Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Chemische Eigenschaften.
[Abbildung] Fig. 93
Muskel befindlichen Löthstellen,
worüber das Genauere bei
Helmholtz. -- Das Schema
des ganzen Versuchs gibt die
Fig 93. N S bedeutet Nerv mit
den zugehörigen Muskeln; durch
den Oberschenkel des Frosch-
beins ist die hier nur eingliedrig
gezeichnete Kette eingeschoben;
die im Fleisch verborgene Loth-
stelle scheint in der Zeichnung
durch, die andere Lothstelle ist
frei; der Strom würde bei Er-
wärmung des Muskels in der
Richtung der Pfeile zum Multi-
plikator M gehen. -- Die Tempe-
raturerhöhung
, welche Helm-
holtz
bei der Zusammenziehung
an den Froschmuskeln beobach-
tete, betrug im Mittel 0,16° C.

8. Chemische Eigenschaften. Während seiner Zusammen-
ziehung ändert der Muskel nachweisslich seine chemischen Eigen-
schaften; worin aber diese Veränderung bestehe, lässt sich bis jetzt
nicht auf eine, dem gegenwärtigen Standpunkt der Chemie entspre-
chende Weise ausdrücken. -- Den ersten Nachweiss dass eine Verän-
derung vor sich gehe hat Helmholtz *) geliefert, indem er zeigte,
dass die festen in der Fleischflüssigkeit gelösten Substanzen, welche
aus dem bis zur Erschöpfung tetanisirten Muskel gezogen wurden,
verschieden von denjenigen seien, welche aus dem gleichnamigen
Muskel desselben Thieres, der sich in Ruhe befunden hatte gewonnen
werden konnten; namentlich hatte sich im zusammengezogenen Mus-
kel der in Weingeist lösliche Theil des Rückstandes der Fleischbrühe
gemehrt und der nur in Wasser lösliche gemindert. Aus den Unter-
suchungen von Liebig **) und Scherer ***) scheint weiter der
Schluss gezogen werden zu können, dass sich in den zusammenge-
zogenen Muskeln die Menge des Kreatins (und Hypoxanthins?)
mehre. Denn sie fanden in den Muskeln lebhaft sich bewegender
und im Herzmuskel aller Thiere diesen Stoff in beträchtlichster
Menge. -- Endlich hat du Bois noch entdeckt dass ein frischer Mus-
kel eines Thieres, das sich lange in Ruhe befunden, neutral reagire,
dass dagegen dieser Muskel sogleich eine saure Reaktion annehme,
sowie er einige Zeit hindurch in den Zustand der Verkürzung gebracht
worden war.

Ausser diesen unzweideutigen Thatsachen weisen aber noch andere, vieldeuti-
gere Erfahrungen darauf hin, dass eine Umsetzung der Muskelsubstanz bei ihrer

*) Müllers Archiv 1845. Ueber den Stoffverbrauch bei der Muskelaktion.
**) Annal. d. Chem. v. Liebig u. Wöhler. Bd. 62.
***) Annal. d. Chem. v. Liebig u. Wöhler 73. Bd.

Chemische Eigenschaften.
[Abbildung] Fig. 93
Muskel befindlichen Löthstellen,
worüber das Genauere bei
Helmholtz. — Das Schema
des ganzen Versuchs gibt die
Fig 93. N S bedeutet Nerv mit
den zugehörigen Muskeln; durch
den Oberschenkel des Frosch-
beins ist die hier nur eingliedrig
gezeichnete Kette eingeschoben;
die im Fleisch verborgene Loth-
stelle scheint in der Zeichnung
durch, die andere Lothstelle ist
frei; der Strom würde bei Er-
wärmung des Muskels in der
Richtung der Pfeile zum Multi-
plikator M gehen. — Die Tempe-
raturerhöhung
, welche Helm-
holtz
bei der Zusammenziehung
an den Froschmuskeln beobach-
tete, betrug im Mittel 0,16° C.

