c. Folgen der Herzbewegung in den Gefässröhren. Die Blutmengen, welche der Ventrikel in die grossen Arterien wirft, werden nun in dem Gefässystem einen Strom erzeugen, der die in Fig. 42. gegebene Rich- tung einhält. Da sich die beiden Herzkammern immer gleichzeitig zu- sammenziehen, so erscheint die stromerzeugende Ursache innerhalb des Gefässystems immer zugleich an zwei Orten, nemlich dem Anfang der grossen und kleinen Blutbahn. Bei einer solchen Anordnung stellt sich, abgesehen von allen übrigen Eigenschaften, die Forderung, dass aus jeder Herzhälfte immer gleichviel Blut ausströmen müsse, weil der eine Ventrikel dem andern die Flüssigkeit zusendet, so dass, wenn dieser Forderung nicht Genüge geleistet würde, sehr bald die eine Abtheilung ihren Gesammtinhalt in die andere entleert haben würde.
Der Strom, welcher vom Herzen aus erregt wird, pflanzt sich in der entsprechenden Gefässabtheilung bis zurück zum Herzen auf zweier- lei Art fort; nemlich durch Wellenbewegungen und Spannungs- unterschiede. Obwohl diese beiden Vorgänge, namentlich in den Arterien, durcheinander greifen, so müssen sie doch gesondert behandelt werden. Zunächst wenden wir uns zu den Wellen.
Da an der Grenze des Herzens und der grossen Gefässe die Be- dingungen für die Wellenbewegungen vorhanden sind, welche wir bei der theoretischen Auseinandersetzung (p. 49.) für ihre Entstehung ver- langten, so müssen sie auch entstehen. Und zwar bildet sich eine Berg- welle in den Arterien gegen die Capillaren, hinter der im Arteriensystem keine Thalwelle herschreitet; in den Venen dagegen bildet sich eine Thalwelle, die wiederum, ohne dass eine Spannungswelle auf sie folgte, gegen die Capillaren hinschreitet. Der Grund, aus dem die Thalwelle nach der Arterienseite hin ausbleibt, liegt aber darin, dass die Semilu- narklappe die Höhlung der Arterien und des Herzens abschliesst, sodass keine Entleerung der Arterien gegen das Herz hin stattfinden kann; nach der Venenseite kann aber vom Herzen aus keine Bergwelle erregt wer- den, weil das in die Ventrikel eingestürzte Blut nicht wieder direkt in die Vene zurückgeschleudert werden kann, wegen des Schlusses der Zipfelklappen. Das Hervorstechende für die Bewegung der Flüssigkeit in einer solchen Welle bestand darin, dass jedes in dem elastischen Rohr enthaltene Theilchen in der Richtung der Längenachse des Rohrs eine Geschwindigkeit erhielt, die von einem Minimum zu einem Maximum anwuchs und dann wieder absank. Diese verschiedenen Stadien der Geschwindigkeit erlangten nun aber die Theilchen nicht sämmtlich gleich- zeitig, sondern successive, sodass, wenn z. B. die dem Herzen zunächst gelegenen Flüssigkeitsabschnitte eine Beschleunigung empfangen haben, diese den entfernteren noch nicht zukommt, und umgekehrt, dass, wenn die vom Herzen entfernteren noch mit irgend welcher schwächeren oder stärkeren Geschwindigkeit begabt sind, die dem Herzen näher liegenden
Folgen der Herzbewegung in den Gefässen.
c. Folgen der Herzbewegung in den Gefässröhren. Die Blutmengen, welche der Ventrikel in die grossen Arterien wirft, werden nun in dem Gefässystem einen Strom erzeugen, der die in Fig. 42. gegebene Rich- tung einhält. Da sich die beiden Herzkammern immer gleichzeitig zu- sammenziehen, so erscheint die stromerzeugende Ursache innerhalb des Gefässystems immer zugleich an zwei Orten, nemlich dem Anfang der grossen und kleinen Blutbahn. Bei einer solchen Anordnung stellt sich, abgesehen von allen übrigen Eigenschaften, die Forderung, dass aus jeder Herzhälfte immer gleichviel Blut ausströmen müsse, weil der eine Ventrikel dem andern die Flüssigkeit zusendet, so dass, wenn dieser Forderung nicht Genüge geleistet würde, sehr bald die eine Abtheilung ihren Gesammtinhalt in die andere entleert haben würde.
Der Strom, welcher vom Herzen aus erregt wird, pflanzt sich in der entsprechenden Gefässabtheilung bis zurück zum Herzen auf zweier- lei Art fort; nemlich durch Wellenbewegungen und Spannungs- unterschiede. Obwohl diese beiden Vorgänge, namentlich in den Arterien, durcheinander greifen, so müssen sie doch gesondert behandelt werden. Zunächst wenden wir uns zu den Wellen.
