während des Lebens um etwas verkürzen und verbreitern, was man aus Stellungsveränderungen der Glieder, (wie z. B. dem Anziehen des vorher geöffneten Kiefers u. s. w.) folgert, welche mit dem Beginne der Todtenstarre sich einfinden. Hierüber fehlen aber noch genauere Messungen.
b. Die Ausdehnbarkeit des Muskels ist vermindert; Ed. Weber. Seine Cohäsion soll nach einigen Angaben vermehrt, (Busch) nach andern vermindert sein; Valentin, Wertheim. Diese Wider- sprüche werden darin ihre Erledigung finden, dass man bald zu An- fang und bald zu Ende (bei schon beginnender Fäulniss) der Todten- starre die Muskeln den sie zerreissenden Gewichten aussetzte.
c. Die elektrischen Gegensätze zwischen Oberfläche und Quer- schnitt des Muskels sind im Beginn der Todtenstarre entweder noch in gewöhnlicher oder aber in umgekehrter Ordnung vorhanden, so dass nun der Querschnitt positiv und der Längsschnitt negativ geworden ist; so oft sie aber vorhanden sind ist ihr Auftreten nur ein spurweises gegen dasjenige im leistungsfähigen Muskel: hat die Todtenstarre aber nur kurze Zeit hindurch bestanden, so verschwinden sie voll- ständig; du Bois.
d. Eine chemische Charakteristik der Todtenstarre ist noch nicht geliefert worden, indem bisher nur Muskeln untersucht werden konn- ten, welche entweder schon in die Todtenstarre eingetreten waren oder diese gar schon überstanden hatten. Man darf aus den von G. Liebig beobachteten Thatsachen dagegen mit einiger Sicherheit schliessen, dass in der Flüssigkeit der todtenstarren Muskeln kein freies Sauer- stoffgas mehr aufgelöst sei. Er fand, wie oben angegeben, dass der Verlust der Leistungsfähigkeit der Muskeln, resp. der Eintritt der Todtenstarre, durch den Aufenthalt in sauerstofffreien Gasarten be- schleunigt wurde; hiermit in Uebereinstimmung befindet sich die An- gabe von Stannius dass am lebenden Thiere diejenigen Muskeln in Todtenstarre versetzt werden können, zu welchen der Zutritt des Blutes und damit der des Sauerstoffs abgehalten wurde. -- Weiterhin vermuthet Brücke, dass im todtenstarren Muskel der Faserstoff oder eine ihm ähnliche gerinnbare Substanz fest geworden, welche im leistungsfähigen Muskel flüssig zwischen den Bestandtheilen des festen Inhaltes der Muskelröhren eingelagert sei; die Gründe für diese Vermuthung findet er: in der offenbaren Analogie die die Er- scheinungen des Eintritts der Todtenstarre mit einer Gerinnung zeigt, und in der That bieten beide Vorgänge eine überraschende Aehnlich- keit, wenn man die allmälige steigende Trübung und Steifung der Muskeln ins Auge fasst; in der Uebereinstimmung, welche die Todten- starre rücksichtlich der Zeiten ihres Eintritts und ihrer Lösung (durch Fäulniss) mit den in dem Blute eintretenden Gerinnungserscheinungen bietet. -- Diese Gründe sind scheinbar sehr erschüttert worden durch
während des Lebens um etwas verkürzen und verbreitern, was man aus Stellungsveränderungen der Glieder, (wie z. B. dem Anziehen des vorher geöffneten Kiefers u. s. w.) folgert, welche mit dem Beginne der Todtenstarre sich einfinden. Hierüber fehlen aber noch genauere Messungen.
b. Die Ausdehnbarkeit des Muskels ist vermindert; Ed. Weber. Seine Cohäsion soll nach einigen Angaben vermehrt, (Busch) nach andern vermindert sein; Valentin, Wertheim. Diese Wider- sprüche werden darin ihre Erledigung finden, dass man bald zu An- fang und bald zu Ende (bei schon beginnender Fäulniss) der Todten- starre die Muskeln den sie zerreissenden Gewichten aussetzte.
c. Die elektrischen Gegensätze zwischen Oberfläche und Quer- schnitt des Muskels sind im Beginn der Todtenstarre entweder noch in gewöhnlicher oder aber in umgekehrter Ordnung vorhanden, so dass nun der Querschnitt positiv und der Längsschnitt negativ geworden ist; so oft sie aber vorhanden sind ist ihr Auftreten nur ein spurweises gegen dasjenige im leistungsfähigen Muskel: hat die Todtenstarre aber nur kurze Zeit hindurch bestanden, so verschwinden sie voll- ständig; du Bois.
