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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Form des verkürzten Muskels.
welcher resultirt aus beiden Einflüssen. Bei der wahrscheinlichen Zu-
sammengesetztheit der Wirkungen eines jeden derselben, können na-
türlich die resultirenden Prozesse eine unsägliche Mannigfaltigkeit
besitzen. Im Allgemeinen scheint aber doch festzustehen, dass die
Ermüdung wächst mit der Zeitdauer der Anstrengung, mit dem Werthe
der Verkürzung und mit der Grösse des zu hebenden Gewichtes.

3. Form des verkürzten Muskels. Grösse der Verkür-
zung
. Die bei der Zusammenziehung stattfindenden sichtbaren Vor-
gänge bestehen darin, dass die während der Ruhe im Zickzack ge-
bogenen oder geschlängelten Muskelröhren sich unter Verminderung
ihrer Länge und Vergrösserung ihres Querschnitts gerade strecken;
zugleich erscheinen die Querstreifen schärfer und deutlicher, indem sie
näher aneinder rücke; Ed. Weber. -- Um welchen Proportionaltheil der
ursprünglichen Länge sich der Muskel verkürzt, hängt von Umständen
ab, die wir theils schon kennen lernten, theils noch kennen lernen
werden; das von Ed. Weber unter den günstigsten Bedingungen beob-
achtete Maximum betrug 5/6 der Länge des ruhigen Muskels. Hiebei
verbreitert der Muskel nicht genau seinen Queerschnitt um eben soviel
als seine Länge abnimmt, so dass eine unbeträchtliche Volumänderung
und zwar eine Raumverkleinerung eintritt; bei der Umlegung der
einen in die andere Form verdichtet sich also der Muskel um ein Ge-
ringes; Erman.

Die mikroskopische Beobachtung des sich verkürzenden Muskels geschieht nach
Ed. Weber am besten, wenn man mit einem sehr dünnen Muskel eines Frosches
die Enden eines elektrischen Induktionsapparates überbrückt, welche in das Objek-
tivglas eingelassen sind. Während der Beobachtung setzt man den Muskel in teta-
nische Erregung. -- Zur Bestimmung der Muskelverdichtung dient ein geschlossenes
mit Flüssigkeit gefülltes Gefäss, in das die Enden eines Induktionsapparates geleitet
sind, und das nach oben in ein feines, zum Theil mit Flüssigkeit gefülltes Röhrchen
ausläuft. Wen man nun den Muskel auf die Enden des Induktionsapparates in der
Flüssigkeit legt und durch denselben den Muskel in Zusammenbringung bringt, so
kann man aus dem Sinken und Steigen des Flüssigkeitsstandes im Röhrchen ersehen,
ob Volumveränderungen des Muskels eintreten. Bei Anstellung des Versuchs ist be-
greiflich nöthig, die Anwesenheit von Luftblasen in den Blutgefässen des Muskels
zu vermeiden, und zweckmässig als Flüssigkeit statt des Wassers Milch, Blut-
serum und ähnliche Stoffe zu wählen, weil in diesen der Muskel längere Zeit seine
Lebenseigenschaften erhält.

4. Zeitlicher Verlauf der Zusammenziehung *). Wenn
ein Erreger auf den Muskel wirkt, so beginnt nicht augenblicklich mit
dem Eintritt desselben die Verkürzung, sondern erst eine kurze Zeit
nach dem Eintreten jenes; hieraus folgt, das wenn ein Erreger wäh-
rend einer verschwindend kleinen Zeit den Muskel trifft, dieser seine

*) Helmholtz, Ueber den zeitlichen Verlauf u. s. w. Müllers Archiv 1850. 276. Messungen
über Fortpflanzungsgeschwindigkeit u. s. w. ibid. 1852. 199. -- Volkmann, Ueber das Zu-
standekommen der Muskelcontraktion. Leipziger Berichte. Mathemat. physische Classe 1851. 1.
Ueber die Kraft u. s. w. ibid. 1851. 54.

