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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

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Einleitung.

2) Leistungen der Form, in welche die gewichtigen
und gewichtlosen Stoffe gebracht sind
. -- Zu den bis dahin
dargestellten, die Leistungen der thierischen Körper bedingenden
Elementen tritt als eine besondere Bestimmung nun noch die Form
hinzu. Die Bedeutung derselben liegt nicht darin, Bewegungen
irgend welcher Art zu erzeugen. Die Allgemeingiltigkeit dieser
Behauptung leuchtet sogleich ein, wenn man erwägt, dass die Form
nichts anders ist, als die aus irgend welchen Anziehungen einer
Substanz hervorgehende Lagerung der Theilchen. -- Die Form
kann demgemäss nur darin von Wichtigkeit werden, dass sie die
Richtung und die zeitliche Erscheinung der Bewegungen, welche auf sie
treffen, oder welche in der von ihr umschlossenen Substanz erzeugt
werden, ändert. Die Wahrheit dieses Satzes kann durch die Betrach-
tung einer jeglichen Leistung der thierischen Körper, insoferne sich
Formen an ihrer Erzeugung betheiligen, dargethan werden; wir erinnern
hier nur an die eigenthümlichen Veränderungen, welche in der Wir-
kung der Muskelkraft durch die Biegungen der Gelenkflächen und die
Länge der Knochen, die jene in Bewegung setzen, hervorgerufen wer-
den; an die Veränderungen, welche die Lichtstrahlen in ihrem Gang
durch die eigenthümlichen Krümmungen der Augenmedien erleiden,
an die besondere Verbreitung der Nervenkräfte innerhalb der Nerven-
röhre u. s. w. -- Demgemäss kann der Werth der Form, mag man
denselben auch noch so hoch anschlagen, immer nur von untergeord-
neter Bedeutung sein im Vergleich zu den bewegungserzeugenden
Bedingungen des thierischen Körpers.

3) Leistungen der äusseren Einflüsse für die im
thierischen Körper vorgehenden Prozesse
. -- Das in be-
sondere Formen geschlossene System von Elementen, welches wir den
thierischen Körper nennen, steht nicht isolirt, sondern es ist auch der
in die Ferne wirkenden Anziehung und Abstossung unterworfen, welche
von einer Reihe dasselbe umgebender Stoffe ausgehen. Demgemäss
werden die anziehenden und abstossenden Wirkungen, welche die ele-
mentaren Bedingungen des Körpers aufeinander üben, nicht die einzigen
Componenten sein, aus denen die Leistungen des thierischen Körpers
hervorgehen. Wie ersichtlich, wird die Wärme der Atmosphäre, der
Wärmeleitungswiderstand der Kleidung u. s. w. von Einfluss sein auf die
Summe der Wärme im Thierleib; die Intensität der Schwere an dem Orte,
an welchem der Thierkörper sich befindet, wird zum Theil die Dichtig-
keit der in ihm enthaltenen Stoffe bestimmen u. s. w. Durch diese
Wechselwirkung, einerseits zwischen den tellurischen und siderischen
und anderseits zwischen den physiologischen Bedingungen werden
begreiflich zahllose Folgen erzeugt, und es wird demnach die Ein-
sicht in die Hergänge des thierischen Körpers erst eine vollkommene
sein, wenn die Angabe gemacht werden kann, welche äussere Ein-

Einleitung.

2) Leistungen der Form, in welche die gewichtigen
und gewichtlosen Stoffe gebracht sind
. — Zu den bis dahin
dargestellten, die Leistungen der thierischen Körper bedingenden
Elementen tritt als eine besondere Bestimmung nun noch die Form
hinzu. Die Bedeutung derselben liegt nicht darin, Bewegungen
irgend welcher Art zu erzeugen. Die Allgemeingiltigkeit dieser
Behauptung leuchtet sogleich ein, wenn man erwägt, dass die Form
nichts anders ist, als die aus irgend welchen Anziehungen einer
Substanz hervorgehende Lagerung der Theilchen. — Die Form
kann demgemäss nur darin von Wichtigkeit werden, dass sie die
Richtung und die zeitliche Erscheinung der Bewegungen, welche auf sie
treffen, oder welche in der von ihr umschlossenen Substanz erzeugt
werden, ändert. Die Wahrheit dieses Satzes kann durch die Betrach-
tung einer jeglichen Leistung der thierischen Körper, insoferne sich
Formen an ihrer Erzeugung betheiligen, dargethan werden; wir erinnern
hier nur an die eigenthümlichen Veränderungen, welche in der Wir-
kung der Muskelkraft durch die Biegungen der Gelenkflächen und die
Länge der Knochen, die jene in Bewegung setzen, hervorgerufen wer-
den; an die Veränderungen, welche die Lichtstrahlen in ihrem Gang
durch die eigenthümlichen Krümmungen der Augenmedien erleiden,
an die besondere Verbreitung der Nervenkräfte innerhalb der Nerven-
röhre u. s. w. — Demgemäss kann der Werth der Form, mag man
denselben auch noch so hoch anschlagen, immer nur von untergeord-
neter Bedeutung sein im Vergleich zu den bewegungserzeugenden
Bedingungen des thierischen Körpers.

