3. Gehörknöchelchen. Der Betrachtung der akustischen Wir- kungen der Gehörknöchelchen muss diejenige ihrer Gelenkbewegun- gen voraufgehen.
Bewegungen jedes einzelnen Knöchelchens für sich. Die Achse, um welche sich der Hammer bei einer gesonderten Be- wegung drehen müsste, ist bestimmt durch die Anhaftung des proc. folianius am Paukenring und durch die Form der Gelenkfläche des Kopfes. Ob diese Bewegung in der That möglich, muss durch künf- tige Untersuchungen entschieden werden. -- Der Ambos ist nur be- weglich, wenn er gleichzeitig an mehreren Gelenkflächen seine Lage ändert; denn er ist an drei Orten (den Gelenkflächen zwischen Körper und den beiden Fortsätzen) festgestellt, welche nicht in einer Linie liegen. Da ihm kein Muskel zukommt, so werden diese Bewegungen nur möglich sein, wenn sich gleichzeitig die beiden andern Knochen an ihm verrücken. -- Die isolirte Bewegung des Steigbügels ist möglich, wenn der Ambos feststeht. Die Achse ist wahrscheinlich durch das Köpfchen des Steigbügels und den hintern Winkel des Fusstrittes zu ziehen, so dass die Bewegung sich als ein Erheben und Senken des vordern Endes der Fusstrittplatte darstellt. Diese Bewe- gung wird beschränkt durch das ringförmige Trittband und die Nach- giebigkeit der membrana fenestrae rotundae; der Einfluss dieses letztern macht sich nämlich dadurch geltend, dass die Membran des eirunden Lochs, da sie immer von Labyrinth-Wasser bedeckt ist, nur um so viel nach innen und aussen ausweichen kann, als die Nachgie- bigkeit des Wassers beträgt; diese letztere ist aber abhängig von der Nachgiebigkeit des runden Fensters; Ed. Weber. Die Bewegung wird ausgeführt durch den m. stapedius, welcher senkrecht gegen die be- zeichnete Achse sitzt und dem Lauf seiner Fasern gemäss (von hin- ten nach vorn) das vordere Ende der Fussplatte aus dem runden Fenster hebeln muss. Der Umfang der Wirkung dieses Muskels, resp. der Umfang der durch ihn erzeugten Bewegung ist unbekannt. -- Da seine Nerven aus dem Stamm des n. facialis kommen, so vermuthet man, dass sie auch aus den Wurzeln desselben stammen, eine Ver- muthung, die noch dahin steht.
Gemeinsame Bewegungen der Gehörknöchelchen. a. Gleichzeitige Bewegungen von Hammer und Ambos. Ed. Weber. Die Achse dieser Bewegung ist bestimmt durch die Anheftung des proc. folianus mallei und des proc. brevis incudis. Die Befesti- gung der Endpunkte der Achse an der Paukenhöhle wird durch das ligamentum mallei anterius (m. laxator longus) und das straffe Kap- selband um den proc. brevis incudis bestimmt; diese beiden Fort- sätze, die in gerader Linie fortlaufen, sind als eine Achse anzusehen aus welcher unter rechten Winkeln nach der einen Seite der Handgriff des Hammers und der lange Fortsatz des Amboses nach der andern
Ludwig, Physiologie I. 18
Gleichzeitige Bewegung von Hammer und Ambos.
3. Gehörknöchelchen. Der Betrachtung der akustischen Wir- kungen der Gehörknöchelchen muss diejenige ihrer Gelenkbewegun- gen voraufgehen.
Bewegungen jedes einzelnen Knöchelchens für sich. Die Achse, um welche sich der Hammer bei einer gesonderten Be- wegung drehen müsste, ist bestimmt durch die Anhaftung des proc. folianius am Paukenring und durch die Form der Gelenkfläche des Kopfes. Ob diese Bewegung in der That möglich, muss durch künf- tige Untersuchungen entschieden werden. — Der Ambos ist nur be- weglich, wenn er gleichzeitig an mehreren Gelenkflächen seine Lage ändert; denn er ist an drei Orten (den Gelenkflächen zwischen Körper und den beiden Fortsätzen) festgestellt, welche nicht in einer Linie liegen. Da ihm kein Muskel zukommt, so werden diese Bewegungen nur möglich sein, wenn sich gleichzeitig die beiden andern Knochen an ihm verrücken. — Die isolirte Bewegung des Steigbügels ist möglich, wenn der Ambos feststeht. Die Achse ist wahrscheinlich durch das Köpfchen des Steigbügels und den hintern Winkel des Fusstrittes zu ziehen, so dass die Bewegung sich als ein Erheben und Senken des vordern Endes der Fusstrittplatte darstellt. Diese Bewe- gung wird beschränkt durch das ringförmige Trittband und die Nach- giebigkeit der membrana fenestrae rotundae; der Einfluss dieses letztern macht sich nämlich dadurch geltend, dass die Membran des eirunden Lochs, da sie immer von Labyrinth-Wasser bedeckt ist, nur um so viel nach innen und aussen ausweichen kann, als die Nachgie- bigkeit des Wassers beträgt; diese letztere ist aber abhängig von der Nachgiebigkeit des runden Fensters; Ed. Weber. Die Bewegung wird ausgeführt durch den m. stapedius, welcher senkrecht gegen die be- zeichnete Achse sitzt und dem Lauf seiner Fasern gemäss (von hin- ten nach vorn) das vordere Ende der Fussplatte aus dem runden Fenster hebeln muss. Der Umfang der Wirkung dieses Muskels, resp. der Umfang der durch ihn erzeugten Bewegung ist unbekannt. — Da seine Nerven aus dem Stamm des n. facialis kommen, so vermuthet man, dass sie auch aus den Wurzeln desselben stammen, eine Ver- muthung, die noch dahin steht.