Form des verkürzten Muskels.
welcher resultirt aus beiden Einflüssen. Bei der wahrscheinlichen Zu-
sammengesetztheit der Wirkungen eines jeden derselben, können na-
türlich die resultirenden Prozesse eine unsägliche Mannigfaltigkeit
besitzen. Im Allgemeinen scheint aber doch festzustehen, dass die
Ermüdung wächst mit der Zeitdauer der Anstrengung, mit dem Werthe
der Verkürzung und mit der Grösse des zu hebenden Gewichtes.

3. Form des verkürzten Muskels. Grösse der Verkür-
zung
. Die bei der Zusammenziehung stattfindenden sichtbaren Vor-
gänge bestehen darin, dass die während der Ruhe im Zickzack ge-
bogenen oder geschlängelten Muskelröhren sich unter Verminderung
ihrer Länge und Vergrösserung ihres Querschnitts gerade strecken;
zugleich erscheinen die Querstreifen schärfer und deutlicher, indem sie
näher aneinder rücke; Ed. Weber. — Um welchen Proportionaltheil der
ursprünglichen Länge sich der Muskel verkürzt, hängt von Umständen
ab, die wir theils schon kennen lernten, theils noch kennen lernen
werden; das von Ed. Weber unter den günstigsten Bedingungen beob-
achtete Maximum betrug ⅚ der Länge des ruhigen Muskels. Hiebei
verbreitert der Muskel nicht genau seinen Queerschnitt um eben soviel
als seine Länge abnimmt, so dass eine unbeträchtliche Volumänderung
und zwar eine Raumverkleinerung eintritt; bei der Umlegung der
einen in die andere Form verdichtet sich also der Muskel um ein Ge-
ringes; Erman.

Die mikroskopische Beobachtung des sich verkürzenden Muskels geschieht nach
Ed. Weber am besten, wenn man mit einem sehr dünnen Muskel eines Frosches
die Enden eines elektrischen Induktionsapparates überbrückt, welche in das Objek-
tivglas eingelassen sind. Während der Beobachtung setzt man den Muskel in teta-
nische Erregung. — Zur Bestimmung der Muskelverdichtung dient ein geschlossenes
mit Flüssigkeit gefülltes Gefäss, in das die Enden eines Induktionsapparates geleitet
sind, und das nach oben in ein feines, zum Theil mit Flüssigkeit gefülltes Röhrchen
ausläuft. Wen man nun den Muskel auf die Enden des Induktionsapparates in der
Flüssigkeit legt und durch denselben den Muskel in Zusammenbringung bringt, so
kann man aus dem Sinken und Steigen des Flüssigkeitsstandes im Röhrchen ersehen,
ob Volumveränderungen des Muskels eintreten. Bei Anstellung des Versuchs ist be-
greiflich nöthig, die Anwesenheit von Luftblasen in den Blutgefässen des Muskels
zu vermeiden, und zweckmässig als Flüssigkeit statt des Wassers Milch, Blut-
serum und ähnliche Stoffe zu wählen, weil in diesen der Muskel längere Zeit seine
Lebenseigenschaften erhält.

4. Zeitlicher Verlauf der Zusammenziehung *). Wenn
ein Erreger auf den Muskel wirkt, so beginnt nicht augenblicklich mit
dem Eintritt desselben die Verkürzung, sondern erst eine kurze Zeit
nach dem Eintreten jenes; hieraus folgt, das wenn ein Erreger wäh-
rend einer verschwindend kleinen Zeit den Muskel trifft, dieser seine

