Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.Gasdiffusion. unter der Voraussetzung dass beide Luftarten demselben Barometer-drucke und derselben Temperatur unterworfen sind, so strömen sie mit Geschwindigkeiten in einander, die sich verhalten umgekehrt wie die Quadratwurzeln aus den spezifischen Gewichten (den Dichtigkei- ten) beider Gase. Da, wegen der Gleichheit der Berührungsflächen, die Stromflächen beider Gase gleichen Querschnitt besitzen, so folgt hier- aus, dass die Volumina, welche zwei ineinander diffundirende Gase austauschen, sich ebenfalls umgekehrt wie die Wurzeln aus den Dich- tigkeiten der Gase verhalten. Aus dieser Erfahrung folgert man mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass die Ursache der Mischung bei der Diffusion in der Spannkraft der Luftarten (in der Repulsion, welche zwischen ihren einzelnen Theilchen besteht) gelegen sei, und ferner, dass zwischen den Molekeln zweier verschiedener Gasarten keine Abstossung besteht, oder mit andern Worten, dass zwei verschiedene Gasarten keinen Druck aufeinander ausüben. Diese Folgerungen erlaubt man sich, weil verschiedene Gasarten in demselben Der hier erörterte Fall findet im menschlichen Organismus nur *) Graham on the motion of gases. Philosophical Transactions Part IV for 1846.
Gasdiffusion. unter der Voraussetzung dass beide Luftarten demselben Barometer-drucke und derselben Temperatur unterworfen sind, so strömen sie mit Geschwindigkeiten in einander, die sich verhalten umgekehrt wie die Quadratwurzeln aus den spezifischen Gewichten (den Dichtigkei- ten) beider Gase. Da, wegen der Gleichheit der Berührungsflächen, die Stromflächen beider Gase gleichen Querschnitt besitzen, so folgt hier- aus, dass die Volumina, welche zwei ineinander diffundirende Gase austauschen, sich ebenfalls umgekehrt wie die Wurzeln aus den Dich- tigkeiten der Gase verhalten. Aus dieser Erfahrung folgert man mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass die Ursache der Mischung bei der Diffusion in der Spannkraft der Luftarten (in der Repulsion, welche zwischen ihren einzelnen Theilchen besteht) gelegen sei, und ferner, dass zwischen den Molekeln zweier verschiedener Gasarten keine Abstossung besteht, oder mit andern Worten, dass zwei verschiedene Gasarten keinen Druck aufeinander ausüben. Diese Folgerungen erlaubt man sich, weil verschiedene Gasarten in demselben Der hier erörterte Fall findet im menschlichen Organismus nur *) Graham on the motion of gases. Philosophical Transactions Part IV for 1846.
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Gasdiffusion.
unter der Voraussetzung dass beide Luftarten demselben Barometer-
drucke und derselben Temperatur unterworfen sind, so strömen sie
mit Geschwindigkeiten in einander, die sich verhalten umgekehrt wie
die Quadratwurzeln aus den spezifischen Gewichten (den Dichtigkei-
ten) beider Gase. Da, wegen der Gleichheit der Berührungsflächen, die
Stromflächen beider Gase gleichen Querschnitt besitzen, so folgt hier-
aus, dass die Volumina, welche zwei ineinander diffundirende Gase
austauschen, sich ebenfalls umgekehrt wie die Wurzeln aus den Dich-
tigkeiten der Gase verhalten. Aus dieser Erfahrung folgert man mit
grosser Wahrscheinlichkeit, dass die Ursache der Mischung bei der
Diffusion in der Spannkraft der Luftarten (in der Repulsion, welche
zwischen ihren einzelnen Theilchen besteht) gelegen sei, und ferner,
dass zwischen den Molekeln zweier verschiedener Gasarten keine
Abstossung besteht, oder mit andern Worten, dass zwei verschiedene
Gasarten keinen Druck aufeinander ausüben.
Diese Folgerungen erlaubt man sich, weil verschiedene Gasarten in demselben
Verhältniss der Geschwindigkeiten in den leeren Raum eindringen, mit denen sie
sich in einander ergiessen; denn nach einem von Dalton ermittelten Gesetz strömen
durch weite und kurze Röhren verschiedene Gasarten mit Geschwindigkeiten in den
luftleeren Raum, die sich umgekehrt wie die Quadratwurzeln aus den spezifischen
Gewichten verhalten. Dieses Gesetz ist in seinen Ursachen sogleich klar, wenn man
bedenkt, dass die Dichtigkeit (das spezifische Gewicht) einer Luftart nur die Folge
seines Ausdehnungsbestrebens und des Widerstandes (oder des barometrischen
Druckes) ist, welcher sich ersterem entgegensetzt. Die Dichtigkeit eines Gases
ist demgemäss das Mass für die Triebkräfte, welche die Entfernung der Theilchen
von einander bedingen, vorausgesetzt, dass die dem Vergleich unterworfenen Gas-
mengen unter gleichem barometrischem Druck waren, und es wird die Repulsions-
kraft des einen Gases in diesem Falle um so viel Mal grösser als die des andern
sein, um so geringer seine Dichtigkeit ist. Da nun sich die Geschwindigkeiten strö-
mender Flüssigkeiten so verhalten, wie die Wurzeln aus den drückenden Kräften, so
muss die dünnere Gasart bei aufgehobenem Widerstand rascher, und zwar in dem be-
zeichneten Verhältniss rascher strömen als die dichtere. Da dieselben Verhältnisse
der Geschwindigkeit auch bei gegenseitiger Durchdringung bestehen, mit andern
Worten, da sich die eine Gasart gegen die andere wie ein luftleerer Raum verhält,
so darf man voraussetzen, dass zwei chemisch verschiedene Luftarten keinen Druck
aufeinander ausüben. Die Uebereinstimmung zwischen dem Dalton’schen Gesetze
und dem Diffusionshergang würde vollkommen sein, wenn es sich erweisen sollte,
dass das sogenannte Graham’sche Gesetz nicht in voller Schärfe giltig wäre. Nach
Graham strömen nämlich auch durch eine engporöse trockene Scheidewand
zwei Gase ineinander mit Geschwindigkeiten, die sich umgekehrt wie die Wurzeln
aus den Dichtigkeiten verhalten. Für einen Gasstrom durch capillare Oeffnungen
von merklicher Länge, wie in dem Graham’schen Fall, gilt aber bekanntlich das
Dalton’sche Gesetz nicht mehr *), da jedes Gas mit einem besonderen Reibungs-
coefficienten behaftet ist, der einen spezifisch verlangsamenden Einfluss auf seine
Stromgeschwindigkeiten ausübt.
Der hier erörterte Fall findet im menschlichen Organismus nur
selten Anwendung; so weit wir wissen gilt er nur für Luft, die aus
*) Graham on the motion of gases. Philosophical Transactions Part IV for 1846.
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