Da an der Grenze des Herzens und der grossen Gefässe die Be- dingungen für die Wellenbewegungen vorhanden sind, welche wir bei der theoretischen Auseinandersetzung (p. 49.) für ihre Entstehung ver- langten, so müssen sie auch entstehen. Und zwar bildet sich eine Berg- welle in den Arterien gegen die Capillaren, hinter der im Arteriensystem keine Thalwelle herschreitet; in den Venen dagegen bildet sich eine Thalwelle, die wiederum, ohne dass eine Spannungswelle auf sie folgte, gegen die Capillaren hinschreitet. Der Grund, aus dem die Thalwelle nach der Arterienseite hin ausbleibt, liegt aber darin, dass die Semilu- narklappe die Höhlung der Arterien und des Herzens abschliesst, sodass keine Entleerung der Arterien gegen das Herz hin stattfinden kann; nach der Venenseite kann aber vom Herzen aus keine Bergwelle erregt wer- den, weil das in die Ventrikel eingestürzte Blut nicht wieder direkt in die Vene zurückgeschleudert werden kann, wegen des Schlusses der Zipfelklappen. Das Hervorstechende für die Bewegung der Flüssigkeit in einer solchen Welle bestand darin, dass jedes in dem elastischen Rohr enthaltene Theilchen in der Richtung der Längenachse des Rohrs eine Geschwindigkeit erhielt, die von einem Minimum zu einem Maximum anwuchs und dann wieder absank. Diese verschiedenen Stadien der Geschwindigkeit erlangten nun aber die Theilchen nicht sämmtlich gleich- zeitig, sondern successive, sodass, wenn z. B. die dem Herzen zunächst gelegenen Flüssigkeitsabschnitte eine Beschleunigung empfangen haben, diese den entfernteren noch nicht zukommt, und umgekehrt, dass, wenn die vom Herzen entfernteren noch mit irgend welcher schwächeren oder stärkeren Geschwindigkeit begabt sind, die dem Herzen näher liegenden
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Folgen der Herzbewegung in den Gefässen.
c. Folgen der Herzbewegung in den Gefässröhren. Die Blutmengen,
welche der Ventrikel in die grossen Arterien wirft, werden nun in dem
Gefässystem einen Strom erzeugen, der die in Fig. 42. gegebene Rich-
tung einhält. Da sich die beiden Herzkammern immer gleichzeitig zu-
sammenziehen, so erscheint die stromerzeugende Ursache innerhalb des
Gefässystems immer zugleich an zwei Orten, nemlich dem Anfang der
grossen und kleinen Blutbahn. Bei einer solchen Anordnung stellt sich,
abgesehen von allen übrigen Eigenschaften, die Forderung, dass aus
jeder Herzhälfte immer gleichviel Blut ausströmen müsse, weil der eine
Ventrikel dem andern die Flüssigkeit zusendet, so dass, wenn dieser
Forderung nicht Genüge geleistet würde, sehr bald die eine Abtheilung
ihren Gesammtinhalt in die andere entleert haben würde.
Der Strom, welcher vom Herzen aus erregt wird, pflanzt sich in
der entsprechenden Gefässabtheilung bis zurück zum Herzen auf zweier-
lei Art fort; nemlich durch Wellenbewegungen und Spannungs-
unterschiede. Obwohl diese beiden Vorgänge, namentlich in den
Arterien, durcheinander greifen, so müssen sie doch gesondert behandelt
werden. Zunächst wenden wir uns zu den Wellen.
Da an der Grenze des Herzens und der grossen Gefässe die Be-
dingungen für die Wellenbewegungen vorhanden sind, welche wir bei
der theoretischen Auseinandersetzung (p. 49.) für ihre Entstehung ver-
langten, so müssen sie auch entstehen. Und zwar bildet sich eine Berg-
welle in den Arterien gegen die Capillaren, hinter der im Arteriensystem
keine Thalwelle herschreitet; in den Venen dagegen bildet sich eine
Thalwelle, die wiederum, ohne dass eine Spannungswelle auf sie folgte,
gegen die Capillaren hinschreitet. Der Grund, aus dem die Thalwelle
nach der Arterienseite hin ausbleibt, liegt aber darin, dass die Semilu-
narklappe die Höhlung der Arterien und des Herzens abschliesst, sodass
keine Entleerung der Arterien gegen das Herz hin stattfinden kann; nach
der Venenseite kann aber vom Herzen aus keine Bergwelle erregt wer-
den, weil das in die Ventrikel eingestürzte Blut nicht wieder direkt in
die Vene zurückgeschleudert werden kann, wegen des Schlusses der
Zipfelklappen. Das Hervorstechende für die Bewegung der Flüssigkeit
in einer solchen Welle bestand darin, dass jedes in dem elastischen Rohr
enthaltene Theilchen in der Richtung der Längenachse des Rohrs eine
Geschwindigkeit erhielt, die von einem Minimum zu einem Maximum
anwuchs und dann wieder absank. Diese verschiedenen Stadien der
Geschwindigkeit erlangten nun aber die Theilchen nicht sämmtlich gleich-
zeitig, sondern successive, sodass, wenn z. B. die dem Herzen zunächst
gelegenen Flüssigkeitsabschnitte eine Beschleunigung empfangen haben,
diese den entfernteren noch nicht zukommt, und umgekehrt, dass, wenn
die vom Herzen entfernteren noch mit irgend welcher schwächeren oder
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/106>, abgerufen am 24.11.2024.
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