8. Chemische Eigenschaften. Während seiner Zusammen-
ziehung ändert der Muskel nachweisslich seine chemischen Eigen-
schaften; worin aber diese Veränderung bestehe, lässt sich bis jetzt
nicht auf eine, dem gegenwärtigen Standpunkt der Chemie entspre-
chende Weise ausdrücken. — Den ersten Nachweiss dass eine Verän-
derung vor sich gehe hat Helmholtz *) geliefert, indem er zeigte,
dass die festen in der Fleischflüssigkeit gelösten Substanzen, welche
aus dem bis zur Erschöpfung tetanisirten Muskel gezogen wurden,
verschieden von denjenigen seien, welche aus dem gleichnamigen
Muskel desselben Thieres, der sich in Ruhe befunden hatte gewonnen
werden konnten; namentlich hatte sich im zusammengezogenen Mus-
kel der in Weingeist lösliche Theil des Rückstandes der Fleischbrühe
gemehrt und der nur in Wasser lösliche gemindert. Aus den Unter-
suchungen von Liebig **) und Scherer ***) scheint weiter der
Schluss gezogen werden zu können, dass sich in den zusammenge-
zogenen Muskeln die Menge des Kreatins (und Hypoxanthins?)
mehre. Denn sie fanden in den Muskeln lebhaft sich bewegender
und im Herzmuskel aller Thiere diesen Stoff in beträchtlichster
Menge. — Endlich hat du Bois noch entdeckt dass ein frischer Mus-
kel eines Thieres, das sich lange in Ruhe befunden, neutral reagire,
dass dagegen dieser Muskel sogleich eine saure Reaktion annehme,
sowie er einige Zeit hindurch in den Zustand der Verkürzung gebracht
worden war.

Ausser diesen unzweideutigen Thatsachen weisen aber noch andere, vieldeuti-
gere Erfahrungen darauf hin, dass eine Umsetzung der Muskelsubstanz bei ihrer