d. Eine chemische Charakteristik der Todtenstarre ist noch nicht geliefert worden, indem bisher nur Muskeln untersucht werden konn- ten, welche entweder schon in die Todtenstarre eingetreten waren oder diese gar schon überstanden hatten. Man darf aus den von G. Liebig beobachteten Thatsachen dagegen mit einiger Sicherheit schliessen, dass in der Flüssigkeit der todtenstarren Muskeln kein freies Sauer- stoffgas mehr aufgelöst sei. Er fand, wie oben angegeben, dass der Verlust der Leistungsfähigkeit der Muskeln, resp. der Eintritt der Todtenstarre, durch den Aufenthalt in sauerstofffreien Gasarten be- schleunigt wurde; hiermit in Uebereinstimmung befindet sich die An- gabe von Stannius dass am lebenden Thiere diejenigen Muskeln in Todtenstarre versetzt werden können, zu welchen der Zutritt des Blutes und damit der des Sauerstoffs abgehalten wurde. — Weiterhin vermuthet Brücke, dass im todtenstarren Muskel der Faserstoff oder eine ihm ähnliche gerinnbare Substanz fest geworden, welche im leistungsfähigen Muskel flüssig zwischen den Bestandtheilen des festen Inhaltes der Muskelröhren eingelagert sei; die Gründe für diese Vermuthung findet er: in der offenbaren Analogie die die Er- scheinungen des Eintritts der Todtenstarre mit einer Gerinnung zeigt, und in der That bieten beide Vorgänge eine überraschende Aehnlich- keit, wenn man die allmälige steigende Trübung und Steifung der Muskeln ins Auge fasst; in der Uebereinstimmung, welche die Todten- starre rücksichtlich der Zeiten ihres Eintritts und ihrer Lösung (durch Fäulniss) mit den in dem Blute eintretenden Gerinnungserscheinungen bietet. — Diese Gründe sind scheinbar sehr erschüttert worden durch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0360"n="346"/><fwplace="top"type="header">Todtenstarre. Ausdehnbarkeit, electrisches Verhalten.</fw><lb/>
während des Lebens um etwas verkürzen und verbreitern, was man<lb/>
aus Stellungsveränderungen der Glieder, (wie z. B. dem Anziehen des<lb/>
vorher geöffneten Kiefers u. s. w.) folgert, welche mit dem Beginne<lb/>
der Todtenstarre sich einfinden. Hierüber fehlen aber noch genauere<lb/>
Messungen.</p><lb/><p>b. Die Ausdehnbarkeit des Muskels ist vermindert; <hirendition="#g">Ed. Weber</hi>.<lb/>
Seine Cohäsion soll nach einigen Angaben vermehrt, (<hirendition="#g">Busch</hi>) nach<lb/>
andern vermindert sein; <hirendition="#g">Valentin, Wertheim</hi>. Diese Wider-<lb/>
sprüche werden darin ihre Erledigung finden, dass man bald zu An-<lb/>
fang und bald zu Ende (bei schon beginnender Fäulniss) der Todten-<lb/>
starre die Muskeln den sie zerreissenden Gewichten aussetzte.</p><lb/><p>c. Die elektrischen Gegensätze zwischen Oberfläche und Quer-<lb/>
schnitt des Muskels sind im Beginn der Todtenstarre entweder noch in<lb/>
gewöhnlicher oder aber in umgekehrter Ordnung vorhanden, so dass<lb/>
nun der Querschnitt positiv und der Längsschnitt negativ geworden<lb/>
ist; so oft sie aber vorhanden sind ist ihr Auftreten nur ein spurweises<lb/>
gegen dasjenige im leistungsfähigen Muskel: hat die Todtenstarre<lb/>
aber nur kurze Zeit hindurch bestanden, so verschwinden sie voll-<lb/>
ständig; <hirendition="#g">du Bois</hi>.</p><lb/><p>d. Eine chemische Charakteristik der Todtenstarre ist noch nicht<lb/>
geliefert worden, indem bisher nur Muskeln untersucht werden konn-<lb/>
ten, welche entweder schon in die Todtenstarre eingetreten waren oder<lb/>
diese gar schon überstanden hatten. Man darf aus den von G. <hirendition="#g">Liebig</hi><lb/>
beobachteten Thatsachen dagegen mit einiger Sicherheit schliessen,<lb/>
dass in der Flüssigkeit der todtenstarren Muskeln kein freies Sauer-<lb/>
stoffgas mehr aufgelöst sei. Er fand, wie oben angegeben, dass der<lb/>
Verlust der Leistungsfähigkeit der Muskeln, resp. der Eintritt der<lb/>
Todtenstarre, durch den Aufenthalt in sauerstofffreien Gasarten be-<lb/>
schleunigt wurde; hiermit in Uebereinstimmung befindet sich die An-<lb/>
gabe von <hirendition="#g">Stannius</hi> dass am lebenden Thiere diejenigen Muskeln in<lb/>
Todtenstarre versetzt werden können, zu welchen der Zutritt des<lb/>
Blutes und damit der des Sauerstoffs abgehalten wurde. — Weiterhin<lb/>
vermuthet <hirendition="#g">Brücke</hi>, dass im todtenstarren Muskel der Faserstoff oder<lb/>
eine ihm ähnliche gerinnbare Substanz fest geworden, welche im<lb/>
leistungsfähigen Muskel flüssig zwischen den Bestandtheilen des<lb/>
festen Inhaltes der Muskelröhren eingelagert sei; die Gründe für<lb/>
diese Vermuthung findet er: in der offenbaren Analogie die die Er-<lb/>
scheinungen des Eintritts der Todtenstarre mit einer Gerinnung zeigt,<lb/>
und in der That bieten beide Vorgänge eine überraschende Aehnlich-<lb/>
keit, wenn man die allmälige steigende Trübung und Steifung der<lb/>
Muskeln ins Auge fasst; in der Uebereinstimmung, welche die Todten-<lb/>
starre rücksichtlich der Zeiten ihres Eintritts und ihrer Lösung (durch<lb/>
Fäulniss) mit den in dem Blute eintretenden Gerinnungserscheinungen<lb/>
bietet. — Diese Gründe sind scheinbar sehr erschüttert worden durch<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[346/0360]
Todtenstarre. Ausdehnbarkeit, electrisches Verhalten.
