Schliesslich darf die Bemerkung nicht unterlassen werden, dass noch mancherlei andere Grundlagen zur Bildung eines Urtheils über Perspektive vorhanden sein müs- sen als die gegebenen, was schon daraus hervorgeht 1. dass die entoptischen Gegen- stände fast immer in gleicher Entfernung vor dem Auge schweben, wenn auch die Achsenconvergenz und die Accommodation wechselt; 2. dass man nach Dove auch noch in einem Stereoskop eine perspektivische Figur sieht, selbst wenn man die Bil- der mit dem nur momentan dauernden elektrischen Funken beleuchtet hat; 3. dass in dem Meyer'schen Versuch wohl die auf den mittleren, aber nicht die auf den seitlichen Theilen der Netzhaut abgebildeten Gegenstände den Ort verändern, und endlich 4. dass eine perspektivische Zeichnung für nur ein Auge ebenfalls körperlich wirkt und zwar sehr auffallend, wenn man sie durch eine Röhre betrachtet.
Bewegung der gesehenen Gegenstände.
Da wir, wie erwiesen, von den Lagenverhältnissen der Retina zum Raum, und der Empfindungsobjekte im Raume unterrichtet sind, so folgt daraus mit Nothwendigkeit, dass wir auch einen Ortswech- sel, sei es der Retina zum Raume, oder der Empfindungsobjekte zu einander auffassen. Jeden solchen Wechsel machen wir bekannt- lich von einer Bewegung abhängig d. h. wir schreiben ihn einem suc- cessiven Fortrücken des in seiner Lage veränderten Gegenstandes vom alten zum neuen Ort in der Retina zu.
Dieses Fortrücken der Bilder auf der Retina geschieht nun ent- weder so, dass die äusseren Gegenstände mit verschiedenen Punkten ihrer Ausdehnung über dieselben Netzhautpunkte gehen (wenn näm- lich die Retina feststeht, während die Aussendinge sich bewegen), oder umgekehrt, es bewegen sich verschiedene Netzhautpunkte über dieselben äusseren Gegenstände (wenn die Retina fortrückt während die Aussendinge fixirt sind). Diese beiden Fälle müssen nach Obigem im Bewusstsein unterschieden werden können, und es fragt sich nur, ob dieses Unterscheidungsvermögen begrenzt oder unbegrenzt ist. Diese Frage ist von der Erfahrung dahin beantwortet, dass wir nicht in allen Fällen in der Anschauung richtig urtheilen, ob die Verschie- bung der Bilder auf den Sehnervenfasern von der Bewegung der Re- tina oder einer Bewegung der Bilder abhängig sei. Diese Beschrän- kung ist bedingt durch den Umstand, dass nur die Nerven einer ge- wissen Zahl von Muskelgruppen einen Einfluss auf die Lagenbestim- mung unserer Retina in unserer Anschauung gewinnen. Demgemäss halten wir, wenn die Verschiebung der Bilder auf der Retina gleich- zeitig mit der Thätigkeit dieser Muskelgruppen eintrifft, die Gegen- stände für ruhig, und umgekehrt erscheinen uns die Gegenstände bewegt, wenn die Verschiebung auftritt, ohne dass diese Muskeln in Thätigkeit kommen, und dieses selbst dann noch, wenn uns auch das Bewusstsein sagt, dass die Gegenstände ruhen und wir uns be- wegen.
Erfahrungsgemäss erläutern wir die Verschiebung der Bilder auf der Retina aus einer Bewegung dieser letztern, wenn folgende Mus-
Bewegung der gesehenen Gegenstände.
Schliesslich darf die Bemerkung nicht unterlassen werden, dass noch mancherlei andere Grundlagen zur Bildung eines Urtheils über Perspektive vorhanden sein müs- sen als die gegebenen, was schon daraus hervorgeht 1. dass die entoptischen Gegen- stände fast immer in gleicher Entfernung vor dem Auge schweben, wenn auch die Achsenconvergenz und die Accommodation wechselt; 2. dass man nach Dove auch noch in einem Stereoskop eine perspektivische Figur sieht, selbst wenn man die Bil- der mit dem nur momentan dauernden elektrischen Funken beleuchtet hat; 3. dass in dem Meyer’schen Versuch wohl die auf den mittleren, aber nicht die auf den seitlichen Theilen der Netzhaut abgebildeten Gegenstände den Ort verändern, und endlich 4. dass eine perspektivische Zeichnung für nur ein Auge ebenfalls körperlich wirkt und zwar sehr auffallend, wenn man sie durch eine Röhre betrachtet.
Bewegung der gesehenen Gegenstände.
Da wir, wie erwiesen, von den Lagenverhältnissen der Retina zum Raum, und der Empfindungsobjekte im Raume unterrichtet sind, so folgt daraus mit Nothwendigkeit, dass wir auch einen Ortswech- sel, sei es der Retina zum Raume, oder der Empfindungsobjekte zu einander auffassen. Jeden solchen Wechsel machen wir bekannt- lich von einer Bewegung abhängig d. h. wir schreiben ihn einem suc- cessiven Fortrücken des in seiner Lage veränderten Gegenstandes vom alten zum neuen Ort in der Retina zu.
