Hühnereiweiss und Blutserum (Wittich)*) ein Niederschlag gebildet; fernerhin erzeugt ein reichlicher Zusatz von Kochsalz zu Blutserum und noch mehr zu dem Inhalt seröser Säcke eine Fällung (Virchow)**), und endlich trübt eine reichliche Beimengung reinen Wassers das Blut- serum (Scherer) und den Inhalt der Furchungskugeln (Bischoff). -- Drittens ist es möglich, die eiweissartigen Stoffe unlöslich zu machen durch Herbeiführung einer Verbindung derselben mit andern chemi- schen Körpern. Fälle, welche unter dieser letzten Rubrik aufzuzählen wären, sind uns in den Vorkommnissen des thierischen Lebens nicht bekannt.
b. Wovon sind die Gestalten der primären Niederschläge abhän- gig? Die geometrischen Eigenschaften der Flächen, welche einen Nieder- schlag begrenzen, müssen entweder hervorgerufen sein von Kräften, welche innerhalb seiner Masse thätig sind, also von innern, oder von Umständen, welche mit Rücksicht auf die Masse, aus welcher der Nieder- schlag besteht, äussere zu nennen sind. Da im erstern Fall der Nieder- schlag, wie gross und klein er auch erscheinen mag, immer mit einer bestimmten Form auftreten muss, weil diese ja von den Eigenschaften seiner (wäg- und unwägbaren) Substanz abhängig ist, so nennt man alle Massen, zwischen deren Molekeln formbestimmende Kräfte sich geltend machen, geformte, alle andern dagegen, deren Gestalt sich nach den Um- ständen richtet, die von aussen her auf ihre Grenzen wirken, formlose. Die Erfahrung hat nun längst Kennzeichen aufgestellt, aus welchen ent- schieden werden kann, ob eine Masse zu der einen oder andern Kate- gorie zu stellen sei. Die Richtkräfte nemlich, welche die Molekeln der geformten Masse anordnen, führen jedesmal zur Bildung von Krystallen, d. h. zu Figuren, die von Ebenen, welche unter bestimmten Winkeln zusammenstossen, begrenzt sind; zugleich sind die Molekeln innerhalb der Krystalle mindestens in zwei aufeinander senkrechten Richtungen, welche durch die sog. Krystallachsen bestimmt werden, in einer ungleichen An- ordnung enthalten, vermöge deren die Widerstände, welche sich dem Durchgang des Lichtes, der Wärme und Elektrizität entgegensetzen, und ebenso die Cohäsion und Elastizität nach der einen der bezeichneten Richtungen grösser sind, als nach den andern. -- Gerade umgekehrt verhalten sich die formlosen Stoffe; in ihnen findet Licht, Wärme und Elektrizität den Weg nach allen Richtungen hin auf gleiche Weise ge- bahnt, und ebensowenig ist die eine Dimension vor der andern durch Elastizität und Cohäsion bevorzugt.
Die Zahl der festen am Menschen vorkommenden Stoffe, deren Ge- füge sich unzweifelhaft bestimmen lässt, ist gering; sie besitzen sämmt- lich ein krystallinisches Gefüge. Zu ihnen gehören krystallinische Fette
*)Liebigs Annalen. 91. Bd. 334.
**) De hymenogenia albuminis. Regiomontii 1850.
Gefüge des festen Aggregatzustandes.
Hühnereiweiss und Blutserum (Wittich)*) ein Niederschlag gebildet; fernerhin erzeugt ein reichlicher Zusatz von Kochsalz zu Blutserum und noch mehr zu dem Inhalt seröser Säcke eine Fällung (Virchow)**), und endlich trübt eine reichliche Beimengung reinen Wassers das Blut- serum (Scherer) und den Inhalt der Furchungskugeln (Bischoff). — Drittens ist es möglich, die eiweissartigen Stoffe unlöslich zu machen durch Herbeiführung einer Verbindung derselben mit andern chemi- schen Körpern. Fälle, welche unter dieser letzten Rubrik aufzuzählen wären, sind uns in den Vorkommnissen des thierischen Lebens nicht bekannt.