während des Lebens um etwas verkürzen und verbreitern, was man
aus Stellungsveränderungen der Glieder, (wie z. B. dem Anziehen des
vorher geöffneten Kiefers u. s. w.) folgert, welche mit dem Beginne
der Todtenstarre sich einfinden. Hierüber fehlen aber noch genauere
Messungen.
b. Die Ausdehnbarkeit des Muskels ist vermindert; Ed. Weber.
Seine Cohäsion soll nach einigen Angaben vermehrt, (Busch) nach
andern vermindert sein; Valentin, Wertheim. Diese Wider-
sprüche werden darin ihre Erledigung finden, dass man bald zu An-
fang und bald zu Ende (bei schon beginnender Fäulniss) der Todten-
starre die Muskeln den sie zerreissenden Gewichten aussetzte.
c. Die elektrischen Gegensätze zwischen Oberfläche und Quer-
schnitt des Muskels sind im Beginn der Todtenstarre entweder noch in
gewöhnlicher oder aber in umgekehrter Ordnung vorhanden, so dass
nun der Querschnitt positiv und der Längsschnitt negativ geworden
ist; so oft sie aber vorhanden sind ist ihr Auftreten nur ein spurweises
gegen dasjenige im leistungsfähigen Muskel: hat die Todtenstarre
aber nur kurze Zeit hindurch bestanden, so verschwinden sie voll-
ständig; du Bois.
d. Eine chemische Charakteristik der Todtenstarre ist noch nicht
geliefert worden, indem bisher nur Muskeln untersucht werden konn-
ten, welche entweder schon in die Todtenstarre eingetreten waren oder
diese gar schon überstanden hatten. Man darf aus den von G. Liebig
beobachteten Thatsachen dagegen mit einiger Sicherheit schliessen,
dass in der Flüssigkeit der todtenstarren Muskeln kein freies Sauer-
stoffgas mehr aufgelöst sei. Er fand, wie oben angegeben, dass der
Verlust der Leistungsfähigkeit der Muskeln, resp. der Eintritt der
Todtenstarre, durch den Aufenthalt in sauerstofffreien Gasarten be-
schleunigt wurde; hiermit in Uebereinstimmung befindet sich die An-
gabe von Stannius dass am lebenden Thiere diejenigen Muskeln in
Todtenstarre versetzt werden können, zu welchen der Zutritt des
Blutes und damit der des Sauerstoffs abgehalten wurde. — Weiterhin
vermuthet Brücke, dass im todtenstarren Muskel der Faserstoff oder
eine ihm ähnliche gerinnbare Substanz fest geworden, welche im
leistungsfähigen Muskel flüssig zwischen den Bestandtheilen des
festen Inhaltes der Muskelröhren eingelagert sei; die Gründe für
diese Vermuthung findet er: in der offenbaren Analogie die die Er-
scheinungen des Eintritts der Todtenstarre mit einer Gerinnung zeigt,
und in der That bieten beide Vorgänge eine überraschende Aehnlich-
keit, wenn man die allmälige steigende Trübung und Steifung der
Muskeln ins Auge fasst; in der Uebereinstimmung, welche die Todten-
starre rücksichtlich der Zeiten ihres Eintritts und ihrer Lösung (durch
Fäulniss) mit den in dem Blute eintretenden Gerinnungserscheinungen
bietet. — Diese Gründe sind scheinbar sehr erschüttert worden durch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/360>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.