*) Müllers Archiv 1845. Ueber den Stoffverbrauch bei der Muskelaktion.
**) Annal. d. Chem. v. Liebig u. Wöhler. Bd. 62.
***) Annal. d. Chem. v. Liebig u. Wöhler 73. Bd.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0355" n="341"/><fw place="top" type="header">Chemische Eigenschaften.</fw><lb/><figure><head>Fig. 93</head></figure><lb/>
Muskel befindlichen Löthstellen,<lb/>
worüber das Genauere bei<lb/><hi rendition="#g">Helmholtz</hi>. &#x2014; Das Schema<lb/>
des ganzen Versuchs gibt die<lb/>
Fig 93. <hi rendition="#i">N S</hi> bedeutet Nerv mit<lb/>
den zugehörigen Muskeln; durch<lb/>
den Oberschenkel des Frosch-<lb/>
beins ist die hier nur eingliedrig<lb/>
gezeichnete Kette eingeschoben;<lb/>
die im Fleisch verborgene Loth-<lb/>
stelle scheint in der Zeichnung<lb/>
durch, die andere Lothstelle ist<lb/>
frei; der Strom würde bei Er-<lb/>
wärmung des Muskels in der<lb/>
Richtung der Pfeile zum Multi-<lb/>
plikator <hi rendition="#i">M</hi> gehen. &#x2014; Die <choice><sic>Tempe-<lb/>
raturerhöhnng</sic><corr>Tempe-<lb/>
raturerhöhung</corr></choice>, welche <hi rendition="#g">Helm-<lb/>
holtz</hi> bei der Zusammenziehung<lb/>
an den Froschmuskeln beobach-<lb/>
tete, betrug im Mittel 0,16° C.</p><lb/>
            <p>8. <hi rendition="#g">Chemische Eigenschaften</hi>. Während seiner Zusammen-<lb/>
ziehung ändert der Muskel nachweisslich seine chemischen Eigen-<lb/>
schaften; worin aber diese Veränderung bestehe, lässt sich bis jetzt<lb/>
nicht auf eine, dem gegenwärtigen Standpunkt der Chemie entspre-<lb/>
chende Weise ausdrücken. &#x2014; Den ersten Nachweiss dass eine Verän-<lb/>
derung vor sich gehe hat <hi rendition="#g">Helmholtz</hi> <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Müllers</hi> Archiv 1845. Ueber den Stoffverbrauch bei der Muskelaktion.</note> geliefert, indem er zeigte,<lb/>
dass die festen in der Fleischflüssigkeit gelösten Substanzen, welche<lb/>
aus dem bis zur Erschöpfung tetanisirten Muskel gezogen wurden,<lb/>
verschieden von denjenigen seien, welche aus dem gleichnamigen<lb/>
Muskel desselben Thieres, der sich in Ruhe befunden hatte gewonnen<lb/>
werden konnten; namentlich hatte sich im zusammengezogenen Mus-<lb/>
kel der in Weingeist lösliche Theil des Rückstandes der Fleischbrühe<lb/>
gemehrt und der <hi rendition="#g">nur</hi> in Wasser lösliche gemindert. Aus den Unter-<lb/>
suchungen <hi rendition="#g">von Liebig</hi> <note place="foot" n="**)">Annal. d. Chem. v. <hi rendition="#g">Liebig u. Wöhler</hi>. Bd. 62.</note> und <hi rendition="#g">Scherer</hi> <note place="foot" n="***)">Annal. d. Chem. v. <hi rendition="#g">Liebig u. Wöhler</hi> 73. Bd.</note> scheint weiter der<lb/>
Schluss gezogen werden zu können, dass sich in den zusammenge-<lb/>
zogenen Muskeln die Menge des Kreatins (und Hypoxanthins?)<lb/>
mehre. Denn sie fanden in den Muskeln lebhaft sich bewegender<lb/>
und im Herzmuskel aller Thiere diesen Stoff in beträchtlichster<lb/>
Menge. &#x2014; Endlich hat <hi rendition="#g">du Bois</hi> noch entdeckt dass ein frischer Mus-<lb/>
kel eines Thieres, das sich lange in Ruhe befunden, neutral reagire,<lb/>
dass dagegen dieser Muskel sogleich eine saure Reaktion annehme,<lb/>
sowie er einige Zeit hindurch in den Zustand der Verkürzung gebracht<lb/>
worden war.</p><lb/>
            <p>Ausser diesen unzweideutigen Thatsachen weisen aber noch andere, vieldeuti-<lb/>
gere Erfahrungen darauf hin, dass eine Umsetzung der Muskelsubstanz bei ihrer<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[341/0355] Chemische Eigenschaften. [Abbildung Fig. 93] Muskel befindlichen Löthstellen, worüber das Genauere bei Helmholtz. — Das Schema des ganzen Versuchs gibt die Fig 93. N S bedeutet Nerv mit den zugehörigen Muskeln; durch den Oberschenkel des Frosch- beins ist die hier nur eingliedrig gezeichnete Kette eingeschoben; die im Fleisch verborgene Loth- stelle scheint in der Zeichnung durch, die andere Lothstelle ist frei; der Strom würde bei Er- wärmung des Muskels in der Richtung der Pfeile zum Multi- plikator M gehen. — Die Tempe- raturerhöhung, welche Helm- holtz bei der Zusammenziehung an den Froschmuskeln beobach- tete, betrug im Mittel 0,16° C. 8. Chemische Eigenschaften. Während seiner Zusammen- ziehung ändert der Muskel nachweisslich seine chemischen Eigen- schaften; worin aber diese Veränderung bestehe, lässt sich bis jetzt nicht auf eine, dem gegenwärtigen Standpunkt der Chemie entspre- chende Weise ausdrücken. — Den ersten Nachweiss dass eine Verän- derung vor sich gehe hat Helmholtz *) geliefert, indem er zeigte, dass die festen in der Fleischflüssigkeit gelösten Substanzen, welche aus dem bis zur Erschöpfung tetanisirten Muskel gezogen wurden, verschieden von denjenigen seien, welche aus dem gleichnamigen Muskel desselben Thieres, der sich in Ruhe befunden hatte gewonnen werden konnten; namentlich hatte sich im zusammengezogenen Mus- kel der in Weingeist lösliche Theil des Rückstandes der Fleischbrühe gemehrt und der nur in Wasser lösliche gemindert. Aus den Unter- suchungen von Liebig **) und Scherer ***) scheint weiter der Schluss gezogen werden zu können, dass sich in den zusammenge- zogenen Muskeln die Menge des Kreatins (und Hypoxanthins?) mehre. Denn sie fanden in den Muskeln lebhaft sich bewegender und im Herzmuskel aller Thiere diesen Stoff in beträchtlichster Menge. — Endlich hat du Bois noch entdeckt dass ein frischer Mus- kel eines Thieres, das sich lange in Ruhe befunden, neutral reagire, dass dagegen dieser Muskel sogleich eine saure Reaktion annehme, sowie er einige Zeit hindurch in den Zustand der Verkürzung gebracht worden war. Ausser diesen unzweideutigen Thatsachen weisen aber noch andere, vieldeuti- gere Erfahrungen darauf hin, dass eine Umsetzung der Muskelsubstanz bei ihrer *) Müllers Archiv 1845. Ueber den Stoffverbrauch bei der Muskelaktion. **) Annal. d. Chem. v. Liebig u. Wöhler. Bd. 62. ***) Annal. d. Chem. v. Liebig u. Wöhler 73. Bd.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/355
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/355>, abgerufen am 22.11.2024.