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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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drungenen Flüssigkeiten dort auf eine verschiedene Weise angeordnet
sind, und dann, dass die Drücke, welche man zur Erzeugung des Fil-
trationsstromes angewendet hat, gerade nur hinreichen, um die Mittel-
schicht, nicht aber die Wandschicht der eingedrungenen Lösung zu be-
wegen. Sollte sich in der That ein allgemeiner Beweis für die Behaup-
tung erbringen lassen, dass die Drücke, welche thierische Häute, ohne
zu zerreissen, ertragen können, nicht genügten, um die Wandschicht in
Bewegung zu setzen, so würde damit dargethan sein, dass überhaupt
die Filtration durch eine thierische Haut keine chemische Scheidung
veranlassen könnte. Jedenfalls müssen wir aber, so lange ein empiri-
scher Gegenbeweis fehlt, an diesem Grundsatz festhalten. Mit dieser
Vorsicht ist man freilich nicht immer zu Werke gegangen, indem man
sich auf die Ergebnisse der Filtration durch Kohle, Ziegelsteine u. s. w.
berief, bei denen in der That die Zusammensetzung der durchgegange-
nen und der aufgegossenen Flüssigkeit verschieden sein können. Man
übersah aber hierbei, dass die Kohle nur durch ihre Verwandtschaft zu
den im Filtrat fehlenden Bestandtheilen jene Scheidung erzeugt. Denn
der Stoff, welcher der durchgelaufenen Flüssigkeit fehlt, ist, wie die che-
mische Untersuchung des Kohlenfilters erweist, in ihm zurückgehalten
worden. Aus diesem Grunde ist eine beliebige Menge von Kohle auch
nur so lange als Scheidungsmittel brauchbar, als sie sich nicht mit je-
nem Stoff gesättigt hat; so wie dieses geschehen, geht auch die aufge-
gossene Flüssigkeit unverändert durch dieselbe. Käme nun in der That
den thierischen Häuten eine ähnliche Eigenschaft, dem Blut oder andern
Flüssigkeiten gegenüber, zu, so würde dadurch doch keine chemische
Scheidung bewirkt werden können. Denn die thierischen Häute, welche
sich an der Sekretion betheiligen, sind sehr dünn, und die Filtrations-
ströme gehen in gleicher Weise sehr lange Zeit durch sie hindurch, so
dass der Stoff ihrer Porenwandungen sehr bald mit dem Stoffe, den sie
zurückhalten könnten, gesättigt sein würde. Dauernd würde sie nur
dann als chemisches Scheidungsmittel zu benutzen sein, wenn ihnen die
Eigenschaft zukäme, gewissen Bestandtheilen einer aufgegossenen Flüssig-
keit geradezu den Eintritt in ihre Poren zu verwehren.

b. Diffusion. Auf dem Wege der Diffusion müssen unzweifel-
haft Blutbestandtheile aus den Gefässröhren in die umgebenden Gewebe
geführt werden, weil diese letztern mit wässerigen Flüssigkeiten erfüllt
sind, deren Zusammensetzung von der Blutflüssigkeit abweicht. Ueber
diese Strömungen lässt sich allgemein angeben 1) Sie werden nach den
Prinzipien für die endosmotischen Strömungen zu beurtheilen sein, weil die
beiden Flüssigkeiten durch eine thierische Haut getrennt sind. -- 2) Die
Ströme werden während der ganzen Lebensdauer ununterbrochen fortbe-
stehen, weil nemlich zahlreiche Einrichtungen angebracht sind, welche es
verhüten, dass die Flüssigkeiten zu den beiden Seiten der Membran eine

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Diffusion.
drungenen Flüssigkeiten dort auf eine verschiedene Weise angeordnet
sind, und dann, dass die Drücke, welche man zur Erzeugung des Fil-
trationsstromes angewendet hat, gerade nur hinreichen, um die Mittel-
schicht, nicht aber die Wandschicht der eingedrungenen Lösung zu be-
wegen. Sollte sich in der That ein allgemeiner Beweis für die Behaup-
tung erbringen lassen, dass die Drücke, welche thierische Häute, ohne
zu zerreissen, ertragen können, nicht genügten, um die Wandschicht in
Bewegung zu setzen, so würde damit dargethan sein, dass überhaupt
die Filtration durch eine thierische Haut keine chemische Scheidung
veranlassen könnte. Jedenfalls müssen wir aber, so lange ein empiri-
scher Gegenbeweis fehlt, an diesem Grundsatz festhalten. Mit dieser
Vorsicht ist man freilich nicht immer zu Werke gegangen, indem man
sich auf die Ergebnisse der Filtration durch Kohle, Ziegelsteine u. s. w.
berief, bei denen in der That die Zusammensetzung der durchgegange-
nen und der aufgegossenen Flüssigkeit verschieden sein können. Man
übersah aber hierbei, dass die Kohle nur durch ihre Verwandtschaft zu
den im Filtrat fehlenden Bestandtheilen jene Scheidung erzeugt. Denn
der Stoff, welcher der durchgelaufenen Flüssigkeit fehlt, ist, wie die che-
mische Untersuchung des Kohlenfilters erweist, in ihm zurückgehalten
worden. Aus diesem Grunde ist eine beliebige Menge von Kohle auch
nur so lange als Scheidungsmittel brauchbar, als sie sich nicht mit je-
nem Stoff gesättigt hat; so wie dieses geschehen, geht auch die aufge-
gossene Flüssigkeit unverändert durch dieselbe. Käme nun in der That
den thierischen Häuten eine ähnliche Eigenschaft, dem Blut oder andern
Flüssigkeiten gegenüber, zu, so würde dadurch doch keine chemische
Scheidung bewirkt werden können. Denn die thierischen Häute, welche
sich an der Sekretion betheiligen, sind sehr dünn, und die Filtrations-
ströme gehen in gleicher Weise sehr lange Zeit durch sie hindurch, so
dass der Stoff ihrer Porenwandungen sehr bald mit dem Stoffe, den sie
zurückhalten könnten, gesättigt sein würde. Dauernd würde sie nur
dann als chemisches Scheidungsmittel zu benutzen sein, wenn ihnen die
Eigenschaft zukäme, gewissen Bestandtheilen einer aufgegossenen Flüssig-
keit geradezu den Eintritt in ihre Poren zu verwehren.

