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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Schmackhafte Flüssigkeiten; Art des Geschmacks.
zusammengesetzt ist, zu verstehen, sondern gewisse allgemeine Ca-
tegorien der Verwandtschaft. Denn es erzeugen z. B. den Geschmack
des Sauren, des Kalischen, des Metallischen, des Salzigen Stoffe der
allerverschiedenartigsten chemischen Zusammensetzung, wie z. B.
Kali und Stibmethyliumoxyd, Schwefel- und Essigsäure, Eisen- und
Kupfersalze u. s. w.; gleichschmeckende Stoffe haben dagegen in dem
etwas gemeinsames, was man ihr electrochemisches Verhalten nennt.
Für mehrere Geschmäcke fehlt uns aber auch noch dieses gemeinsame
Merkmal, wie z. B. für das Süsse und Bittere; wir wissen insbeson-
dere nicht welches gemeinsame Merkmal den Süssigkeiten des Zuckers,
Glycerins, Glycocolls, Plumbum aceticum u. s. w. und anderseits den
Bitterstoffen Chinin, Salicin, der Magnesia sulfurica u. s. w. zukommt.
Bemerkenswerth für die Beziehung zwischen den Verwandtschafts-
und Geschmacksäusserungen der Atome ist noch die Erscheinung,
dass jedes Atom neben dem allgemeinen Geschmack des Sauren, Me-
tallischen u. s. w. noch einen besonderen Beigeschmack besitzt, ana-
log den Besonderheiten der Verwandtschaft, die jedes Atom vor an-
dern voraus hat.

Da das Geschmacksorgan ein vielseitigeres und ebenso allgemeines, wenn auch
kein so empfindliches chemisches Reagens ist, wie das Lakmuspapier, so würde es
schon im chemisch-technischen Interesse sein, die Geschmäcke genauer als bisher zu
prüfen, und Geschmacksreihen aufzustellen, in die man begreiflich nur die entschie-
den schmeckenden, chemisch reinen Verbindungen aufzunehmen hätte. Bei diesem
Verfahren wäre ausser andern erwähnten Vorsichtsmassregeln noch Rücksicht zu
nehmen auf die Speichelzersetzung, deren Einfluss schon Chevreul gewürdigt hat.

b) Der Ort der Empfindung soll in der Weise auf den Geschmack
Einfluss üben, dass ein und derselbe Stoff an der Spitze ganz anders
schmeckt als an der Basis der Zunge oder an den Gaumenflächen;
Horn *). So sollen namentlich der Zungenspitze mehrere Stoffe süss
oder sauer erscheinen, die der Gegend der umwallten Warzen bitter
vorkommen. Dieser Geschmackswechsel desselben Stoffes auf ver-
schiedenen Flächen unseres Sinnes gilt nun wohl nicht in der Ausdeh-
nung, wie ihn Horn zuerst behauptete, jedoch ist er für einzelne Stoffe,
namentlich für Salze, ausgesprochen genug. Auch dieser Gegenstand
verdient neuere und ausgedehntere Untersuchung.

Als Beispiele seien hier erwähnt:

[Tabelle]

B. Die Intensität der Geschmacksempfindung bei Gegenwart flüs-
siger Erreger ist abhängig von sehr zahlreichen Umständen und zwar

*) Ueber den Geschmackssinn der Menschen. Heidelberg 1825. Siehe einen Auszug mit Tabelle
in Valentins Lehrbuch der Physiol. II. b. 301. -- Guyot u. Admirault bei Longet l. c.
p. 166.

Schmackhafte Flüssigkeiten; Art des Geschmacks.
zusammengesetzt ist, zu verstehen, sondern gewisse allgemeine Ca-
tegorien der Verwandtschaft. Denn es erzeugen z. B. den Geschmack
des Sauren, des Kalischen, des Metallischen, des Salzigen Stoffe der
allerverschiedenartigsten chemischen Zusammensetzung, wie z. B.
Kali und Stibmethyliumoxyd, Schwefel- und Essigsäure, Eisen- und
Kupfersalze u. s. w.; gleichschmeckende Stoffe haben dagegen in dem
etwas gemeinsames, was man ihr electrochemisches Verhalten nennt.
Für mehrere Geschmäcke fehlt uns aber auch noch dieses gemeinsame
Merkmal, wie z. B. für das Süsse und Bittere; wir wissen insbeson-
dere nicht welches gemeinsame Merkmal den Süssigkeiten des Zuckers,
Glycerins, Glycocolls, Plumbum aceticum u. s. w. und anderseits den
Bitterstoffen Chinin, Salicin, der Magnesia sulfurica u. s. w. zukommt.
Bemerkenswerth für die Beziehung zwischen den Verwandtschafts-
und Geschmacksäusserungen der Atome ist noch die Erscheinung,
dass jedes Atom neben dem allgemeinen Geschmack des Sauren, Me-
tallischen u. s. w. noch einen besonderen Beigeschmack besitzt, ana-
log den Besonderheiten der Verwandtschaft, die jedes Atom vor an-
dern voraus hat.