β. Wovon sind die Gestalten der primären Niederschläge abhän- gig? Die geometrischen Eigenschaften der Flächen, welche einen Nieder- schlag begrenzen, müssen entweder hervorgerufen sein von Kräften, welche innerhalb seiner Masse thätig sind, also von innern, oder von Umständen, welche mit Rücksicht auf die Masse, aus welcher der Nieder- schlag besteht, äussere zu nennen sind. Da im erstern Fall der Nieder- schlag, wie gross und klein er auch erscheinen mag, immer mit einer bestimmten Form auftreten muss, weil diese ja von den Eigenschaften seiner (wäg- und unwägbaren) Substanz abhängig ist, so nennt man alle Massen, zwischen deren Molekeln formbestimmende Kräfte sich geltend machen, geformte, alle andern dagegen, deren Gestalt sich nach den Um- ständen richtet, die von aussen her auf ihre Grenzen wirken, formlose. Die Erfahrung hat nun längst Kennzeichen aufgestellt, aus welchen ent- schieden werden kann, ob eine Masse zu der einen oder andern Kate- gorie zu stellen sei. Die Richtkräfte nemlich, welche die Molekeln der geformten Masse anordnen, führen jedesmal zur Bildung von Krystallen, d. h. zu Figuren, die von Ebenen, welche unter bestimmten Winkeln zusammenstossen, begrenzt sind; zugleich sind die Molekeln innerhalb der Krystalle mindestens in zwei aufeinander senkrechten Richtungen, welche durch die sog. Krystallachsen bestimmt werden, in einer ungleichen An- ordnung enthalten, vermöge deren die Widerstände, welche sich dem Durchgang des Lichtes, der Wärme und Elektrizität entgegensetzen, und ebenso die Cohäsion und Elastizität nach der einen der bezeichneten Richtungen grösser sind, als nach den andern. — Gerade umgekehrt verhalten sich die formlosen Stoffe; in ihnen findet Licht, Wärme und Elektrizität den Weg nach allen Richtungen hin auf gleiche Weise ge- bahnt, und ebensowenig ist die eine Dimension vor der andern durch Elastizität und Cohäsion bevorzugt.
Die Zahl der festen am Menschen vorkommenden Stoffe, deren Ge- füge sich unzweifelhaft bestimmen lässt, ist gering; sie besitzen sämmt- lich ein krystallinisches Gefüge. Zu ihnen gehören krystallinische Fette
*)Liebigs Annalen. 91. Bd. 334.
**) De hymenogenia albuminis. Regiomontii 1850.
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Gefüge des festen Aggregatzustandes.
Hühnereiweiss und Blutserum (Wittich) *) ein Niederschlag gebildet;
fernerhin erzeugt ein reichlicher Zusatz von Kochsalz zu Blutserum und
noch mehr zu dem Inhalt seröser Säcke eine Fällung (Virchow) **),
und endlich trübt eine reichliche Beimengung reinen Wassers das Blut-
serum (Scherer) und den Inhalt der Furchungskugeln (Bischoff). —
Drittens ist es möglich, die eiweissartigen Stoffe unlöslich zu machen
durch Herbeiführung einer Verbindung derselben mit andern chemi-
schen Körpern. Fälle, welche unter dieser letzten Rubrik aufzuzählen
wären, sind uns in den Vorkommnissen des thierischen Lebens nicht
bekannt.
β. Wovon sind die Gestalten der primären Niederschläge abhän-
gig? Die geometrischen Eigenschaften der Flächen, welche einen Nieder-
schlag begrenzen, müssen entweder hervorgerufen sein von Kräften,
welche innerhalb seiner Masse thätig sind, also von innern, oder von
Umständen, welche mit Rücksicht auf die Masse, aus welcher der Nieder-
schlag besteht, äussere zu nennen sind. Da im erstern Fall der Nieder-
schlag, wie gross und klein er auch erscheinen mag, immer mit einer
bestimmten Form auftreten muss, weil diese ja von den Eigenschaften
seiner (wäg- und unwägbaren) Substanz abhängig ist, so nennt man alle
Massen, zwischen deren Molekeln formbestimmende Kräfte sich geltend
machen, geformte, alle andern dagegen, deren Gestalt sich nach den Um-
ständen richtet, die von aussen her auf ihre Grenzen wirken, formlose.
Die Erfahrung hat nun längst Kennzeichen aufgestellt, aus welchen ent-
schieden werden kann, ob eine Masse zu der einen oder andern Kate-
gorie zu stellen sei. Die Richtkräfte nemlich, welche die Molekeln der
geformten Masse anordnen, führen jedesmal zur Bildung von Krystallen,
d. h. zu Figuren, die von Ebenen, welche unter bestimmten Winkeln
zusammenstossen, begrenzt sind; zugleich sind die Molekeln innerhalb der
Krystalle mindestens in zwei aufeinander senkrechten Richtungen, welche
durch die sog. Krystallachsen bestimmt werden, in einer ungleichen An-
ordnung enthalten, vermöge deren die Widerstände, welche sich dem
Durchgang des Lichtes, der Wärme und Elektrizität entgegensetzen, und
ebenso die Cohäsion und Elastizität nach der einen der bezeichneten
Richtungen grösser sind, als nach den andern. — Gerade umgekehrt
verhalten sich die formlosen Stoffe; in ihnen findet Licht, Wärme und
Elektrizität den Weg nach allen Richtungen hin auf gleiche Weise ge-
bahnt, und ebensowenig ist die eine Dimension vor der andern durch
Elastizität und Cohäsion bevorzugt.
Die Zahl der festen am Menschen vorkommenden Stoffe, deren Ge-
füge sich unzweifelhaft bestimmen lässt, ist gering; sie besitzen sämmt-
lich ein krystallinisches Gefüge. Zu ihnen gehören krystallinische Fette
*) Liebigs Annalen. 91. Bd. 334.
**) De hymenogenia albuminis. Regiomontii 1850.
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/173>, abgerufen am 16.02.2025.
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