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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Eiweissartige Stoffe.

Viertens. Die Durchtränkung der Eiweissstoffe mit Wasser
macht es möglich, dass andere wässerige Lösungen durch eine und
dieselbe feste Masse bald hindurchdringen können, bald an derselben
für ihre Weiterverbreitung einen undurchdringlichen Widerstand finden.
Sie dringen hindurch, insofern sie sich in Folge chemischer Anziehun-
gen in dem eingesogenen Wasser verbreiten, während sie nicht durch-
zudringen vermögen, wenn sie mittelst mechanischer Gewalt die ein-
gesogene Flüssigkeit verdrängen wollen (Filtration). Wir werden bei
der Diffusion hierauf noch zurückkommen. -- Fünftens. Vollkom-
men trockene Eiweisstoffe sind unfähig, electrischen Strömen den
Durchgang zu gestatten; durch ihre Durchtränkung mit Wasser erhal-
ten sie die Leitungsfähigkeit, und zwar steigt dieselbe mit der Menge
des eingesogenen Wassers, indem dieses letztere allein den Durch-
tritt der Electricität vermittelt *). -- Endlich sechstens ist vermöge
der Durchtränkung der Durchgang der Lichtstrahlen durch die Eiweiss-
stoffe wesentlich modifizirt; auf diesen Punkt, der noch genauerer Un-
tersuchung bedarf, macht uns die Thatsache aufmerksam, dass ein
Stoff beim Trocknen, ein anderer aber erst beim Durchfeuchten und
umgekehrt durchsichtig wird.

d) Die Eiweissstoffe sind endlich auch schlechte Wärmeleiter;
leider fehlt uns aber über ihr Verhalten gegen Wärme jede gründliche
Untersuchung; ihre Funktion, die sie in ihrer Eigenschaft als Wärme-
leiter übernehmen, werden wir später besprechen.

Der Nachweiss, dass wir die eiweissartigen Stoffe mit den Nah-
rungsmitteln aufnehmen, gehört zu den Entdeckungen, welche einen
neuen Abschnitt in der Geschichte der Wissenschaft bezeichnen. Die-
ses ausserordentliche Verdienst gebührt Mulder.

47. Mucin, Schleimstoff enthält in 100 Theilen nach Sche-
rer
C52,4 H7,0 N12,8 O27,8. Schwefel konnte (durch KO?) nicht nachge-
wiesen werden. Mit 4 pCt. alkalischer und phosphorsauren Kalk hal-
tender Asche verbunden. Seine Fundorte sind die Mundflüssigkeit,
Darmflüssigkeit, Sekret des Uterus und der Scheide, in der Synovia,
der Galle, dem Pankreassaft (?), der Flüssigkeit der Unterkieferdrüse,
dem Harn und nach Virchow in zahlreichen pathologischen Gebilden.

Dieser Körper zählt vorzugsweise zu den katalytisirenden; in Ver-
bindung mit Speichel dient er als Ferment für Umwandlung des Amy-
lons in Zucker; ferner für die Verwandlung des Harnstoffs in kohlen-
saures Ammoniak, für die Gallengährung und die Verwandlung der
neutralen Fette in Glycerin und Fettsäuren. -- Ausserdem zeichnet er
sich durch seine Schlüpfrigkeit und Klebrigkeit aus. Vermöge dieser
Eigenschaft unterstützt er das Niedergehen des Speisebissens durch

*) Ed. Weber quaestiones physiologieae de phaenomenis galvano-magneticis etc. Leipzig 1836.
Eiweissartige Stoffe.

Viertens. Die Durchtränkung der Eiweissstoffe mit Wasser
macht es möglich, dass andere wässerige Lösungen durch eine und
dieselbe feste Masse bald hindurchdringen können, bald an derselben
für ihre Weiterverbreitung einen undurchdringlichen Widerstand finden.
Sie dringen hindurch, insofern sie sich in Folge chemischer Anziehun-
gen in dem eingesogenen Wasser verbreiten, während sie nicht durch-
zudringen vermögen, wenn sie mittelst mechanischer Gewalt die ein-
gesogene Flüssigkeit verdrängen wollen (Filtration). Wir werden bei
der Diffusion hierauf noch zurückkommen. — Fünftens. Vollkom-
men trockene Eiweisstoffe sind unfähig, electrischen Strömen den
Durchgang zu gestatten; durch ihre Durchtränkung mit Wasser erhal-
ten sie die Leitungsfähigkeit, und zwar steigt dieselbe mit der Menge
des eingesogenen Wassers, indem dieses letztere allein den Durch-
tritt der Electricität vermittelt *). — Endlich sechstens ist vermöge
der Durchtränkung der Durchgang der Lichtstrahlen durch die Eiweiss-
stoffe wesentlich modifizirt; auf diesen Punkt, der noch genauerer Un-
tersuchung bedarf, macht uns die Thatsache aufmerksam, dass ein
Stoff beim Trocknen, ein anderer aber erst beim Durchfeuchten und
umgekehrt durchsichtig wird.

d) Die Eiweissstoffe sind endlich auch schlechte Wärmeleiter;
leider fehlt uns aber über ihr Verhalten gegen Wärme jede gründliche
Untersuchung; ihre Funktion, die sie in ihrer Eigenschaft als Wärme-
leiter übernehmen, werden wir später besprechen.