Da das Geschmacksorgan ein vielseitigeres und ebenso allgemeines, wenn auch
kein so empfindliches chemisches Reagens ist, wie das Lakmuspapier, so würde es
schon im chemisch-technischen Interesse sein, die Geschmäcke genauer als bisher zu
prüfen, und Geschmacksreihen aufzustellen, in die man begreiflich nur die entschie-
den schmeckenden, chemisch reinen Verbindungen aufzunehmen hätte. Bei diesem
Verfahren wäre ausser andern erwähnten Vorsichtsmassregeln noch Rücksicht zu
nehmen auf die Speichelzersetzung, deren Einfluss schon Chevreul gewürdigt hat.

β) Der Ort der Empfindung soll in der Weise auf den Geschmack
Einfluss üben, dass ein und derselbe Stoff an der Spitze ganz anders
schmeckt als an der Basis der Zunge oder an den Gaumenflächen;
Horn *). So sollen namentlich der Zungenspitze mehrere Stoffe süss
oder sauer erscheinen, die der Gegend der umwallten Warzen bitter
vorkommen. Dieser Geschmackswechsel desselben Stoffes auf ver-
schiedenen Flächen unseres Sinnes gilt nun wohl nicht in der Ausdeh-
nung, wie ihn Horn zuerst behauptete, jedoch ist er für einzelne Stoffe,
namentlich für Salze, ausgesprochen genug. Auch dieser Gegenstand
verdient neuere und ausgedehntere Untersuchung.

Als Beispiele seien hier erwähnt:

[Tabelle]

B. Die Intensität der Geschmacksempfindung bei Gegenwart flüs-
siger Erreger ist abhängig von sehr zahlreichen Umständen und zwar

*) Ueber den Geschmackssinn der Menschen. Heidelberg 1825. Siehe einen Auszug mit Tabelle
in Valentins Lehrbuch der Physiol. II. b. 301. — Guyot u. Admirault bei Longet l. c.
p. 166.
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[295/0309] Schmackhafte Flüssigkeiten; Art des Geschmacks. zusammengesetzt ist, zu verstehen, sondern gewisse allgemeine Ca- tegorien der Verwandtschaft. Denn es erzeugen z. B. den Geschmack des Sauren, des Kalischen, des Metallischen, des Salzigen Stoffe der allerverschiedenartigsten chemischen Zusammensetzung, wie z. B. Kali und Stibmethyliumoxyd, Schwefel- und Essigsäure, Eisen- und Kupfersalze u. s. w.; gleichschmeckende Stoffe haben dagegen in dem etwas gemeinsames, was man ihr electrochemisches Verhalten nennt. Für mehrere Geschmäcke fehlt uns aber auch noch dieses gemeinsame Merkmal, wie z. B. für das Süsse und Bittere; wir wissen insbeson- dere nicht welches gemeinsame Merkmal den Süssigkeiten des Zuckers, Glycerins, Glycocolls, Plumbum aceticum u. s. w. und anderseits den Bitterstoffen Chinin, Salicin, der Magnesia sulfurica u. s. w. zukommt. Bemerkenswerth für die Beziehung zwischen den Verwandtschafts- und Geschmacksäusserungen der Atome ist noch die Erscheinung, dass jedes Atom neben dem allgemeinen Geschmack des Sauren, Me- tallischen u. s. w. noch einen besonderen Beigeschmack besitzt, ana- log den Besonderheiten der Verwandtschaft, die jedes Atom vor an- dern voraus hat. Da das Geschmacksorgan ein vielseitigeres und ebenso allgemeines, wenn auch kein so empfindliches chemisches Reagens ist, wie das Lakmuspapier, so würde es schon im chemisch-technischen Interesse sein, die Geschmäcke genauer als bisher zu prüfen, und Geschmacksreihen aufzustellen, in die man begreiflich nur die entschie- den schmeckenden, chemisch reinen Verbindungen aufzunehmen hätte. Bei diesem Verfahren wäre ausser andern erwähnten Vorsichtsmassregeln noch Rücksicht zu nehmen auf die Speichelzersetzung, deren Einfluss schon Chevreul gewürdigt hat. β) Der Ort der Empfindung soll in der Weise auf den Geschmack Einfluss üben, dass ein und derselbe Stoff an der Spitze ganz anders schmeckt als an der Basis der Zunge oder an den Gaumenflächen; Horn *). So sollen namentlich der Zungenspitze mehrere Stoffe süss oder sauer erscheinen, die der Gegend der umwallten Warzen bitter vorkommen. Dieser Geschmackswechsel desselben Stoffes auf ver- schiedenen Flächen unseres Sinnes gilt nun wohl nicht in der Ausdeh- nung, wie ihn Horn zuerst behauptete, jedoch ist er für einzelne Stoffe, namentlich für Salze, ausgesprochen genug. Auch dieser Gegenstand verdient neuere und ausgedehntere Untersuchung. Als Beispiele seien hier erwähnt: B. Die Intensität der Geschmacksempfindung bei Gegenwart flüs- siger Erreger ist abhängig von sehr zahlreichen Umständen und zwar *) Ueber den Geschmackssinn der Menschen. Heidelberg 1825. Siehe einen Auszug mit Tabelle in Valentins Lehrbuch der Physiol. II. b. 301. — Guyot u. Admirault bei Longet l. c. p. 166.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/309>, abgerufen am 22.11.2024.