine Abnutzung der Krone beim Kauen und die Einlagerung
von Kalksalzen in die Zahnhöhle, die im hohen Alter oft sehr verengt
angetroffen wird. -- Die Zahnröhren führen, wie es danach scheint, keine

Zähne.
Schmelzprismen. Zahnbein und Schmelz wachsen sich somit entgegen
und werden zusammengepresst durch den Druck, welchen die Blutgefässe
und die aus ihnen geschiedenen Stoffe in dem geschlossenen Säckchen
erzeugen. An der Grenze von Schmelzfasern und Zahnröhren beginnt
nun auch jedesmal die Verkalkung und zwar gleichzeitig in beiden Ge-
bilden; Wachsthum der Grundlagen und Verknöcherung derselben schreitet
dann in dem Schmelz und Zahnbein nach entgegengesetzten Richtungen
fort. Da das Säckchen einen starken Widerstand leistet, so muss die
in dasselbe abgesonderte Masse allmählig die eintretenden Gefässe zu-
sammendrücken; dieses wird aber zuerst denen des Schmelzkeims be-
gegnen, weil ihre zuführenden Arterien enger und darum auch der Strom
in ihnen schwächer ist; die Schmelzbildung ist dann natürlich geschlossen.
Wenn dieses geschehen ist, so verlängert sich das Säckchen gegen die
Alveolarhöhle aus unbekannten Gründen; das Zahnbein, welches in dieser
Verlängerung entsteht, kann aber natürlich nicht mehr mit Schmelz über-
zogen sein, es stellt die spätere Wurzel dar; da die ihn umkleidende
Wand des Säckchens zum Periost der Alveolarhöhle wird, so scheidet
dieses nun nach zwei Seiten Knochensubstanz aus, nemlich auf den
Zahn als Kitt und ausserdem in den Alveolarrand. So wie nun der
Wurzeltheil des Zahns gegen den Kieferknochen sich andrängt, muss bei
noch weiterm Wachsen das nachgiebigere Zahnfleisch ausgespannt und
seine Gefässe zusammengedrückt werden, und darum wird der Zahn das-
selbe durchbrechen, wobei die zuerst gebildete Krone durch die allmäh-
lich sich entwickelnde Wurzel vorgeschoben wird. — Ein grösserer Theil
der zuerst hervorbrechenden Zähne, die Milchzähne, fallen bekanntlich
in der Kindheit wieder aus, um durch neue ersetzt zu werden. Die
neuen Zähne entstehen aber genau wie die Milchzähne in Säckchen,
welche schon in der Fötalperiode gebaut wurden. Indem sie sich ent-
wickeln, schieben sie nicht einfach den alten Zahn vor sich her, sondern
sie leiten eine Auflösung der Wurzel ein.

Von den Milchzähnen brechen zuerst die innern und dann die
äussern Schneidezähne durch, hierauf die ersten Back-, dann die Eck-
und schliesslich die zweiten Backzähne. Der erste von diesen Zähnen
pflegt gegen den 7., der letzte gegen den 30. Monat nach der Geburt
hervorzukommen. Von den bleibenden Zähnen erscheint zuerst der dritte
Backzahn, darauf die innern Schneidezähne und die übrigen in einer ähn-
lichen Reihenfolge wie die Milchzähne. Das zweite Zahnen beginnt mit
dem 7. und endet mit dem 18. Jahre.

Die Veränderungen, welche die ausgewachsenen Zähne darbieten,
sind äusserst unbedeutend. Sie beschränken sich, abgesehen von Krank-
heiten, auf eine Abnutzung der Krone beim Kauen und die Einlagerung
von Kalksalzen in die Zahnhöhle, die im hohen Alter oft sehr verengt
angetroffen wird. — Die Zahnröhren führen, wie es danach scheint, keine

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[201/0217] Zähne. Schmelzprismen. Zahnbein und Schmelz wachsen sich somit entgegen und werden zusammengepresst durch den Druck, welchen die Blutgefässe und die aus ihnen geschiedenen Stoffe in dem geschlossenen Säckchen erzeugen. An der Grenze von Schmelzfasern und Zahnröhren beginnt nun auch jedesmal die Verkalkung und zwar gleichzeitig in beiden Ge- bilden; Wachsthum der Grundlagen und Verknöcherung derselben schreitet dann in dem Schmelz und Zahnbein nach entgegengesetzten Richtungen fort. Da das Säckchen einen starken Widerstand leistet, so muss die in dasselbe abgesonderte Masse allmählig die eintretenden Gefässe zu- sammendrücken; dieses wird aber zuerst denen des Schmelzkeims be- gegnen, weil ihre zuführenden Arterien enger und darum auch der Strom in ihnen schwächer ist; die Schmelzbildung ist dann natürlich geschlossen. Wenn dieses geschehen ist, so verlängert sich das Säckchen gegen die Alveolarhöhle aus unbekannten Gründen; das Zahnbein, welches in dieser Verlängerung entsteht, kann aber natürlich nicht mehr mit Schmelz über- zogen sein, es stellt die spätere Wurzel dar; da die ihn umkleidende Wand des Säckchens zum Periost der Alveolarhöhle wird, so scheidet dieses nun nach zwei Seiten Knochensubstanz aus, nemlich auf den Zahn als Kitt und ausserdem in den Alveolarrand. So wie nun der Wurzeltheil des Zahns gegen den Kieferknochen sich andrängt, muss bei noch weiterm Wachsen das nachgiebigere Zahnfleisch ausgespannt und seine Gefässe zusammengedrückt werden, und darum wird der Zahn das- selbe durchbrechen, wobei die zuerst gebildete Krone durch die allmäh- lich sich entwickelnde Wurzel vorgeschoben wird. — Ein grösserer Theil der zuerst hervorbrechenden Zähne, die Milchzähne, fallen bekanntlich in der Kindheit wieder aus, um durch neue ersetzt zu werden. Die neuen Zähne entstehen aber genau wie die Milchzähne in Säckchen, welche schon in der Fötalperiode gebaut wurden. Indem sie sich ent- wickeln, schieben sie nicht einfach den alten Zahn vor sich her, sondern sie leiten eine Auflösung der Wurzel ein. Von den Milchzähnen brechen zuerst die innern und dann die äussern Schneidezähne durch, hierauf die ersten Back-, dann die Eck- und schliesslich die zweiten Backzähne. Der erste von diesen Zähnen pflegt gegen den 7., der letzte gegen den 30. Monat nach der Geburt hervorzukommen. Von den bleibenden Zähnen erscheint zuerst der dritte Backzahn, darauf die innern Schneidezähne und die übrigen in einer ähn- lichen Reihenfolge wie die Milchzähne. Das zweite Zahnen beginnt mit dem 7. und endet mit dem 18. Jahre. Die Veränderungen, welche die ausgewachsenen Zähne darbieten, sind äusserst unbedeutend. Sie beschränken sich, abgesehen von Krank- heiten, auf eine Abnutzung der Krone beim Kauen und die Einlagerung von Kalksalzen in die Zahnhöhle, die im hohen Alter oft sehr verengt angetroffen wird. — Die Zahnröhren führen, wie es danach scheint, keine

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/217>, abgerufen am 19.04.2024.