Der Nachweiss, dass wir die eiweissartigen Stoffe mit den Nah-
rungsmitteln aufnehmen, gehört zu den Entdeckungen, welche einen
neuen Abschnitt in der Geschichte der Wissenschaft bezeichnen. Die-
ses ausserordentliche Verdienst gebührt Mulder.

47. Mucin, Schleimstoff enthält in 100 Theilen nach Sche-
rer
C52,4 H7,0 N12,8 O27,8. Schwefel konnte (durch KO?) nicht nachge-
wiesen werden. Mit 4 pCt. alkalischer und phosphorsauren Kalk hal-
tender Asche verbunden. Seine Fundorte sind die Mundflüssigkeit,
Darmflüssigkeit, Sekret des Uterus und der Scheide, in der Synovia,
der Galle, dem Pankreassaft (?), der Flüssigkeit der Unterkieferdrüse,
dem Harn und nach Virchow in zahlreichen pathologischen Gebilden.

Dieser Körper zählt vorzugsweise zu den katalytisirenden; in Ver-
bindung mit Speichel dient er als Ferment für Umwandlung des Amy-
lons in Zucker; ferner für die Verwandlung des Harnstoffs in kohlen-
saures Ammoniak, für die Gallengährung und die Verwandlung der
neutralen Fette in Glycerin und Fettsäuren. — Ausserdem zeichnet er
sich durch seine Schlüpfrigkeit und Klebrigkeit aus. Vermöge dieser
Eigenschaft unterstützt er das Niedergehen des Speisebissens durch

*) Ed. Weber quæstiones physiologieæ de phænomenis galvano-magneticis etc. Leipzig 1836.
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[48/0062] Eiweissartige Stoffe. Viertens. Die Durchtränkung der Eiweissstoffe mit Wasser macht es möglich, dass andere wässerige Lösungen durch eine und dieselbe feste Masse bald hindurchdringen können, bald an derselben für ihre Weiterverbreitung einen undurchdringlichen Widerstand finden. Sie dringen hindurch, insofern sie sich in Folge chemischer Anziehun- gen in dem eingesogenen Wasser verbreiten, während sie nicht durch- zudringen vermögen, wenn sie mittelst mechanischer Gewalt die ein- gesogene Flüssigkeit verdrängen wollen (Filtration). Wir werden bei der Diffusion hierauf noch zurückkommen. — Fünftens. Vollkom- men trockene Eiweisstoffe sind unfähig, electrischen Strömen den Durchgang zu gestatten; durch ihre Durchtränkung mit Wasser erhal- ten sie die Leitungsfähigkeit, und zwar steigt dieselbe mit der Menge des eingesogenen Wassers, indem dieses letztere allein den Durch- tritt der Electricität vermittelt *). — Endlich sechstens ist vermöge der Durchtränkung der Durchgang der Lichtstrahlen durch die Eiweiss- stoffe wesentlich modifizirt; auf diesen Punkt, der noch genauerer Un- tersuchung bedarf, macht uns die Thatsache aufmerksam, dass ein Stoff beim Trocknen, ein anderer aber erst beim Durchfeuchten und umgekehrt durchsichtig wird. d) Die Eiweissstoffe sind endlich auch schlechte Wärmeleiter; leider fehlt uns aber über ihr Verhalten gegen Wärme jede gründliche Untersuchung; ihre Funktion, die sie in ihrer Eigenschaft als Wärme- leiter übernehmen, werden wir später besprechen. Der Nachweiss, dass wir die eiweissartigen Stoffe mit den Nah- rungsmitteln aufnehmen, gehört zu den Entdeckungen, welche einen neuen Abschnitt in der Geschichte der Wissenschaft bezeichnen. Die- ses ausserordentliche Verdienst gebührt Mulder. 47. Mucin, Schleimstoff enthält in 100 Theilen nach Sche- rer C52,4 H7,0 N12,8 O27,8. Schwefel konnte (durch KO?) nicht nachge- wiesen werden. Mit 4 pCt. alkalischer und phosphorsauren Kalk hal- tender Asche verbunden. Seine Fundorte sind die Mundflüssigkeit, Darmflüssigkeit, Sekret des Uterus und der Scheide, in der Synovia, der Galle, dem Pankreassaft (?), der Flüssigkeit der Unterkieferdrüse, dem Harn und nach Virchow in zahlreichen pathologischen Gebilden. Dieser Körper zählt vorzugsweise zu den katalytisirenden; in Ver- bindung mit Speichel dient er als Ferment für Umwandlung des Amy- lons in Zucker; ferner für die Verwandlung des Harnstoffs in kohlen- saures Ammoniak, für die Gallengährung und die Verwandlung der neutralen Fette in Glycerin und Fettsäuren. — Ausserdem zeichnet er sich durch seine Schlüpfrigkeit und Klebrigkeit aus. Vermöge dieser Eigenschaft unterstützt er das Niedergehen des Speisebissens durch *) Ed. Weber quæstiones physiologieæ de phænomenis galvano-magneticis etc. Leipzig 1836.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/62>, abgerufen am 23.11.2024.