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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Spannung in dem Anfang des Arterienwerkes.
ist, ergiebt sich, dass die Mannigfaltigkeit der Spannungen, welche in
dem Gefässsystem eines Menschen entweder gleichzeitig an verschiedenen
Orten, oder an demselben Orte zu verschiedenen Zeiten erzeugbar sind,
unendlich sein können; zugleich ist ersichtlich, dass eine theoretische
Voraussicht der einzelnen Fälle unmöglich ist.

Sehr zahlreiche Erfahrungen, die über die durch den Herzschlag
veränderten Spannungserscheinungen vorliegen, erlauben aber demnach
einige allgemeine Bemerkungen von praktischer Wichtigkeit; wir wer-
den bei ihrer Aufzählung den Weg einschlagen, dass wir an verschie-
denen Orten der Reihe nach die mit den Herzzuständen wechselnden
Spannungen in das Auge fassen. -- Die Thatsachen werden in der an-
schaulichen Form, in der sie gewonnen sind, der Betrachtung zu Grunde
gelegt, nemlich als Curven, wie sie der in Fig. 42. dargestellte Span-
nungszeichner lieferte. Die Achse der X von dem Coordinatensystem, in
das sie eingetragen sind, giebt die Zeit, die der Y dagegen die Spannun-
gen an, gemessen durch die in Millimetern ausgedrückte Höhe einer
Quecksilbersäule.

A. Anfang des arteriellen Systems; insbesondere a. caro-
tis
oder a. cruralis. Zuerst werden wir den Fall behandeln, in
welchem sehr kräftige Herzschläge in langen Pausen einander folgen,
wie man sie erhält, wenn man die nervi vagi in eine gelinde Erregung
versetzt; und zwar darum, weil die Folgen der Herzwirkung an ihnen
am deutlichsten hervortreten. Mässigt man, nachdem die n. vagi so an-
haltend und kräftig erregt sind, dass das Herz längere Zeit vollkom-
men stillstand und das Quecksilber des Manometers endlich auf einer
Höhe, die sich für längere Zeit constant erhielt, anlangte, die Schläge
des Induktionsapparates, so zeichnet der Schreibmanometer die Curven
von beistehender Form. Mit dem Eintritt des ersten Herzschlags erhebt
sich der Druck, von dem der Ruhe (Fig. 43.) y', und zwar zuerst sehr

[Abbildung] Fig. 43.
rasch, dann aber allmähliger, bis
er auf das Maximum seines Wer-
thes angelangt ist, von hier fällt
er dann, und zwar zuerst rasch,
dann aber immer langsamer, je
näher er der Höhe kommt, von
welcher der Druck bei Beginn des
Herzschlags ausging, wie dieses
an den Unterschieden der Ordi-
naten a b c d e f g in den gleichen
Zeitabständen 1 2 3 4 5 6 7 zu
sehen ist. Folgen nun die Herz-
schläge in nicht gar zu langen Pausen aufeinander, so werden, bevor
die Einwirkungen des ersten von ihnen verschwunden sind, die des zweiten

Spannung in dem Anfang des Arterienwerkes.
ist, ergiebt sich, dass die Mannigfaltigkeit der Spannungen, welche in
dem Gefässsystem eines Menschen entweder gleichzeitig an verschiedenen
Orten, oder an demselben Orte zu verschiedenen Zeiten erzeugbar sind,
unendlich sein können; zugleich ist ersichtlich, dass eine theoretische
Voraussicht der einzelnen Fälle unmöglich ist.

Sehr zahlreiche Erfahrungen, die über die durch den Herzschlag
veränderten Spannungserscheinungen vorliegen, erlauben aber demnach
einige allgemeine Bemerkungen von praktischer Wichtigkeit; wir wer-
den bei ihrer Aufzählung den Weg einschlagen, dass wir an verschie-
denen Orten der Reihe nach die mit den Herzzuständen wechselnden
Spannungen in das Auge fassen. — Die Thatsachen werden in der an-
schaulichen Form, in der sie gewonnen sind, der Betrachtung zu Grunde
gelegt, nemlich als Curven, wie sie der in Fig. 42. dargestellte Span-
nungszeichner lieferte. Die Achse der X von dem Coordinatensystem, in
das sie eingetragen sind, giebt die Zeit, die der Y dagegen die Spannun-
gen an, gemessen durch die in Millimetern ausgedrückte Höhe einer
Quecksilbersäule.