Dieses Fortrücken der Bilder auf der Retina geschieht nun ent- weder so, dass die äusseren Gegenstände mit verschiedenen Punkten ihrer Ausdehnung über dieselben Netzhautpunkte gehen (wenn näm- lich die Retina feststeht, während die Aussendinge sich bewegen), oder umgekehrt, es bewegen sich verschiedene Netzhautpunkte über dieselben äusseren Gegenstände (wenn die Retina fortrückt während die Aussendinge fixirt sind). Diese beiden Fälle müssen nach Obigem im Bewusstsein unterschieden werden können, und es fragt sich nur, ob dieses Unterscheidungsvermögen begrenzt oder unbegrenzt ist. Diese Frage ist von der Erfahrung dahin beantwortet, dass wir nicht in allen Fällen in der Anschauung richtig urtheilen, ob die Verschie- bung der Bilder auf den Sehnervenfasern von der Bewegung der Re- tina oder einer Bewegung der Bilder abhängig sei. Diese Beschrän- kung ist bedingt durch den Umstand, dass nur die Nerven einer ge- wissen Zahl von Muskelgruppen einen Einfluss auf die Lagenbestim- mung unserer Retina in unserer Anschauung gewinnen. Demgemäss halten wir, wenn die Verschiebung der Bilder auf der Retina gleich- zeitig mit der Thätigkeit dieser Muskelgruppen eintrifft, die Gegen- stände für ruhig, und umgekehrt erscheinen uns die Gegenstände bewegt, wenn die Verschiebung auftritt, ohne dass diese Muskeln in Thätigkeit kommen, und dieses selbst dann noch, wenn uns auch das Bewusstsein sagt, dass die Gegenstände ruhen und wir uns be- wegen.
Erfahrungsgemäss erläutern wir die Verschiebung der Bilder auf der Retina aus einer Bewegung dieser letztern, wenn folgende Mus-
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Bewegung der gesehenen Gegenstände.
Schliesslich darf die Bemerkung nicht unterlassen werden, dass noch mancherlei
andere Grundlagen zur Bildung eines Urtheils über Perspektive vorhanden sein müs-
sen als die gegebenen, was schon daraus hervorgeht 1. dass die entoptischen Gegen-
stände fast immer in gleicher Entfernung vor dem Auge schweben, wenn auch die
Achsenconvergenz und die Accommodation wechselt; 2. dass man nach Dove auch
noch in einem Stereoskop eine perspektivische Figur sieht, selbst wenn man die Bil-
der mit dem nur momentan dauernden elektrischen Funken beleuchtet hat; 3. dass
in dem Meyer’schen Versuch wohl die auf den mittleren, aber nicht die auf den
seitlichen Theilen der Netzhaut abgebildeten Gegenstände den Ort verändern, und
endlich 4. dass eine perspektivische Zeichnung für nur ein Auge ebenfalls körperlich
wirkt und zwar sehr auffallend, wenn man sie durch eine Röhre betrachtet.
Bewegung der gesehenen Gegenstände.
Da wir, wie erwiesen, von den Lagenverhältnissen der Retina
zum Raum, und der Empfindungsobjekte im Raume unterrichtet sind,
so folgt daraus mit Nothwendigkeit, dass wir auch einen Ortswech-
sel, sei es der Retina zum Raume, oder der Empfindungsobjekte
zu einander auffassen. Jeden solchen Wechsel machen wir bekannt-
lich von einer Bewegung abhängig d. h. wir schreiben ihn einem suc-
cessiven Fortrücken des in seiner Lage veränderten Gegenstandes
vom alten zum neuen Ort in der Retina zu.
Dieses Fortrücken der Bilder auf der Retina geschieht nun ent-
weder so, dass die äusseren Gegenstände mit verschiedenen Punkten
ihrer Ausdehnung über dieselben Netzhautpunkte gehen (wenn näm-
lich die Retina feststeht, während die Aussendinge sich bewegen),
oder umgekehrt, es bewegen sich verschiedene Netzhautpunkte über
dieselben äusseren Gegenstände (wenn die Retina fortrückt während
die Aussendinge fixirt sind). Diese beiden Fälle müssen nach Obigem
im Bewusstsein unterschieden werden können, und es fragt sich nur,
ob dieses Unterscheidungsvermögen begrenzt oder unbegrenzt ist.
Diese Frage ist von der Erfahrung dahin beantwortet, dass wir nicht
in allen Fällen in der Anschauung richtig urtheilen, ob die Verschie-
bung der Bilder auf den Sehnervenfasern von der Bewegung der Re-
tina oder einer Bewegung der Bilder abhängig sei. Diese Beschrän-
kung ist bedingt durch den Umstand, dass nur die Nerven einer ge-
wissen Zahl von Muskelgruppen einen Einfluss auf die Lagenbestim-
mung unserer Retina in unserer Anschauung gewinnen. Demgemäss
halten wir, wenn die Verschiebung der Bilder auf der Retina gleich-
zeitig mit der Thätigkeit dieser Muskelgruppen eintrifft, die Gegen-
stände für ruhig, und umgekehrt erscheinen uns die Gegenstände
bewegt, wenn die Verschiebung auftritt, ohne dass diese Muskeln in
Thätigkeit kommen, und dieses selbst dann noch, wenn uns auch das
Bewusstsein sagt, dass die Gegenstände ruhen und wir uns be-
wegen.
Erfahrungsgemäss erläutern wir die Verschiebung der Bilder auf
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/272>, abgerufen am 28.11.2024.
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