*) Helmholtz, Ueber den zeitlichen Verlauf u. s. w. Müllers Archiv 1850. 276. Messungen
über Fortpflanzungsgeschwindigkeit u. s. w. ibid. 1852. 199. — Volkmann, Ueber das Zu-
standekommen der Muskelcontraktion. Leipziger Berichte. Mathemat. physische Classe 1851. 1.
Ueber die Kraft u. s. w. ibid. 1851. 54.
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[332/0346] Form des verkürzten Muskels. welcher resultirt aus beiden Einflüssen. Bei der wahrscheinlichen Zu- sammengesetztheit der Wirkungen eines jeden derselben, können na- türlich die resultirenden Prozesse eine unsägliche Mannigfaltigkeit besitzen. Im Allgemeinen scheint aber doch festzustehen, dass die Ermüdung wächst mit der Zeitdauer der Anstrengung, mit dem Werthe der Verkürzung und mit der Grösse des zu hebenden Gewichtes. 3. Form des verkürzten Muskels. Grösse der Verkür- zung. Die bei der Zusammenziehung stattfindenden sichtbaren Vor- gänge bestehen darin, dass die während der Ruhe im Zickzack ge- bogenen oder geschlängelten Muskelröhren sich unter Verminderung ihrer Länge und Vergrösserung ihres Querschnitts gerade strecken; zugleich erscheinen die Querstreifen schärfer und deutlicher, indem sie näher aneinder rücke; Ed. Weber. — Um welchen Proportionaltheil der ursprünglichen Länge sich der Muskel verkürzt, hängt von Umständen ab, die wir theils schon kennen lernten, theils noch kennen lernen werden; das von Ed. Weber unter den günstigsten Bedingungen beob- achtete Maximum betrug ⅚ der Länge des ruhigen Muskels. Hiebei verbreitert der Muskel nicht genau seinen Queerschnitt um eben soviel als seine Länge abnimmt, so dass eine unbeträchtliche Volumänderung und zwar eine Raumverkleinerung eintritt; bei der Umlegung der einen in die andere Form verdichtet sich also der Muskel um ein Ge- ringes; Erman. Die mikroskopische Beobachtung des sich verkürzenden Muskels geschieht nach Ed. Weber am besten, wenn man mit einem sehr dünnen Muskel eines Frosches die Enden eines elektrischen Induktionsapparates überbrückt, welche in das Objek- tivglas eingelassen sind. Während der Beobachtung setzt man den Muskel in teta- nische Erregung. — Zur Bestimmung der Muskelverdichtung dient ein geschlossenes mit Flüssigkeit gefülltes Gefäss, in das die Enden eines Induktionsapparates geleitet sind, und das nach oben in ein feines, zum Theil mit Flüssigkeit gefülltes Röhrchen ausläuft. Wen man nun den Muskel auf die Enden des Induktionsapparates in der Flüssigkeit legt und durch denselben den Muskel in Zusammenbringung bringt, so kann man aus dem Sinken und Steigen des Flüssigkeitsstandes im Röhrchen ersehen, ob Volumveränderungen des Muskels eintreten. Bei Anstellung des Versuchs ist be- greiflich nöthig, die Anwesenheit von Luftblasen in den Blutgefässen des Muskels zu vermeiden, und zweckmässig als Flüssigkeit statt des Wassers Milch, Blut- serum und ähnliche Stoffe zu wählen, weil in diesen der Muskel längere Zeit seine Lebenseigenschaften erhält. 4. Zeitlicher Verlauf der Zusammenziehung *). Wenn ein Erreger auf den Muskel wirkt, so beginnt nicht augenblicklich mit dem Eintritt desselben die Verkürzung, sondern erst eine kurze Zeit nach dem Eintreten jenes; hieraus folgt, das wenn ein Erreger wäh- rend einer verschwindend kleinen Zeit den Muskel trifft, dieser seine *) Helmholtz, Ueber den zeitlichen Verlauf u. s. w. Müllers Archiv 1850. 276. Messungen über Fortpflanzungsgeschwindigkeit u. s. w. ibid. 1852. 199. — Volkmann, Ueber das Zu- standekommen der Muskelcontraktion. Leipziger Berichte. Mathemat. physische Classe 1851. 1. Ueber die Kraft u. s. w. ibid. 1851. 54.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/346>, abgerufen am 28.04.2024.