A. Anfang des arteriellen Systems; insbesondere a. caro-
tis
oder a. cruralis. Zuerst werden wir den Fall behandeln, in
welchem sehr kräftige Herzschläge in langen Pausen einander folgen,
wie man sie erhält, wenn man die nervi vagi in eine gelinde Erregung
versetzt; und zwar darum, weil die Folgen der Herzwirkung an ihnen
am deutlichsten hervortreten. Mässigt man, nachdem die n. vagi so an-
haltend und kräftig erregt sind, dass das Herz längere Zeit vollkom-
men stillstand und das Quecksilber des Manometers endlich auf einer
Höhe, die sich für längere Zeit constant erhielt, anlangte, die Schläge
des Induktionsapparates, so zeichnet der Schreibmanometer die Curven
von beistehender Form. Mit dem Eintritt des ersten Herzschlags erhebt
sich der Druck, von dem der Ruhe (Fig. 43.) y′, und zwar zuerst sehr

[Abbildung] Fig. 43.
rasch, dann aber allmähliger, bis
er auf das Maximum seines Wer-
thes angelangt ist, von hier fällt
er dann, und zwar zuerst rasch,
dann aber immer langsamer, je
näher er der Höhe kommt, von
welcher der Druck bei Beginn des
Herzschlags ausging, wie dieses
an den Unterschieden der Ordi-
naten a b c d e f g in den gleichen
Zeitabständen 1 2 3 4 5 6 7 zu
sehen ist. Folgen nun die Herz-
schläge in nicht gar zu langen Pausen aufeinander, so werden, bevor
die Einwirkungen des ersten von ihnen verschwunden sind, die des zweiten

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[93/0109] Spannung in dem Anfang des Arterienwerkes. ist, ergiebt sich, dass die Mannigfaltigkeit der Spannungen, welche in dem Gefässsystem eines Menschen entweder gleichzeitig an verschiedenen Orten, oder an demselben Orte zu verschiedenen Zeiten erzeugbar sind, unendlich sein können; zugleich ist ersichtlich, dass eine theoretische Voraussicht der einzelnen Fälle unmöglich ist. Sehr zahlreiche Erfahrungen, die über die durch den Herzschlag veränderten Spannungserscheinungen vorliegen, erlauben aber demnach einige allgemeine Bemerkungen von praktischer Wichtigkeit; wir wer- den bei ihrer Aufzählung den Weg einschlagen, dass wir an verschie- denen Orten der Reihe nach die mit den Herzzuständen wechselnden Spannungen in das Auge fassen. — Die Thatsachen werden in der an- schaulichen Form, in der sie gewonnen sind, der Betrachtung zu Grunde gelegt, nemlich als Curven, wie sie der in Fig. 42. dargestellte Span- nungszeichner lieferte. Die Achse der X von dem Coordinatensystem, in das sie eingetragen sind, giebt die Zeit, die der Y dagegen die Spannun- gen an, gemessen durch die in Millimetern ausgedrückte Höhe einer Quecksilbersäule. A. Anfang des arteriellen Systems; insbesondere a. caro- tis oder a. cruralis. Zuerst werden wir den Fall behandeln, in welchem sehr kräftige Herzschläge in langen Pausen einander folgen, wie man sie erhält, wenn man die nervi vagi in eine gelinde Erregung versetzt; und zwar darum, weil die Folgen der Herzwirkung an ihnen am deutlichsten hervortreten. Mässigt man, nachdem die n. vagi so an- haltend und kräftig erregt sind, dass das Herz längere Zeit vollkom- men stillstand und das Quecksilber des Manometers endlich auf einer Höhe, die sich für längere Zeit constant erhielt, anlangte, die Schläge des Induktionsapparates, so zeichnet der Schreibmanometer die Curven von beistehender Form. Mit dem Eintritt des ersten Herzschlags erhebt sich der Druck, von dem der Ruhe (Fig. 43.) y′, und zwar zuerst sehr [Abbildung Fig. 43.] rasch, dann aber allmähliger, bis er auf das Maximum seines Wer- thes angelangt ist, von hier fällt er dann, und zwar zuerst rasch, dann aber immer langsamer, je näher er der Höhe kommt, von welcher der Druck bei Beginn des Herzschlags ausging, wie dieses an den Unterschieden der Ordi- naten a b c d e f g in den gleichen Zeitabständen 1 2 3 4 5 6 7 zu sehen ist. Folgen nun die Herz- schläge in nicht gar zu langen Pausen aufeinander, so werden, bevor die Einwirkungen des ersten von ihnen verschwunden sind, die des zweiten

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/109>, abgerufen am 25.04.2024.