b. Diffusion. Auf dem Wege der Diffusion müssen unzweifel-
haft Blutbestandtheile aus den Gefässröhren in die umgebenden Gewebe
geführt werden, weil diese letztern mit wässerigen Flüssigkeiten erfüllt
sind, deren Zusammensetzung von der Blutflüssigkeit abweicht. Ueber
diese Strömungen lässt sich allgemein angeben 1) Sie werden nach den
Prinzipien für die endosmotischen Strömungen zu beurtheilen sein, weil die
beiden Flüssigkeiten durch eine thierische Haut getrennt sind. — 2) Die
Ströme werden während der ganzen Lebensdauer ununterbrochen fortbe-
stehen, weil nemlich zahlreiche Einrichtungen angebracht sind, welche es
verhüten, dass die Flüssigkeiten zu den beiden Seiten der Membran eine

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[147/0163] Diffusion. drungenen Flüssigkeiten dort auf eine verschiedene Weise angeordnet sind, und dann, dass die Drücke, welche man zur Erzeugung des Fil- trationsstromes angewendet hat, gerade nur hinreichen, um die Mittel- schicht, nicht aber die Wandschicht der eingedrungenen Lösung zu be- wegen. Sollte sich in der That ein allgemeiner Beweis für die Behaup- tung erbringen lassen, dass die Drücke, welche thierische Häute, ohne zu zerreissen, ertragen können, nicht genügten, um die Wandschicht in Bewegung zu setzen, so würde damit dargethan sein, dass überhaupt die Filtration durch eine thierische Haut keine chemische Scheidung veranlassen könnte. Jedenfalls müssen wir aber, so lange ein empiri- scher Gegenbeweis fehlt, an diesem Grundsatz festhalten. Mit dieser Vorsicht ist man freilich nicht immer zu Werke gegangen, indem man sich auf die Ergebnisse der Filtration durch Kohle, Ziegelsteine u. s. w. berief, bei denen in der That die Zusammensetzung der durchgegange- nen und der aufgegossenen Flüssigkeit verschieden sein können. Man übersah aber hierbei, dass die Kohle nur durch ihre Verwandtschaft zu den im Filtrat fehlenden Bestandtheilen jene Scheidung erzeugt. Denn der Stoff, welcher der durchgelaufenen Flüssigkeit fehlt, ist, wie die che- mische Untersuchung des Kohlenfilters erweist, in ihm zurückgehalten worden. Aus diesem Grunde ist eine beliebige Menge von Kohle auch nur so lange als Scheidungsmittel brauchbar, als sie sich nicht mit je- nem Stoff gesättigt hat; so wie dieses geschehen, geht auch die aufge- gossene Flüssigkeit unverändert durch dieselbe. Käme nun in der That den thierischen Häuten eine ähnliche Eigenschaft, dem Blut oder andern Flüssigkeiten gegenüber, zu, so würde dadurch doch keine chemische Scheidung bewirkt werden können. Denn die thierischen Häute, welche sich an der Sekretion betheiligen, sind sehr dünn, und die Filtrations- ströme gehen in gleicher Weise sehr lange Zeit durch sie hindurch, so dass der Stoff ihrer Porenwandungen sehr bald mit dem Stoffe, den sie zurückhalten könnten, gesättigt sein würde. Dauernd würde sie nur dann als chemisches Scheidungsmittel zu benutzen sein, wenn ihnen die Eigenschaft zukäme, gewissen Bestandtheilen einer aufgegossenen Flüssig- keit geradezu den Eintritt in ihre Poren zu verwehren. b. Diffusion. Auf dem Wege der Diffusion müssen unzweifel- haft Blutbestandtheile aus den Gefässröhren in die umgebenden Gewebe geführt werden, weil diese letztern mit wässerigen Flüssigkeiten erfüllt sind, deren Zusammensetzung von der Blutflüssigkeit abweicht. Ueber diese Strömungen lässt sich allgemein angeben 1) Sie werden nach den Prinzipien für die endosmotischen Strömungen zu beurtheilen sein, weil die beiden Flüssigkeiten durch eine thierische Haut getrennt sind. — 2) Die Ströme werden während der ganzen Lebensdauer ununterbrochen fortbe- stehen, weil nemlich zahlreiche Einrichtungen angebracht sind, welche es verhüten, dass die Flüssigkeiten zu den beiden Seiten der Membran eine 10*

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/163>, abgerufen am 28.03.2024.