Gemeinsame Bewegungen der Gehörknöchelchen. a. Gleichzeitige Bewegungen von Hammer und Ambos. Ed. Weber. Die Achse dieser Bewegung ist bestimmt durch die Anheftung des proc. folianus mallei und des proc. brevis incudis. Die Befesti- gung der Endpunkte der Achse an der Paukenhöhle wird durch das ligamentum mallei anterius (m. laxator longus) und das straffe Kap- selband um den proc. brevis incudis bestimmt; diese beiden Fort- sätze, die in gerader Linie fortlaufen, sind als eine Achse anzusehen aus welcher unter rechten Winkeln nach der einen Seite der Handgriff des Hammers und der lange Fortsatz des Amboses nach der andern
Ludwig, Physiologie I. 18
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Gleichzeitige Bewegung von Hammer und Ambos.
3. Gehörknöchelchen. Der Betrachtung der akustischen Wir-
kungen der Gehörknöchelchen muss diejenige ihrer Gelenkbewegun-
gen voraufgehen.
Bewegungen jedes einzelnen Knöchelchens für sich.
Die Achse, um welche sich der Hammer bei einer gesonderten Be-
wegung drehen müsste, ist bestimmt durch die Anhaftung des proc.
folianius am Paukenring und durch die Form der Gelenkfläche des
Kopfes. Ob diese Bewegung in der That möglich, muss durch künf-
tige Untersuchungen entschieden werden. — Der Ambos ist nur be-
weglich, wenn er gleichzeitig an mehreren Gelenkflächen seine Lage
ändert; denn er ist an drei Orten (den Gelenkflächen zwischen Körper
und den beiden Fortsätzen) festgestellt, welche nicht in einer Linie
liegen. Da ihm kein Muskel zukommt, so werden diese Bewegungen
nur möglich sein, wenn sich gleichzeitig die beiden andern Knochen
an ihm verrücken. — Die isolirte Bewegung des Steigbügels ist
möglich, wenn der Ambos feststeht. Die Achse ist wahrscheinlich
durch das Köpfchen des Steigbügels und den hintern Winkel des
Fusstrittes zu ziehen, so dass die Bewegung sich als ein Erheben und
Senken des vordern Endes der Fusstrittplatte darstellt. Diese Bewe-
gung wird beschränkt durch das ringförmige Trittband und die Nach-
giebigkeit der membrana fenestrae rotundae; der Einfluss dieses
letztern macht sich nämlich dadurch geltend, dass die Membran des
eirunden Lochs, da sie immer von Labyrinth-Wasser bedeckt ist, nur
um so viel nach innen und aussen ausweichen kann, als die Nachgie-
bigkeit des Wassers beträgt; diese letztere ist aber abhängig von der
Nachgiebigkeit des runden Fensters; Ed. Weber. Die Bewegung wird
ausgeführt durch den m. stapedius, welcher senkrecht gegen die be-
zeichnete Achse sitzt und dem Lauf seiner Fasern gemäss (von hin-
ten nach vorn) das vordere Ende der Fussplatte aus dem runden
Fenster hebeln muss. Der Umfang der Wirkung dieses Muskels, resp.
der Umfang der durch ihn erzeugten Bewegung ist unbekannt. — Da
seine Nerven aus dem Stamm des n. facialis kommen, so vermuthet
man, dass sie auch aus den Wurzeln desselben stammen, eine Ver-
muthung, die noch dahin steht.
Gemeinsame Bewegungen der Gehörknöchelchen.
a. Gleichzeitige Bewegungen von Hammer und Ambos. Ed. Weber.
Die Achse dieser Bewegung ist bestimmt durch die Anheftung des
proc. folianus mallei und des proc. brevis incudis. Die Befesti-
gung der Endpunkte der Achse an der Paukenhöhle wird durch das
ligamentum mallei anterius (m. laxator longus) und das straffe Kap-
selband um den proc. brevis incudis bestimmt; diese beiden Fort-
sätze, die in gerader Linie fortlaufen, sind als eine Achse anzusehen
aus welcher unter rechten Winkeln nach der einen Seite der Handgriff
des Hammers und der lange Fortsatz des Amboses nach der andern
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/287>, abgerufen am 24.11.2024.
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