3) Leistungen der äusseren Einflüsse für die im
thierischen Körper vorgehenden Prozesse
. — Das in be-
sondere Formen geschlossene System von Elementen, welches wir den
thierischen Körper nennen, steht nicht isolirt, sondern es ist auch der
in die Ferne wirkenden Anziehung und Abstossung unterworfen, welche
von einer Reihe dasselbe umgebender Stoffe ausgehen. Demgemäss
werden die anziehenden und abstossenden Wirkungen, welche die ele-
mentaren Bedingungen des Körpers aufeinander üben, nicht die einzigen
Componenten sein, aus denen die Leistungen des thierischen Körpers
hervorgehen. Wie ersichtlich, wird die Wärme der Atmosphäre, der
Wärmeleitungswiderstand der Kleidung u. s. w. von Einfluss sein auf die
Summe der Wärme im Thierleib; die Intensität der Schwere an dem Orte,
an welchem der Thierkörper sich befindet, wird zum Theil die Dichtig-
keit der in ihm enthaltenen Stoffe bestimmen u. s. w. Durch diese
Wechselwirkung, einerseits zwischen den tellurischen und siderischen
und anderseits zwischen den physiologischen Bedingungen werden
begreiflich zahllose Folgen erzeugt, und es wird demnach die Ein-
sicht in die Hergänge des thierischen Körpers erst eine vollkommene
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[10/0024] Einleitung. 2) Leistungen der Form, in welche die gewichtigen und gewichtlosen Stoffe gebracht sind. — Zu den bis dahin dargestellten, die Leistungen der thierischen Körper bedingenden Elementen tritt als eine besondere Bestimmung nun noch die Form hinzu. Die Bedeutung derselben liegt nicht darin, Bewegungen irgend welcher Art zu erzeugen. Die Allgemeingiltigkeit dieser Behauptung leuchtet sogleich ein, wenn man erwägt, dass die Form nichts anders ist, als die aus irgend welchen Anziehungen einer Substanz hervorgehende Lagerung der Theilchen. — Die Form kann demgemäss nur darin von Wichtigkeit werden, dass sie die Richtung und die zeitliche Erscheinung der Bewegungen, welche auf sie treffen, oder welche in der von ihr umschlossenen Substanz erzeugt werden, ändert. Die Wahrheit dieses Satzes kann durch die Betrach- tung einer jeglichen Leistung der thierischen Körper, insoferne sich Formen an ihrer Erzeugung betheiligen, dargethan werden; wir erinnern hier nur an die eigenthümlichen Veränderungen, welche in der Wir- kung der Muskelkraft durch die Biegungen der Gelenkflächen und die Länge der Knochen, die jene in Bewegung setzen, hervorgerufen wer- den; an die Veränderungen, welche die Lichtstrahlen in ihrem Gang durch die eigenthümlichen Krümmungen der Augenmedien erleiden, an die besondere Verbreitung der Nervenkräfte innerhalb der Nerven- röhre u. s. w. — Demgemäss kann der Werth der Form, mag man denselben auch noch so hoch anschlagen, immer nur von untergeord- neter Bedeutung sein im Vergleich zu den bewegungserzeugenden Bedingungen des thierischen Körpers. 3) Leistungen der äusseren Einflüsse für die im thierischen Körper vorgehenden Prozesse. — Das in be- sondere Formen geschlossene System von Elementen, welches wir den thierischen Körper nennen, steht nicht isolirt, sondern es ist auch der in die Ferne wirkenden Anziehung und Abstossung unterworfen, welche von einer Reihe dasselbe umgebender Stoffe ausgehen. Demgemäss werden die anziehenden und abstossenden Wirkungen, welche die ele- mentaren Bedingungen des Körpers aufeinander üben, nicht die einzigen Componenten sein, aus denen die Leistungen des thierischen Körpers hervorgehen. Wie ersichtlich, wird die Wärme der Atmosphäre, der Wärmeleitungswiderstand der Kleidung u. s. w. von Einfluss sein auf die Summe der Wärme im Thierleib; die Intensität der Schwere an dem Orte, an welchem der Thierkörper sich befindet, wird zum Theil die Dichtig- keit der in ihm enthaltenen Stoffe bestimmen u. s. w. Durch diese Wechselwirkung, einerseits zwischen den tellurischen und siderischen und anderseits zwischen den physiologischen Bedingungen werden begreiflich zahllose Folgen erzeugt, und es wird demnach die Ein- sicht in die Hergänge des thierischen Körpers erst eine vollkommene sein, wenn die Angabe gemacht werden kann, welche äussere Ein-

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/24>, abgerufen am 21.11.2024.